Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
Freundinn zu schieben. Jch entschloß mich zu ei-
nem Mittel, welches gewiß noch unverschämter,
als die ersten beiden Einfälle, war. Lesen Sie nur
diesen Brief.

Mein Herr,

"Haben Sie etwan Ursachen gehabt, auf mei-
"nen Vater unwillig zu seyn: so lassen Sie
"diesen Unwillen wenigstens mich nicht empfinden.
"Er ist vor einiger Zeit gestorben, und er starb
"bey nahe untröstbar, da er kein Mittel hatte,
"Jhnen einen Jrrthum zu benehmen, der seiner
"Freundschaft so empfindlich war. Jch will mir
"Mühe geben, diesen rechtschaffnen Vater wenig-
"stens im Grabe noch bey Jhnen zu rechtfertigen.
"Es wird Jhnen nahe gehen, wenn Sie erfahren,
"wie unrecht Sie gethan haben, einen Mann zu
"hassen, der Sie als seinen vertrautesten Freund
"liebte.

"Erinnern Sie Sich wohl, mein Herr, ei-
"nes Briefs, da Sie mir die Ehre anthaten, bey
"meinem Vater um mich anzusuchen? So sauer
"meinem Vater der Entschluß ward, mich von
"sich zu lassen: so wenig war er doch Willens, mich
"an einem Glücke zu hindern, das er für das größte
"hielt, welches ich mir in dieser Art wünschen könn-
"te. Er stellte mir Jhr Ansuchen vor. Er gab
"mir zu erkennen, wie vortheilhaft es für mich sey,
"von einem so frommen, christlichen, und rechtschaff-

nen
Q

Satyriſche Briefe.
Freundinn zu ſchieben. Jch entſchloß mich zu ei-
nem Mittel, welches gewiß noch unverſchaͤmter,
als die erſten beiden Einfaͤlle, war. Leſen Sie nur
dieſen Brief.

Mein Herr,

Haben Sie etwan Urſachen gehabt, auf mei-
„nen Vater unwillig zu ſeyn: ſo laſſen Sie
„dieſen Unwillen wenigſtens mich nicht empfinden.
„Er iſt vor einiger Zeit geſtorben, und er ſtarb
„bey nahe untroͤſtbar, da er kein Mittel hatte,
„Jhnen einen Jrrthum zu benehmen, der ſeiner
„Freundſchaft ſo empfindlich war. Jch will mir
„Muͤhe geben, dieſen rechtſchaffnen Vater wenig-
„ſtens im Grabe noch bey Jhnen zu rechtfertigen.
„Es wird Jhnen nahe gehen, wenn Sie erfahren,
„wie unrecht Sie gethan haben, einen Mann zu
„haſſen, der Sie als ſeinen vertrauteſten Freund
„liebte.

„Erinnern Sie Sich wohl, mein Herr, ei-
„nes Briefs, da Sie mir die Ehre anthaten, bey
„meinem Vater um mich anzuſuchen? So ſauer
„meinem Vater der Entſchluß ward, mich von
„ſich zu laſſen: ſo wenig war er doch Willens, mich
„an einem Gluͤcke zu hindern, das er fuͤr das groͤßte
„hielt, welches ich mir in dieſer Art wuͤnſchen koͤnn-
„te. Er ſtellte mir Jhr Anſuchen vor. Er gab
„mir zu erkennen, wie vortheilhaft es fuͤr mich ſey,
„von einem ſo frommen, chriſtlichen, und rechtſchaff-

