Christus am Kreuze von Guido. Das Bild ist so schlecht aufgehangen, daß man beinahe nichts davon erkennen kann.
Gruppe der heiligen The- resia von Bernini.
+ Die Gruppe der heiligen Theresia, der die göttliche Liebe unter der Gestalt eines Amors mit dem Pfeile das Herz durchbohrt, von Bernini, und von ihm selbst für das beste seiner Werke erklärt. Ausdruck der höchsten Empfindung von Wollust macht den Charakter der Figur der heili- gen Theresia aus. Ihre Augen schließen sich halb schmachtend, und ihre Nerven sind erschlafft von über- triebener Spannung des Vergnügens: Sie ruht auf Wolken in Gestalt elastischer Polster: Ihre Hände sinken matt herab, ihre Beine scheinen der Kraft be- raubt, ihr Hülfe irgend einer Art zu leisten: Sie läßt sich zu allem gehen, was mit ihr vorgenommen wer- den kann: Ihre Brust scheint sich zu heben, und der halbgeöffnete Mund mit Mühe Odem zu schöpfen. -- In diesem gefährlichen Zustand naht sich ihr ein En- gel mit grimassirender Süßlichkeit, sucht das Ge- wand von ihrer Brust abzuheben, und neckt sie mit dem Pfeile, der seine Hand bewaffnet.
Diese Gruppe hat der Künstler in eine Capelle gestellt, durch deren in der Höhe angebrachtes Fen- ster der Tag durch gelbe Glasscheiben fällt, und das den Geheimnissen der Liebe so günstige matte Licht in der übrigens düstern Capelle verbreitet.
Beim Himmel! an diesem Orte möchte ich nicht beten. Eine Stunde hier, dürfte ich mit Emilia Galotti sagen, und welcher Tumult würde sich in meiner Seele erheben, den die Uebungen der streng-
sten
Anmerkungen
In derſelben Capelle.
Chriſtus am Kreuze von Guido. Das Bild iſt ſo ſchlecht aufgehangen, daß man beinahe nichts davon erkennen kann.
Gruppe der heiligen The- reſia von Bernini.
† Die Gruppe der heiligen Thereſia, der die goͤttliche Liebe unter der Geſtalt eines Amors mit dem Pfeile das Herz durchbohrt, von Bernini, und von ihm ſelbſt fuͤr das beſte ſeiner Werke erklaͤrt. Ausdruck der hoͤchſten Empfindung von Wolluſt macht den Charakter der Figur der heili- gen Thereſia aus. Ihre Augen ſchließen ſich halb ſchmachtend, und ihre Nerven ſind erſchlafft von uͤber- triebener Spannung des Vergnuͤgens: Sie ruht auf Wolken in Geſtalt elaſtiſcher Polſter: Ihre Haͤnde ſinken matt herab, ihre Beine ſcheinen der Kraft be- raubt, ihr Huͤlfe irgend einer Art zu leiſten: Sie laͤßt ſich zu allem gehen, was mit ihr vorgenommen wer- den kann: Ihre Bruſt ſcheint ſich zu heben, und der halbgeoͤffnete Mund mit Muͤhe Odem zu ſchoͤpfen. — In dieſem gefaͤhrlichen Zuſtand naht ſich ihr ein En- gel mit grimaſſirender Suͤßlichkeit, ſucht das Ge- wand von ihrer Bruſt abzuheben, und neckt ſie mit dem Pfeile, der ſeine Hand bewaffnet.
Dieſe Gruppe hat der Kuͤnſtler in eine Capelle geſtellt, durch deren in der Hoͤhe angebrachtes Fen- ſter der Tag durch gelbe Glasſcheiben faͤllt, und das den Geheimniſſen der Liebe ſo guͤnſtige matte Licht in der uͤbrigens duͤſtern Capelle verbreitet.
Beim Himmel! an dieſem Orte moͤchte ich nicht beten. Eine Stunde hier, duͤrfte ich mit Emilia Galotti ſagen, und welcher Tumult wuͤrde ſich in meiner Seele erheben, den die Uebungen der ſtreng-
ſten
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Anmerkungen
In derſelben Capelle.
Chriſtus am Kreuze von Guido. Das
Bild iſt ſo ſchlecht aufgehangen, daß man beinahe
nichts davon erkennen kann.
† Die Gruppe der heiligen Thereſia, der
die goͤttliche Liebe unter der Geſtalt eines
Amors mit dem Pfeile das Herz durchbohrt,
von Bernini, und von ihm ſelbſt fuͤr das beſte ſeiner
Werke erklaͤrt. Ausdruck der hoͤchſten Empfindung
von Wolluſt macht den Charakter der Figur der heili-
gen Thereſia aus. Ihre Augen ſchließen ſich halb
ſchmachtend, und ihre Nerven ſind erſchlafft von uͤber-
triebener Spannung des Vergnuͤgens: Sie ruht auf
Wolken in Geſtalt elaſtiſcher Polſter: Ihre Haͤnde
ſinken matt herab, ihre Beine ſcheinen der Kraft be-
raubt, ihr Huͤlfe irgend einer Art zu leiſten: Sie laͤßt
ſich zu allem gehen, was mit ihr vorgenommen wer-
den kann: Ihre Bruſt ſcheint ſich zu heben, und der
halbgeoͤffnete Mund mit Muͤhe Odem zu ſchoͤpfen. —
In dieſem gefaͤhrlichen Zuſtand naht ſich ihr ein En-
gel mit grimaſſirender Suͤßlichkeit, ſucht das Ge-
wand von ihrer Bruſt abzuheben, und neckt ſie mit dem
Pfeile, der ſeine Hand bewaffnet.
Dieſe Gruppe hat der Kuͤnſtler in eine Capelle
geſtellt, durch deren in der Hoͤhe angebrachtes Fen-
ſter der Tag durch gelbe Glasſcheiben faͤllt, und das
den Geheimniſſen der Liebe ſo guͤnſtige matte Licht in
der uͤbrigens duͤſtern Capelle verbreitet.
Beim Himmel! an dieſem Orte moͤchte ich nicht
beten. Eine Stunde hier, duͤrfte ich mit Emilia
Galotti ſagen, und welcher Tumult wuͤrde ſich in
meiner Seele erheben, den die Uebungen der ſtreng-
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/342>, abgerufen am 23.02.2025.
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