Der ein und zwantzigste Brief von Fräulein Howe an Fräulein Clarissa Harlowe.
Donnerstag Morgens.
Jch fange nun an, Jhre lieben Zeilen zu be- antworten: ich muß aber kurtz seyn, weil ich in einer allzugrosen Schuld stecke.
Was zuförderst Jhre Verweise anlanget, so habe ich diese Entschuldigung: sollte ich denn gäntzlich aufhören, Verweise von Jhnen zu ver- dienen, da ich Jhre Art sie zu geben so sehr be- wundere, und Sie immer lieber kriege, so oft Sie mir etwas verweisen? und da Sie so voll- kommen dazu berechtiget sind? denn was könn- ten Sie vor eigene Fehler haben, wenn nicht Jhre Anverwanten so gütig wären, an Jhnen einige Splitter zu entdecken, um dadurch die Menge ihrer eigenen Sünden gegen Sie zu entschuldigen? Allein ich hoffe, daß diese hierin gegen mich eben so gütig gesinnet sind als gegen Sie. Denn wer unsere Brieffe läse, und Jh- nen Recht gäbe, würde mir dennoch das grösseste Unrecht geben.
Sie thun recht daran, daß Sie Jhres Va- ters Haus nicht verlassen wollen, wenn Sie nur darin bleiben können, ohne daß Sie Herrn Sol- mes angetrauet werden.
Mich
der Clariſſa.
Der ein und zwantzigſte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Donnerſtag Morgens.
Jch fange nun an, Jhre lieben Zeilen zu be- antworten: ich muß aber kurtz ſeyn, weil ich in einer allzugroſen Schuld ſtecke.
Was zufoͤrderſt Jhre Verweiſe anlanget, ſo habe ich dieſe Entſchuldigung: ſollte ich denn gaͤntzlich aufhoͤren, Verweiſe von Jhnen zu ver- dienen, da ich Jhre Art ſie zu geben ſo ſehr be- wundere, und Sie immer lieber kriege, ſo oft Sie mir etwas verweiſen? und da Sie ſo voll- kommen dazu berechtiget ſind? denn was koͤnn- ten Sie vor eigene Fehler haben, wenn nicht Jhre Anverwanten ſo guͤtig waͤren, an Jhnen einige Splitter zu entdecken, um dadurch die Menge ihrer eigenen Suͤnden gegen Sie zu entſchuldigen? Allein ich hoffe, daß dieſe hierin gegen mich eben ſo guͤtig geſinnet ſind als gegen Sie. Denn wer unſere Brieffe laͤſe, und Jh- nen Recht gaͤbe, wuͤrde mir dennoch das groͤſſeſte Unrecht geben.
Sie thun recht daran, daß Sie Jhres Va- ters Haus nicht verlaſſen wollen, wenn Sie nur darin bleiben koͤnnen, ohne daß Sie Herrn Sol- mes angetrauet werden.
Mich
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der Clariſſa.
Der ein und zwantzigſte Brief
von
Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.
Donnerſtag Morgens.
Jch fange nun an, Jhre lieben Zeilen zu be-
antworten: ich muß aber kurtz ſeyn, weil
ich in einer allzugroſen Schuld ſtecke.
Was zufoͤrderſt Jhre Verweiſe anlanget, ſo
habe ich dieſe Entſchuldigung: ſollte ich denn
gaͤntzlich aufhoͤren, Verweiſe von Jhnen zu ver-
dienen, da ich Jhre Art ſie zu geben ſo ſehr be-
wundere, und Sie immer lieber kriege, ſo oft
Sie mir etwas verweiſen? und da Sie ſo voll-
kommen dazu berechtiget ſind? denn was koͤnn-
ten Sie vor eigene Fehler haben, wenn nicht
Jhre Anverwanten ſo guͤtig waͤren, an Jhnen
einige Splitter zu entdecken, um dadurch die
Menge ihrer eigenen Suͤnden gegen Sie zu
entſchuldigen? Allein ich hoffe, daß dieſe hierin
gegen mich eben ſo guͤtig geſinnet ſind als gegen
Sie. Denn wer unſere Brieffe laͤſe, und Jh-
nen Recht gaͤbe, wuͤrde mir dennoch das groͤſſeſte
Unrecht geben.
Sie thun recht daran, daß Sie Jhres Va-
ters Haus nicht verlaſſen wollen, wenn Sie nur
darin bleiben koͤnnen, ohne daß Sie Herrn Sol-
mes angetrauet werden.
Mich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/225>, abgerufen am 21.12.2024.
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