Mich dünckt, Sie haben auf Herrn Solmes Brief eben so geantwortet, wie ich geantwortet haben würde. Seyn Sie doch nun gegen mich und sich so höflich, und bekennen Sie, daß es eben recht gewesen sey.
Sie haben in ihren Brieffen an Jhren Onckle und an Jhre übrigen Angehörigen alles gethan, was Sie thun konnten: und es mag erfolgen was da will, so haben Sie sich keine Schuld beyzumessen. Sie bieten Jhnen so gar Jhr Gut an! das hätte ich gewiß nicht gethan! Sie sehen auch, daß dieses Anerbieten sie stutzig machte; sie nahmen sich Zeit es in Ueberlegung zu ziehen. Mir war das Hertz beklommen, so lan- ge diese Zeit in Jhren Brieffen währete, und ich befürchtete, daß sie Sie bey Jhrem Worte halten möchten. Das würden sie auch gethau haben, wenn sie sich nicht vor Herrn Lovelace beydes geschämt und gefürchtet hätten. Sie haben eine allzuedle Seele für die Jhrigen: und ich widerhohle es, daß ich so viel nie ange- boten hätte. Gewähren Sie mich Einer Bitte, und führen Sie die Jhrigen nicht zum zweyten mahl in Versuchung.
Jch gestehe Jhnen frey, daß die wunderliche Aufführung der Jhrigen hiebey, und das gantz andere Betragen Herrn Lovelaces in dem Briefe, den Sie eben damahls erbrachen, mich zu einem Schritt würde verleitet haben, den ich nie hätte zurück thun können. Der Hencker hohle ihn, möchte ich bald fluchen, daß er nicht sorg-
fälti-
Die Geſchichte
Mich duͤnckt, Sie haben auf Herrn Solmes Brief eben ſo geantwortet, wie ich geantwortet haben wuͤrde. Seyn Sie doch nun gegen mich und ſich ſo hoͤflich, und bekennen Sie, daß es eben recht geweſen ſey.
Sie haben in ihren Brieffen an Jhren Onckle und an Jhre uͤbrigen Angehoͤrigen alles gethan, was Sie thun konnten: und es mag erfolgen was da will, ſo haben Sie ſich keine Schuld beyzumeſſen. Sie bieten Jhnen ſo gar Jhr Gut an! das haͤtte ich gewiß nicht gethan! Sie ſehen auch, daß dieſes Anerbieten ſie ſtutzig machte; ſie nahmen ſich Zeit es in Ueberlegung zu ziehen. Mir war das Hertz beklommen, ſo lan- ge dieſe Zeit in Jhren Brieffen waͤhrete, und ich befuͤrchtete, daß ſie Sie bey Jhrem Worte halten moͤchten. Das wuͤrden ſie auch gethau haben, wenn ſie ſich nicht vor Herrn Lovelace beydes geſchaͤmt und gefuͤrchtet haͤtten. Sie haben eine allzuedle Seele fuͤr die Jhrigen: und ich widerhohle es, daß ich ſo viel nie ange- boten haͤtte. Gewaͤhren Sie mich Einer Bitte, und fuͤhren Sie die Jhrigen nicht zum zweyten mahl in Verſuchung.
Jch geſtehe Jhnen frey, daß die wunderliche Auffuͤhrung der Jhrigen hiebey, und das gantz andere Betragen Herrn Lovelaces in dem Briefe, den Sie eben damahls erbrachen, mich zu einem Schritt wuͤrde verleitet haben, den ich nie haͤtte zuruͤck thun koͤnnen. Der Hencker hohle ihn, moͤchte ich bald fluchen, daß er nicht ſorg-
faͤlti-
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Die Geſchichte
Mich duͤnckt, Sie haben auf Herrn Solmes
Brief eben ſo geantwortet, wie ich geantwortet
haben wuͤrde. Seyn Sie doch nun gegen mich
und ſich ſo hoͤflich, und bekennen Sie, daß es
eben recht geweſen ſey.
Sie haben in ihren Brieffen an Jhren Onckle
und an Jhre uͤbrigen Angehoͤrigen alles gethan,
was Sie thun konnten: und es mag erfolgen
was da will, ſo haben Sie ſich keine Schuld
beyzumeſſen. Sie bieten Jhnen ſo gar Jhr
Gut an! das haͤtte ich gewiß nicht gethan!
Sie ſehen auch, daß dieſes Anerbieten ſie ſtutzig
machte; ſie nahmen ſich Zeit es in Ueberlegung zu
ziehen. Mir war das Hertz beklommen, ſo lan-
ge dieſe Zeit in Jhren Brieffen waͤhrete, und
ich befuͤrchtete, daß ſie Sie bey Jhrem Worte
halten moͤchten. Das wuͤrden ſie auch gethau
haben, wenn ſie ſich nicht vor Herrn Lovelace
beydes geſchaͤmt und gefuͤrchtet haͤtten. Sie
haben eine allzuedle Seele fuͤr die Jhrigen:
und ich widerhohle es, daß ich ſo viel nie ange-
boten haͤtte. Gewaͤhren Sie mich Einer Bitte,
und fuͤhren Sie die Jhrigen nicht zum zweyten
mahl in Verſuchung.
Jch geſtehe Jhnen frey, daß die wunderliche
Auffuͤhrung der Jhrigen hiebey, und das gantz
andere Betragen Herrn Lovelaces in dem
Briefe, den Sie eben damahls erbrachen, mich zu
einem Schritt wuͤrde verleitet haben, den ich nie
haͤtte zuruͤck thun koͤnnen. Der Hencker hohle
ihn, moͤchte ich bald fluchen, daß er nicht ſorg-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/226>, abgerufen am 21.11.2024.
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