Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Vaticanische Pallast.

Große Seitengallerie.

Neptun mit dem Trident und dem Del-
phin.
Arme und Füße neu. Die Haare scheinen
von Nässe zu triefen.

+ Genius. Eine Figur auf halben Leib, ohneGenius.
Arme, in einem Alter von ungefähr 12 Jahren.
Auf dieses herrliche Bruchstück würde die Beschrei-
bung passen, die Winkelmann von dem Genius in der
Villa Borghese macht, und der sie weniger verdient.
Von ihm würde man sagen können: Daß sich der Leser
dies herrliche Bild in der Gestalt eines Engels denken
müsse, der ihm im Schlafe erscheint, wenn seine
Einbildungskraft mit dem einzelnen Schönen in der
Natur angefüllt, sich mit langer Betrachtung der von
Gott ausfliessenden, und zu Gott führenden Schön-
heit beschäfftiget hat. Von ihm könnte man sagen:
Die Natur habe diese Schönheit mit Genehmhaltung
Gottes nach der Schönheit der Engel gebildet --
Aber es ist besser, daß man nichts sage. Hier muß
man sehen, um zu fühlen.

Ein Silen. 26) Der Leib ist mit Haaren be-
wachsen. Arme und Beine sind modern. Von ge-
meinem aber wahrem Charakter.

Triton, oder Meerungeheuer. So nenne
ich eine Statue auf halben Leib ohne Arme, die ehe-
mals eine ganze ausgemacht hat. Ob sich gleich die
Benennung nicht ganz vertheidigen läßt, so zweifele

ich
26) Ueber diese Vorstellungsart siehe weiter unten
Villa Borghese.
Der Vaticaniſche Pallaſt.

Große Seitengallerie.

Neptun mit dem Trident und dem Del-
phin.
Arme und Fuͤße neu. Die Haare ſcheinen
von Naͤſſe zu triefen.

Genius. Eine Figur auf halben Leib, ohneGenius.
Arme, in einem Alter von ungefaͤhr 12 Jahren.
Auf dieſes herrliche Bruchſtuͤck wuͤrde die Beſchrei-
bung paſſen, die Winkelmann von dem Genius in der
Villa Borgheſe macht, und der ſie weniger verdient.
Von ihm wuͤrde man ſagen koͤnnen: Daß ſich der Leſer
dies herrliche Bild in der Geſtalt eines Engels denken
muͤſſe, der ihm im Schlafe erſcheint, wenn ſeine
Einbildungskraft mit dem einzelnen Schoͤnen in der
Natur angefuͤllt, ſich mit langer Betrachtung der von
Gott ausflieſſenden, und zu Gott fuͤhrenden Schoͤn-
heit beſchaͤfftiget hat. Von ihm koͤnnte man ſagen:
Die Natur habe dieſe Schoͤnheit mit Genehmhaltung
Gottes nach der Schoͤnheit der Engel gebildet —
Aber es iſt beſſer, daß man nichts ſage. Hier muß
man ſehen, um zu fuͤhlen.

Ein Silen. 26) Der Leib iſt mit Haaren be-
wachſen. Arme und Beine ſind modern. Von ge-
meinem aber wahrem Charakter.

Triton, oder Meerungeheuer. So nenne
ich eine Statue auf halben Leib ohne Arme, die ehe-
mals eine ganze ausgemacht hat. Ob ſich gleich die
Benennung nicht ganz vertheidigen laͤßt, ſo zweifele