nen
Q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0269" n="241"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
Freundinn zu &#x017F;chieben. Jch ent&#x017F;chloß mich zu ei-<lb/>
nem Mittel, welches gewiß noch unver&#x017F;cha&#x0364;mter,<lb/>
als die er&#x017F;ten beiden Einfa&#x0364;lle, war. Le&#x017F;en Sie nur<lb/>
die&#x017F;en Brief.</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p>&#x201E;<hi rendition="#in">H</hi>aben Sie etwan Ur&#x017F;achen gehabt, auf mei-<lb/>
&#x201E;nen Vater unwillig zu &#x017F;eyn: &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
&#x201E;die&#x017F;en Unwillen wenig&#x017F;tens mich nicht empfinden.<lb/>
&#x201E;Er i&#x017F;t vor einiger Zeit ge&#x017F;torben, und er &#x017F;tarb<lb/>
&#x201E;bey nahe untro&#x0364;&#x017F;tbar, da er kein Mittel hatte,<lb/>
&#x201E;Jhnen einen Jrrthum zu benehmen, der &#x017F;einer<lb/>
&#x201E;Freund&#x017F;chaft &#x017F;o empfindlich war. Jch will mir<lb/>
&#x201E;Mu&#x0364;he geben, die&#x017F;en recht&#x017F;chaffnen Vater wenig-<lb/>
&#x201E;&#x017F;tens im Grabe noch bey Jhnen zu rechtfertigen.<lb/>
&#x201E;Es wird Jhnen nahe gehen, wenn Sie erfahren,<lb/>
&#x201E;wie unrecht Sie gethan haben, einen Mann zu<lb/>
&#x201E;ha&#x017F;&#x017F;en, der Sie als &#x017F;einen vertraute&#x017F;ten Freund<lb/>
&#x201E;liebte.</p><lb/>
              <p>&#x201E;Erinnern Sie Sich wohl, mein Herr, ei-<lb/>
&#x201E;nes Briefs, da Sie mir die Ehre anthaten, bey<lb/>
&#x201E;meinem Vater um mich anzu&#x017F;uchen? So &#x017F;auer<lb/>
&#x201E;meinem Vater der Ent&#x017F;chluß ward, mich von<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich zu la&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o wenig war er doch Willens, mich<lb/>
&#x201E;an einem Glu&#x0364;cke zu hindern, das er fu&#x0364;r das gro&#x0364;ßte<lb/>
&#x201E;hielt, welches ich mir in die&#x017F;er Art wu&#x0364;n&#x017F;chen ko&#x0364;nn-<lb/>
&#x201E;te. Er &#x017F;tellte mir Jhr An&#x017F;uchen vor. Er gab<lb/>
&#x201E;mir zu erkennen, wie vortheilhaft es fu&#x0364;r mich &#x017F;ey,<lb/>
&#x201E;von einem &#x017F;o frommen, chri&#x017F;tlichen, und recht&#x017F;chaff-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q</fw><fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0269] Satyriſche Briefe. Freundinn zu ſchieben. Jch entſchloß mich zu ei- nem Mittel, welches gewiß noch unverſchaͤmter, als die erſten beiden Einfaͤlle, war. Leſen Sie nur dieſen Brief. Mein Herr, „Haben Sie etwan Urſachen gehabt, auf mei- „nen Vater unwillig zu ſeyn: ſo laſſen Sie „dieſen Unwillen wenigſtens mich nicht empfinden. „Er iſt vor einiger Zeit geſtorben, und er ſtarb „bey nahe untroͤſtbar, da er kein Mittel hatte, „Jhnen einen Jrrthum zu benehmen, der ſeiner „Freundſchaft ſo empfindlich war. Jch will mir „Muͤhe geben, dieſen rechtſchaffnen Vater wenig- „ſtens im Grabe noch bey Jhnen zu rechtfertigen. „Es wird Jhnen nahe gehen, wenn Sie erfahren, „wie unrecht Sie gethan haben, einen Mann zu „haſſen, der Sie als ſeinen vertrauteſten Freund „liebte. „Erinnern Sie Sich wohl, mein Herr, ei- „nes Briefs, da Sie mir die Ehre anthaten, bey „meinem Vater um mich anzuſuchen? So ſauer „meinem Vater der Entſchluß ward, mich von „ſich zu laſſen: ſo wenig war er doch Willens, mich „an einem Gluͤcke zu hindern, das er fuͤr das groͤßte „hielt, welches ich mir in dieſer Art wuͤnſchen koͤnn- „te. Er ſtellte mir Jhr Anſuchen vor. Er gab „mir zu erkennen, wie vortheilhaft es fuͤr mich ſey, „von einem ſo frommen, chriſtlichen, und rechtſchaff- nen Q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/269
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/269>, abgerufen am 20.11.2024.