Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Reichstag zu Worms und zu Freiburg 1497. 98. Die Franzosen hatten den Vorschlag gemacht: man mögeihnen Genua und Neapel überlassen, so würden sie Mai- land nicht beunruhigen und über alles andre einen ewi- gen Frieden schließen. Ein Vorschlag, der wenn sie ihn nur ernstlich meinten, viel Empfehlendes darbot, und na- mentlich den deutschen Fürsten höchlich gefiel. "Genua sey ohnehin sehr unzuverläßig, und suche sich alle Tage einen andern Herrn; was gehe Neapel und Sicilien dem Reiche an? Es sey am Ende sogar vortheilhafter, wenn dort ein mächtiger Fürst regiere, der den Türken Wider- stand leisten könne." Die Oberherrlichkeit in Italien war ihnen gleichgültig; sie erklärten sich im Allgemeinen gegen jede Verbindung mit den Wälschen. Das war jedoch nicht die Meinung der Churfürsten, am wenigsten der geistli- chen. Sie zogen in Betracht, daß Genua noch von Fried- rich I eine Kammer des Reiches genannt worden, daß Nea- pel ein Lehen des päpstlichen Stuhles sey und von dem römischen König, dem Vogte der Kirche, dabei erhalten werden müsse. Aber überhaupt dürfe man den König von Frankreich nicht allzumächtig werden lassen, damit er nicht das Kaiserthum an sich reiße. Die Idee des Reiches, auf welcher allerdings ihre eigne Bedeutung beruhte, woll- ten sie in keinem Punct aufgeben. Diese Meinung, mit welcher sie ganz auf die Seite des Königs traten, behielt zuletzt die Oberhand; die Unterhandlungen welche Friedrich von Sachsen mit Ludwig XII begonnen zerschlugen sich; in dem Momente, daß man kaum die Einrichtungen des Reiches einigermaaßen befestigt hatte, mußte man auch schon den Krieg beginnen. Reichstag zu Worms und zu Freiburg 1497. 98. Die Franzoſen hatten den Vorſchlag gemacht: man mögeihnen Genua und Neapel überlaſſen, ſo würden ſie Mai- land nicht beunruhigen und über alles andre einen ewi- gen Frieden ſchließen. Ein Vorſchlag, der wenn ſie ihn nur ernſtlich meinten, viel Empfehlendes darbot, und na- mentlich den deutſchen Fürſten höchlich gefiel. „Genua ſey ohnehin ſehr unzuverläßig, und ſuche ſich alle Tage einen andern Herrn; was gehe Neapel und Sicilien dem Reiche an? Es ſey am Ende ſogar vortheilhafter, wenn dort ein mächtiger Fürſt regiere, der den Türken Wider- ſtand leiſten könne.“ Die Oberherrlichkeit in Italien war ihnen gleichgültig; ſie erklärten ſich im Allgemeinen gegen jede Verbindung mit den Wälſchen. Das war jedoch nicht die Meinung der Churfürſten, am wenigſten der geiſtli- chen. Sie zogen in Betracht, daß Genua noch von Fried- rich I eine Kammer des Reiches genannt worden, daß Nea- pel ein Lehen des päpſtlichen Stuhles ſey und von dem römiſchen König, dem Vogte der Kirche, dabei erhalten werden müſſe. Aber überhaupt dürfe man den König von Frankreich nicht allzumächtig werden laſſen, damit er nicht das Kaiſerthum an ſich reiße. Die Idee des Reiches, auf welcher allerdings ihre eigne Bedeutung beruhte, woll- ten ſie in keinem Punct aufgeben. Dieſe Meinung, mit welcher ſie ganz auf die Seite des Königs traten, behielt zuletzt die Oberhand; die Unterhandlungen welche Friedrich von Sachſen mit Ludwig XII begonnen zerſchlugen ſich; in dem Momente, daß man kaum die Einrichtungen des Reiches einigermaaßen befeſtigt hatte, mußte man auch ſchon den Krieg beginnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0153" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reichstag zu Worms und zu Freiburg</hi> 1497. 98.</fw><lb/> Die Franzoſen hatten den Vorſchlag gemacht: man möge<lb/> ihnen Genua und Neapel überlaſſen, ſo würden ſie Mai-<lb/> land nicht beunruhigen und über alles andre einen ewi-<lb/> gen Frieden ſchließen. Ein Vorſchlag, der wenn ſie ihn<lb/> nur ernſtlich meinten, viel Empfehlendes darbot, und na-<lb/> mentlich den deutſchen Fürſten höchlich gefiel. „Genua<lb/> ſey ohnehin ſehr unzuverläßig, und ſuche ſich alle Tage<lb/> einen andern Herrn; was gehe Neapel und Sicilien dem<lb/> Reiche an? 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Reichstag zu Worms und zu Freiburg 1497. 98.
Die Franzoſen hatten den Vorſchlag gemacht: man möge
ihnen Genua und Neapel überlaſſen, ſo würden ſie Mai-
land nicht beunruhigen und über alles andre einen ewi-
gen Frieden ſchließen. Ein Vorſchlag, der wenn ſie ihn
nur ernſtlich meinten, viel Empfehlendes darbot, und na-
mentlich den deutſchen Fürſten höchlich gefiel. „Genua
ſey ohnehin ſehr unzuverläßig, und ſuche ſich alle Tage
einen andern Herrn; was gehe Neapel und Sicilien dem
Reiche an? Es ſey am Ende ſogar vortheilhafter, wenn
dort ein mächtiger Fürſt regiere, der den Türken Wider-
ſtand leiſten könne.“ Die Oberherrlichkeit in Italien war
ihnen gleichgültig; ſie erklärten ſich im Allgemeinen gegen
jede Verbindung mit den Wälſchen. Das war jedoch nicht
die Meinung der Churfürſten, am wenigſten der geiſtli-
chen. Sie zogen in Betracht, daß Genua noch von Fried-
rich I eine Kammer des Reiches genannt worden, daß Nea-
pel ein Lehen des päpſtlichen Stuhles ſey und von dem
römiſchen König, dem Vogte der Kirche, dabei erhalten
werden müſſe. Aber überhaupt dürfe man den König von
Frankreich nicht allzumächtig werden laſſen, damit er nicht
das Kaiſerthum an ſich reiße. Die Idee des Reiches,
auf welcher allerdings ihre eigne Bedeutung beruhte, woll-
ten ſie in keinem Punct aufgeben. Dieſe Meinung, mit
welcher ſie ganz auf die Seite des Königs traten, behielt
zuletzt die Oberhand; die Unterhandlungen welche Friedrich
von Sachſen mit Ludwig XII begonnen zerſchlugen ſich;
in dem Momente, daß man kaum die Einrichtungen des
Reiches einigermaaßen befeſtigt hatte, mußte man auch
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