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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
nate das Bette zu hüten. Weil man aber wenig
Exempel hat, daß Leute vor Schaam und Liebe
gestorben sind, so erhielt ich mich auch, und ward
nach und nach wieder gesund. Jch fieng an ein-
sam zu leben, ich vermied alle Gesellschaft, und es
ward mir leichte, dieses zu thun, weil Niemand
kam, der mir solches auszureden Lust hatte.

Mitten in dieser Klosterzucht, da mich mein
Unglück zwang, der Welt und der Liebe großmü-
thig zu entsagen, erfuhr ich, daß der Professor in
Halle, der bey meinem Vater um mich geworben
hatte, noch unverheirathet sey. Es geht den al-
ten Spröden, wie den Goldmachern. Je länger
sie betrogen werden, ie größer wird ihre Hoffnung,
daß sie doch endlich zu ihrem Zweck gelangen wer-
den. Jch stellte mir es, als etwas sehr mögliches,
vor, daß der Professor aus Verzweiflung, mich
nicht bekommen zu haben, gar nicht geheirathet
hätte, daß er vielleicht noch itzt über meine Härte
untröstbar sey, und daß er gewiß vor Freuden
taumeln werde, wenn er erfahren sollte, daß ich
mich mitleidig entschlossen hätte, ihn aus seinem
traurigen Junggesellenstande zu reißen. Aber was
sollte ich meiner ehemaligen Thorheit für einen An-
strich geben, um mir einen Theil der Schaam zu
ersparen, die von meinem itzigen Unternehmen auf
mich zurück fallen mußte? Die Erfindung war
nicht mehr neu, die Härte meines Vaters ins
Spiel zu mischen. Jch hatte gefunden, daß es
gefährlich sey, die Schuld auf eine boshafte

Freun-

Satyriſche Briefe.
nate das Bette zu huͤten. Weil man aber wenig
Exempel hat, daß Leute vor Schaam und Liebe
geſtorben ſind, ſo erhielt ich mich auch, und ward
nach und nach wieder geſund. Jch fieng an ein-
ſam zu leben, ich vermied alle Geſellſchaft, und es
ward mir leichte, dieſes zu thun, weil Niemand
kam, der mir ſolches auszureden Luſt hatte.

Mitten in dieſer Kloſterzucht, da mich mein
Ungluͤck zwang, der Welt und der Liebe großmuͤ-
thig zu entſagen, erfuhr ich, daß der Profeſſor in
Halle, der bey meinem Vater um mich geworben
hatte, noch unverheirathet ſey. Es geht den al-
ten Sproͤden, wie den Goldmachern. Je laͤnger
ſie betrogen werden, ie groͤßer wird ihre Hoffnung,
daß ſie doch endlich zu ihrem Zweck gelangen wer-
den. Jch ſtellte mir es, als etwas ſehr moͤgliches,
vor, daß der Profeſſor aus Verzweiflung, mich
nicht bekommen zu haben, gar nicht geheirathet
haͤtte, daß er vielleicht noch itzt uͤber meine Haͤrte
untroͤſtbar ſey, und daß er gewiß vor Freuden
taumeln werde, wenn er erfahren ſollte, daß ich
mich mitleidig entſchloſſen haͤtte, ihn aus ſeinem
traurigen Junggeſellenſtande zu reißen. Aber was
ſollte ich meiner ehemaligen Thorheit fuͤr einen An-
ſtrich geben, um mir einen Theil der Schaam zu
erſparen, die von meinem itzigen Unternehmen auf
mich zuruͤck fallen mußte? Die Erfindung war
nicht mehr neu, die Haͤrte meines Vaters ins
Spiel zu miſchen. Jch hatte gefunden, daß es
gefaͤhrlich ſey, die Schuld auf eine boshafte

Freun-
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[240/0268] Satyriſche Briefe. nate das Bette zu huͤten. Weil man aber wenig Exempel hat, daß Leute vor Schaam und Liebe geſtorben ſind, ſo erhielt ich mich auch, und ward nach und nach wieder geſund. Jch fieng an ein- ſam zu leben, ich vermied alle Geſellſchaft, und es ward mir leichte, dieſes zu thun, weil Niemand kam, der mir ſolches auszureden Luſt hatte. Mitten in dieſer Kloſterzucht, da mich mein Ungluͤck zwang, der Welt und der Liebe großmuͤ- thig zu entſagen, erfuhr ich, daß der Profeſſor in Halle, der bey meinem Vater um mich geworben hatte, noch unverheirathet ſey. Es geht den al- ten Sproͤden, wie den Goldmachern. Je laͤnger ſie betrogen werden, ie groͤßer wird ihre Hoffnung, daß ſie doch endlich zu ihrem Zweck gelangen wer- den. Jch ſtellte mir es, als etwas ſehr moͤgliches, vor, daß der Profeſſor aus Verzweiflung, mich nicht bekommen zu haben, gar nicht geheirathet haͤtte, daß er vielleicht noch itzt uͤber meine Haͤrte untroͤſtbar ſey, und daß er gewiß vor Freuden taumeln werde, wenn er erfahren ſollte, daß ich mich mitleidig entſchloſſen haͤtte, ihn aus ſeinem traurigen Junggeſellenſtande zu reißen. Aber was ſollte ich meiner ehemaligen Thorheit fuͤr einen An- ſtrich geben, um mir einen Theil der Schaam zu erſparen, die von meinem itzigen Unternehmen auf mich zuruͤck fallen mußte? Die Erfindung war nicht mehr neu, die Haͤrte meines Vaters ins Spiel zu miſchen. Jch hatte gefunden, daß es gefaͤhrlich ſey, die Schuld auf eine boshafte Freun-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/268>, abgerufen am 06.06.2024.