Freundinn zu schieben. Jch entschloß mich zu ei- nem Mittel, welches gewiß noch unverschämter, als die ersten beiden Einfälle, war. Lesen Sie nur diesen Brief.
Mein Herr,
"Haben Sie etwan Ursachen gehabt, auf mei- "nen Vater unwillig zu seyn: so lassen Sie "diesen Unwillen wenigstens mich nicht empfinden. "Er ist vor einiger Zeit gestorben, und er starb "bey nahe untröstbar, da er kein Mittel hatte, "Jhnen einen Jrrthum zu benehmen, der seiner "Freundschaft so empfindlich war. Jch will mir "Mühe geben, diesen rechtschaffnen Vater wenig- "stens im Grabe noch bey Jhnen zu rechtfertigen. "Es wird Jhnen nahe gehen, wenn Sie erfahren, "wie unrecht Sie gethan haben, einen Mann zu "hassen, der Sie als seinen vertrautesten Freund "liebte.
"Erinnern Sie Sich wohl, mein Herr, ei- "nes Briefs, da Sie mir die Ehre anthaten, bey "meinem Vater um mich anzusuchen? So sauer "meinem Vater der Entschluß ward, mich von "sich zu lassen: so wenig war er doch Willens, mich "an einem Glücke zu hindern, das er für das größte "hielt, welches ich mir in dieser Art wünschen könn- "te. Er stellte mir Jhr Ansuchen vor. Er gab "mir zu erkennen, wie vortheilhaft es für mich sey, "von einem so frommen, christlichen, und rechtschaff-
nen
Q
Satyriſche Briefe.
Freundinn zu ſchieben. Jch entſchloß mich zu ei- nem Mittel, welches gewiß noch unverſchaͤmter, als die erſten beiden Einfaͤlle, war. Leſen Sie nur dieſen Brief.
Mein Herr,
„Haben Sie etwan Urſachen gehabt, auf mei- „nen Vater unwillig zu ſeyn: ſo laſſen Sie „dieſen Unwillen wenigſtens mich nicht empfinden. „Er iſt vor einiger Zeit geſtorben, und er ſtarb „bey nahe untroͤſtbar, da er kein Mittel hatte, „Jhnen einen Jrrthum zu benehmen, der ſeiner „Freundſchaft ſo empfindlich war. Jch will mir „Muͤhe geben, dieſen rechtſchaffnen Vater wenig- „ſtens im Grabe noch bey Jhnen zu rechtfertigen. „Es wird Jhnen nahe gehen, wenn Sie erfahren, „wie unrecht Sie gethan haben, einen Mann zu „haſſen, der Sie als ſeinen vertrauteſten Freund „liebte.
„Erinnern Sie Sich wohl, mein Herr, ei- „nes Briefs, da Sie mir die Ehre anthaten, bey „meinem Vater um mich anzuſuchen? So ſauer „meinem Vater der Entſchluß ward, mich von „ſich zu laſſen: ſo wenig war er doch Willens, mich „an einem Gluͤcke zu hindern, das er fuͤr das groͤßte „hielt, welches ich mir in dieſer Art wuͤnſchen koͤnn- „te. Er ſtellte mir Jhr Anſuchen vor. Er gab „mir zu erkennen, wie vortheilhaft es fuͤr mich ſey, „von einem ſo frommen, chriſtlichen, und rechtſchaff-
nen
Q
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="241"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/>
Freundinn zu ſchieben. Jch entſchloß mich zu ei-<lb/>
nem Mittel, welches gewiß noch unverſchaͤmter,<lb/>
als die erſten beiden Einfaͤlle, war. Leſen Sie nur<lb/>
dieſen Brief.</p><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Mein Herr,</hi></hi></salute><lb/><p>„<hirendition="#in">H</hi>aben Sie etwan Urſachen gehabt, auf mei-<lb/>„nen Vater unwillig zu ſeyn: ſo laſſen Sie<lb/>„dieſen Unwillen wenigſtens mich nicht empfinden.<lb/>„Er iſt vor einiger Zeit geſtorben, und er ſtarb<lb/>„bey nahe untroͤſtbar, da er kein Mittel hatte,<lb/>„Jhnen einen Jrrthum zu benehmen, der ſeiner<lb/>„Freundſchaft ſo empfindlich war. Jch will mir<lb/>„Muͤhe geben, dieſen rechtſchaffnen Vater wenig-<lb/>„ſtens im Grabe noch bey Jhnen zu rechtfertigen.<lb/>„Es wird Jhnen nahe gehen, wenn Sie erfahren,<lb/>„wie unrecht Sie gethan haben, einen Mann zu<lb/>„haſſen, der Sie als ſeinen vertrauteſten Freund<lb/>„liebte.</p><lb/><p>„Erinnern Sie Sich wohl, mein Herr, ei-<lb/>„nes Briefs, da Sie mir die Ehre anthaten, bey<lb/>„meinem Vater um mich anzuſuchen? So ſauer<lb/>„meinem Vater der Entſchluß ward, mich von<lb/>„ſich zu laſſen: ſo wenig war er doch Willens, mich<lb/>„an einem Gluͤcke zu hindern, das er fuͤr das groͤßte<lb/>„hielt, welches ich mir in dieſer Art wuͤnſchen koͤnn-<lb/>„te. Er ſtellte mir Jhr Anſuchen vor. Er gab<lb/>„mir zu erkennen, wie vortheilhaft es fuͤr mich ſey,<lb/>„von einem ſo frommen, chriſtlichen, und rechtſchaff-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q</fw><fwplace="bottom"type="catch">nen</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[241/0269]
Satyriſche Briefe.
Freundinn zu ſchieben. Jch entſchloß mich zu ei-
nem Mittel, welches gewiß noch unverſchaͤmter,
als die erſten beiden Einfaͤlle, war. Leſen Sie nur
dieſen Brief.
Mein Herr,
„Haben Sie etwan Urſachen gehabt, auf mei-
„nen Vater unwillig zu ſeyn: ſo laſſen Sie
„dieſen Unwillen wenigſtens mich nicht empfinden.
„Er iſt vor einiger Zeit geſtorben, und er ſtarb
„bey nahe untroͤſtbar, da er kein Mittel hatte,
„Jhnen einen Jrrthum zu benehmen, der ſeiner
„Freundſchaft ſo empfindlich war. Jch will mir
„Muͤhe geben, dieſen rechtſchaffnen Vater wenig-
„ſtens im Grabe noch bey Jhnen zu rechtfertigen.
„Es wird Jhnen nahe gehen, wenn Sie erfahren,
„wie unrecht Sie gethan haben, einen Mann zu
„haſſen, der Sie als ſeinen vertrauteſten Freund
„liebte.
„Erinnern Sie Sich wohl, mein Herr, ei-
„nes Briefs, da Sie mir die Ehre anthaten, bey
„meinem Vater um mich anzuſuchen? So ſauer
„meinem Vater der Entſchluß ward, mich von
„ſich zu laſſen: ſo wenig war er doch Willens, mich
„an einem Gluͤcke zu hindern, das er fuͤr das groͤßte
„hielt, welches ich mir in dieſer Art wuͤnſchen koͤnn-
„te. Er ſtellte mir Jhr Anſuchen vor. Er gab
„mir zu erkennen, wie vortheilhaft es fuͤr mich ſey,
„von einem ſo frommen, chriſtlichen, und rechtſchaff-
nen
Q
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/269>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.