ich
26) Ueber dieſe Vorſtellungsart ſiehe weiter unten
Villa Borgheſe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0115" n="93"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Vaticani&#x017F;che Palla&#x017F;t.</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Große Seitengallerie.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Neptun mit dem Trident und dem Del-<lb/>
phin.</hi> Arme und Fu&#x0364;ße neu. Die Haare &#x017F;cheinen<lb/>
von Na&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zu triefen.</p><lb/>
            <p>&#x2020; <hi rendition="#fr">Genius.</hi> Eine Figur auf halben Leib, ohne<note place="right">Genius.</note><lb/>
Arme, in einem Alter von ungefa&#x0364;hr 12 Jahren.<lb/>
Auf die&#x017F;es herrliche Bruch&#x017F;tu&#x0364;ck wu&#x0364;rde die Be&#x017F;chrei-<lb/>
bung pa&#x017F;&#x017F;en, die Winkelmann von dem Genius in der<lb/>
Villa Borghe&#x017F;e macht, und der &#x017F;ie weniger verdient.<lb/>
Von ihm wu&#x0364;rde man &#x017F;agen ko&#x0364;nnen: Daß &#x017F;ich der Le&#x017F;er<lb/>
dies herrliche Bild in der Ge&#x017F;talt eines Engels denken<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, der ihm im Schlafe er&#x017F;cheint, wenn &#x017F;eine<lb/>
Einbildungskraft mit dem einzelnen Scho&#x0364;nen in der<lb/>
Natur angefu&#x0364;llt, &#x017F;ich mit langer Betrachtung der von<lb/>
Gott ausflie&#x017F;&#x017F;enden, und zu Gott fu&#x0364;hrenden Scho&#x0364;n-<lb/>
heit be&#x017F;cha&#x0364;fftiget hat. Von ihm ko&#x0364;nnte man &#x017F;agen:<lb/>
Die Natur habe die&#x017F;e Scho&#x0364;nheit mit Genehmhaltung<lb/>
Gottes nach der Scho&#x0364;nheit der Engel gebildet &#x2014;<lb/>
Aber es i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er, daß man nichts &#x017F;age. Hier muß<lb/>
man &#x017F;ehen, um zu fu&#x0364;hlen.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Ein Silen.</hi><note place="foot" n="26)">Ueber die&#x017F;e Vor&#x017F;tellungsart &#x017F;iehe weiter unten<lb/>
Villa Borghe&#x017F;e.</note> Der Leib i&#x017F;t mit Haaren be-<lb/>
wach&#x017F;en. Arme und Beine &#x017F;ind modern. Von ge-<lb/>
meinem aber wahrem Charakter.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Triton, oder Meerungeheuer.</hi> So nenne<lb/>
ich eine Statue auf halben Leib ohne Arme, die ehe-<lb/>
mals eine ganze ausgemacht hat. Ob &#x017F;ich gleich die<lb/>
Benennung nicht ganz vertheidigen la&#x0364;ßt, &#x017F;o zweifele<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0115] Der Vaticaniſche Pallaſt. Große Seitengallerie. Neptun mit dem Trident und dem Del- phin. Arme und Fuͤße neu. Die Haare ſcheinen von Naͤſſe zu triefen. † Genius. Eine Figur auf halben Leib, ohne Arme, in einem Alter von ungefaͤhr 12 Jahren. Auf dieſes herrliche Bruchſtuͤck wuͤrde die Beſchrei- bung paſſen, die Winkelmann von dem Genius in der Villa Borgheſe macht, und der ſie weniger verdient. Von ihm wuͤrde man ſagen koͤnnen: Daß ſich der Leſer dies herrliche Bild in der Geſtalt eines Engels denken muͤſſe, der ihm im Schlafe erſcheint, wenn ſeine Einbildungskraft mit dem einzelnen Schoͤnen in der Natur angefuͤllt, ſich mit langer Betrachtung der von Gott ausflieſſenden, und zu Gott fuͤhrenden Schoͤn- heit beſchaͤfftiget hat. Von ihm koͤnnte man ſagen: Die Natur habe dieſe Schoͤnheit mit Genehmhaltung Gottes nach der Schoͤnheit der Engel gebildet — Aber es iſt beſſer, daß man nichts ſage. Hier muß man ſehen, um zu fuͤhlen. Genius. Ein Silen. 26) Der Leib iſt mit Haaren be- wachſen. Arme und Beine ſind modern. Von ge- meinem aber wahrem Charakter. Triton, oder Meerungeheuer. So nenne ich eine Statue auf halben Leib ohne Arme, die ehe- mals eine ganze ausgemacht hat. Ob ſich gleich die Benennung nicht ganz vertheidigen laͤßt, ſo zweifele ich 26) Ueber dieſe Vorſtellungsart ſiehe weiter unten Villa Borgheſe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/115
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/115>, abgerufen am 19.11.2024.