Es waren immer zwei Tendenzen gewesen, die eine des Königs, das Reich zu großen Kriegsunternehmungen fortzureißen, die andre der Stände, den innern Frieden zu befestigen. Jetzt schienen sie beide eine Abkunft, eine Ver- einigung getroffen zu haben. Der König hatte die Worm- ser Einrichtungen, die er an sich nicht liebte, befestigt und bestätigt; die Stände billigten nun auch sein Vorhaben, die Hoheit des Reiches mit den Waffen zu vertheidigen.
Kriegsereignisse.
Hatte man sich aber auch mit vollkommner Deutlich- keit überlegt, was man unternahm?
Es mag Verfassungen geben, welche durch Kriegs- bewegungen gefördert werden; niemals aber werden das solche seyn, die ein starkes föderatives Element in sich schlie- ßen, ohne daß doch die Gefahr des Mißlingens Allen ge- meinsam wäre. Für Deutschland war nichts n[o]thwendi- ger als Friede, um das eben erst in seinen Anfängen Ge- gründete zu ruhiger Entwickelung gedeihen, ein Herkom- men sich bilden, den Gehorsam Wurzel schlagen zu lassen. Die Einforderung und Verwendung des gemeinen Pfen- nigs hätte vor allem erst zur Gewohnheit werden müssen. Aber unmittelbar von dem Reichstag wo die Beschlüsse ge- faßt waren, stürzte man fort in den Krieg.
Und zwar gegen eine Macht, die sich zuerst und am vollkommensten consolidirt hatte, wo jetzt ein neuer Fürst, der schon lange die allgemeine Anerkennung genoß, die Zü- gel in seine Hand genommen und einen vollen frischen
Erſtes Buch.
Es waren immer zwei Tendenzen geweſen, die eine des Königs, das Reich zu großen Kriegsunternehmungen fortzureißen, die andre der Stände, den innern Frieden zu befeſtigen. Jetzt ſchienen ſie beide eine Abkunft, eine Ver- einigung getroffen zu haben. Der König hatte die Worm- ſer Einrichtungen, die er an ſich nicht liebte, befeſtigt und beſtätigt; die Stände billigten nun auch ſein Vorhaben, die Hoheit des Reiches mit den Waffen zu vertheidigen.
Kriegsereigniſſe.
Hatte man ſich aber auch mit vollkommner Deutlich- keit überlegt, was man unternahm?
Es mag Verfaſſungen geben, welche durch Kriegs- bewegungen gefördert werden; niemals aber werden das ſolche ſeyn, die ein ſtarkes föderatives Element in ſich ſchlie- ßen, ohne daß doch die Gefahr des Mißlingens Allen ge- meinſam wäre. Für Deutſchland war nichts n[o]thwendi- ger als Friede, um das eben erſt in ſeinen Anfängen Ge- gründete zu ruhiger Entwickelung gedeihen, ein Herkom- men ſich bilden, den Gehorſam Wurzel ſchlagen zu laſſen. Die Einforderung und Verwendung des gemeinen Pfen- nigs hätte vor allem erſt zur Gewohnheit werden müſſen. Aber unmittelbar von dem Reichstag wo die Beſchlüſſe ge- faßt waren, ſtürzte man fort in den Krieg.
Und zwar gegen eine Macht, die ſich zuerſt und am vollkommenſten conſolidirt hatte, wo jetzt ein neuer Fürſt, der ſchon lange die allgemeine Anerkennung genoß, die Zü- gel in ſeine Hand genommen und einen vollen friſchen
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Erſtes Buch.
Es waren immer zwei Tendenzen geweſen, die eine
des Königs, das Reich zu großen Kriegsunternehmungen
fortzureißen, die andre der Stände, den innern Frieden zu
befeſtigen. Jetzt ſchienen ſie beide eine Abkunft, eine Ver-
einigung getroffen zu haben. Der König hatte die Worm-
ſer Einrichtungen, die er an ſich nicht liebte, befeſtigt und
beſtätigt; die Stände billigten nun auch ſein Vorhaben,
die Hoheit des Reiches mit den Waffen zu vertheidigen.
Kriegsereigniſſe.
Hatte man ſich aber auch mit vollkommner Deutlich-
keit überlegt, was man unternahm?
Es mag Verfaſſungen geben, welche durch Kriegs-
bewegungen gefördert werden; niemals aber werden das
ſolche ſeyn, die ein ſtarkes föderatives Element in ſich ſchlie-
ßen, ohne daß doch die Gefahr des Mißlingens Allen ge-
meinſam wäre. Für Deutſchland war nichts nothwendi-
ger als Friede, um das eben erſt in ſeinen Anfängen Ge-
gründete zu ruhiger Entwickelung gedeihen, ein Herkom-
men ſich bilden, den Gehorſam Wurzel ſchlagen zu laſſen.
Die Einforderung und Verwendung des gemeinen Pfen-
nigs hätte vor allem erſt zur Gewohnheit werden müſſen.
Aber unmittelbar von dem Reichstag wo die Beſchlüſſe ge-
faßt waren, ſtürzte man fort in den Krieg.
Und zwar gegen eine Macht, die ſich zuerſt und am
vollkommenſten conſolidirt hatte, wo jetzt ein neuer Fürſt,
der ſchon lange die allgemeine Anerkennung genoß, die Zü-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/154>, abgerufen am 21.11.2024.
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