Sie sollen es erfahren, Gnädiger Herr, daß es nicht ruhmredige Versprechungen sind, die ich thue, Jch erwarte Jhren Entschluß, und bin u. s. w.
Gnädiger Herr,
Es ist freylich eine schlimme Sache, daß die Lan- desobrigkeit dem Gerichtsherrn die Bauern nicht ganz Preis gegeben, sondern den kleinen Dorfmonarchien gewisse Grenzen gesetzt, und ver- ordnet hat, daß die Gerechtigkeit durch besondre Personen unpartheyisch verwaltet werden soll. Es läuft allerdings wider den Stand der natürlichen Freyheit, und wider die weisen Absichten der Na- tur, welche das Wild und die Bauern zum Nu- tzen und zum Vergnügen des Junkers geschaffen hat. Aber was ist zu thun? Einer höhern Ge- walt muß man nachgeben. Genug, daß noch Mittel übrig sind, dieser höhern Gewalt auszuwei- chen. Sie haben, Gnädiger Herr, beständig die- ses zu Jhrer Regel gehabt, daß derjenige, dem Sie, nach den Landsgesetzen, die Verwaltung der Ju- stitz anvertrauen müssen, so unwissend, als möglich, sey, um ihre willkürlichen Aussprüche desto besser zu behaupten. Da ich nicht glaube, daß Sie itzt erst von dieser guten Regel abgehen werden: so mache ich mir Hoffnung, die erledigte Stelle als Gerichtsverwalter bey Jhnen zu erlangen. Jch bin so dumm und unwissend, als Sie es wün-
schen
Satyriſche Briefe.
Sie ſollen es erfahren, Gnaͤdiger Herr, daß es nicht ruhmredige Verſprechungen ſind, die ich thue, Jch erwarte Jhren Entſchluß, und bin u. ſ. w.
Gnaͤdiger Herr,
Es iſt freylich eine ſchlimme Sache, daß die Lan- desobrigkeit dem Gerichtsherrn die Bauern nicht ganz Preis gegeben, ſondern den kleinen Dorfmonarchien gewiſſe Grenzen geſetzt, und ver- ordnet hat, daß die Gerechtigkeit durch beſondre Perſonen unpartheyiſch verwaltet werden ſoll. Es laͤuft allerdings wider den Stand der natuͤrlichen Freyheit, und wider die weiſen Abſichten der Na- tur, welche das Wild und die Bauern zum Nu- tzen und zum Vergnuͤgen des Junkers geſchaffen hat. Aber was iſt zu thun? Einer hoͤhern Ge- walt muß man nachgeben. Genug, daß noch Mittel uͤbrig ſind, dieſer hoͤhern Gewalt auszuwei- chen. Sie haben, Gnaͤdiger Herr, beſtaͤndig die- ſes zu Jhrer Regel gehabt, daß derjenige, dem Sie, nach den Landsgeſetzen, die Verwaltung der Ju- ſtitz anvertrauen muͤſſen, ſo unwiſſend, als moͤglich, ſey, um ihre willkuͤrlichen Ausſpruͤche deſto beſſer zu behaupten. Da ich nicht glaube, daß Sie itzt erſt von dieſer guten Regel abgehen werden: ſo mache ich mir Hoffnung, die erledigte Stelle als Gerichtsverwalter bey Jhnen zu erlangen. Jch bin ſo dumm und unwiſſend, als Sie es wuͤn-
ſchen
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divtype="letter"><pbfacs="#f0188"n="160"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/><p>Sie ſollen es erfahren, Gnaͤdiger Herr, daß<lb/>
es nicht ruhmredige Verſprechungen ſind, die ich<lb/>
thue, Jch erwarte Jhren Entſchluß, und bin u. ſ. w.</p></div><lb/><divtype="letter"><salute><hirendition="#fr">Gnaͤdiger Herr,</hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s iſt freylich eine ſchlimme Sache, daß die Lan-<lb/>
desobrigkeit dem Gerichtsherrn die Bauern<lb/>
nicht ganz Preis gegeben, ſondern den kleinen<lb/>
Dorfmonarchien gewiſſe Grenzen geſetzt, und ver-<lb/>
ordnet hat, daß die Gerechtigkeit durch beſondre<lb/>
Perſonen unpartheyiſch verwaltet werden ſoll. Es<lb/>
laͤuft allerdings wider den Stand der natuͤrlichen<lb/>
Freyheit, und wider die weiſen Abſichten der Na-<lb/>
tur, welche das Wild und die Bauern zum Nu-<lb/>
tzen und zum Vergnuͤgen des Junkers geſchaffen<lb/>
hat. Aber was iſt zu thun? Einer hoͤhern Ge-<lb/>
walt muß man nachgeben. Genug, daß noch<lb/>
Mittel uͤbrig ſind, dieſer hoͤhern Gewalt auszuwei-<lb/>
chen. Sie haben, Gnaͤdiger Herr, beſtaͤndig die-<lb/>ſes zu Jhrer Regel gehabt, daß derjenige, dem Sie,<lb/>
nach den Landsgeſetzen, die Verwaltung der Ju-<lb/>ſtitz anvertrauen muͤſſen, ſo unwiſſend, als moͤglich,<lb/>ſey, um ihre willkuͤrlichen Ausſpruͤche deſto beſſer<lb/>
zu behaupten. Da ich nicht glaube, daß Sie itzt<lb/>
erſt von dieſer guten Regel abgehen werden: ſo<lb/>
mache ich mir Hoffnung, die erledigte Stelle als<lb/>
Gerichtsverwalter bey Jhnen zu erlangen. Jch<lb/>
bin ſo dumm und unwiſſend, als Sie es wuͤn-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchen</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[160/0188]
Satyriſche Briefe.
Sie ſollen es erfahren, Gnaͤdiger Herr, daß
es nicht ruhmredige Verſprechungen ſind, die ich
thue, Jch erwarte Jhren Entſchluß, und bin u. ſ. w.
Gnaͤdiger Herr,
Es iſt freylich eine ſchlimme Sache, daß die Lan-
desobrigkeit dem Gerichtsherrn die Bauern
nicht ganz Preis gegeben, ſondern den kleinen
Dorfmonarchien gewiſſe Grenzen geſetzt, und ver-
ordnet hat, daß die Gerechtigkeit durch beſondre
Perſonen unpartheyiſch verwaltet werden ſoll. Es
laͤuft allerdings wider den Stand der natuͤrlichen
Freyheit, und wider die weiſen Abſichten der Na-
tur, welche das Wild und die Bauern zum Nu-
tzen und zum Vergnuͤgen des Junkers geſchaffen
hat. Aber was iſt zu thun? Einer hoͤhern Ge-
walt muß man nachgeben. Genug, daß noch
Mittel uͤbrig ſind, dieſer hoͤhern Gewalt auszuwei-
chen. Sie haben, Gnaͤdiger Herr, beſtaͤndig die-
ſes zu Jhrer Regel gehabt, daß derjenige, dem Sie,
nach den Landsgeſetzen, die Verwaltung der Ju-
ſtitz anvertrauen muͤſſen, ſo unwiſſend, als moͤglich,
ſey, um ihre willkuͤrlichen Ausſpruͤche deſto beſſer
zu behaupten. Da ich nicht glaube, daß Sie itzt
erſt von dieſer guten Regel abgehen werden: ſo
mache ich mir Hoffnung, die erledigte Stelle als
Gerichtsverwalter bey Jhnen zu erlangen. Jch
bin ſo dumm und unwiſſend, als Sie es wuͤn-
ſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/188>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.