Zwitschernd hüpft Flämmchen auf Elisens Hand. Sie nimmt ihm den Zettel ab und in einer weitbeinigen Knabenhandschrift lautet die Botschaft:
Lise!
"Da ich mich vor Morgen bei Euch nicht zu zeigen "wage und noch dazu leider gezwungen bin (scheußlich!) "3 Seiten, schreibe drei Seiten voll lateinischen Unsinn's "zu übersetzen (ich möchte nur wissen, wozu ein Maler, "und ich will einer werden, Latein braucht ?????) so "bitte ich Dich, den Onkel (Du brauchst ihm diesen "Brief nicht zu zeigen) ebenso auf seinem Lehnstuhl "festzubinden, wie ich die alte Martha und sobald als "möglich vor die Thür zu kommen. -- Ich will Dir "mal was Wichtiges sagen.
Gustav.
"P. Scr. Ich passe auf und wenn ich Deine Nasen- "spitze sehe, schleiche ich an den Häusern hin zu Euerer "Thür! Komme bald!!
"P. Scr. Bring' Deine Korbtasche mit!"
"Was mag er nur wollen?" fragt Lischen, die schon nach dem Nagel guckt, an welchem ihre Tasche hängt, während ich trotz des warnenden Passus den Brief des Uebelthäters und seine echte Tertianerlogik studire. Es ist prächtig: Weil ich ein dreiseitiges Excercitium machen muß -- so komme sobald als möglich! Und dann
11
Zwitſchernd hüpft Flämmchen auf Eliſens Hand. Sie nimmt ihm den Zettel ab und in einer weitbeinigen Knabenhandſchrift lautet die Botſchaft:
Liſe!
„Da ich mich vor Morgen bei Euch nicht zu zeigen „wage und noch dazu leider gezwungen bin (ſcheußlich!) „3 Seiten, ſchreibe drei Seiten voll lateiniſchen Unſinn’s „zu überſetzen (ich möchte nur wiſſen, wozu ein Maler, „und ich will einer werden, Latein braucht ?????) ſo „bitte ich Dich, den Onkel (Du brauchſt ihm dieſen „Brief nicht zu zeigen) ebenſo auf ſeinem Lehnſtuhl „feſtzubinden, wie ich die alte Martha und ſobald als „möglich vor die Thür zu kommen. — Ich will Dir „mal was Wichtiges ſagen.
Guſtav.
„P. Scr. Ich paſſe auf und wenn ich Deine Naſen- „ſpitze ſehe, ſchleiche ich an den Häuſern hin zu Euerer „Thür! Komme bald!!
„P. Scr. Bring’ Deine Korbtaſche mit!“
„Was mag er nur wollen?“ fragt Lischen, die ſchon nach dem Nagel guckt, an welchem ihre Taſche hängt, während ich trotz des warnenden Paſſus den Brief des Uebelthäters und ſeine echte Tertianerlogik ſtudire. Es iſt prächtig: Weil ich ein dreiſeitiges Excercitium machen muß — ſo komme ſobald als möglich! Und dann
11
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0171"n="161"/><p>Zwitſchernd hüpft Flämmchen auf Eliſens Hand.<lb/>
Sie nimmt ihm den Zettel ab und in einer weitbeinigen<lb/>
Knabenhandſchrift lautet die Botſchaft:</p><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><opener><salute><hirendition="#et">Liſe!</hi></salute></opener><lb/><p>„Da ich mich vor Morgen bei Euch nicht zu zeigen<lb/>„wage und noch dazu leider gezwungen bin (ſcheußlich!)<lb/>„3 Seiten, ſchreibe drei Seiten voll lateiniſchen Unſinn’s<lb/>„zu überſetzen (ich möchte nur wiſſen, wozu ein Maler,<lb/>„und <hirendition="#g">ich will</hi> einer werden, Latein braucht ?????) ſo<lb/>„bitte ich Dich, den Onkel (<hirendition="#g">Du brauchſt ihm dieſen</hi><lb/>„<hirendition="#g">Brief nicht zu zeigen</hi>) ebenſo auf ſeinem Lehnſtuhl<lb/>„feſtzubinden, wie ich die alte Martha und <hirendition="#b">ſobald als</hi><lb/>„<hirendition="#b">möglich</hi> vor die Thür zu kommen. — Ich will Dir<lb/>„mal was Wichtiges ſagen.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Guſtav.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>„<hirendition="#aq">P. Scr.</hi> Ich paſſe auf und wenn ich Deine Naſen-<lb/>„ſpitze ſehe, ſchleiche ich an den Häuſern hin zu Euerer<lb/>„Thür! Komme bald!!</p></postscript><lb/><postscript><p>„<hirendition="#aq">P. Scr.</hi> Bring’ Deine Korbtaſche mit!“</p></postscript></div></body></floatingText><lb/><p>„Was mag er nur wollen?“ fragt Lischen, die ſchon<lb/>
nach dem Nagel guckt, an welchem ihre Taſche hängt,<lb/>
während ich trotz des warnenden Paſſus den Brief des<lb/>
Uebelthäters und ſeine echte Tertianerlogik ſtudire. Es<lb/>
iſt prächtig: <hirendition="#g">Weil</hi> ich ein dreiſeitiges Excercitium machen<lb/>
muß —<hirendition="#g">ſo</hi> komme <hirendition="#g">ſobald als möglich</hi>! Und dann<lb/><fwplace="bottom"type="sig">11</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[161/0171]
Zwitſchernd hüpft Flämmchen auf Eliſens Hand.
Sie nimmt ihm den Zettel ab und in einer weitbeinigen
Knabenhandſchrift lautet die Botſchaft:
Liſe!
„Da ich mich vor Morgen bei Euch nicht zu zeigen
„wage und noch dazu leider gezwungen bin (ſcheußlich!)
„3 Seiten, ſchreibe drei Seiten voll lateiniſchen Unſinn’s
„zu überſetzen (ich möchte nur wiſſen, wozu ein Maler,
„und ich will einer werden, Latein braucht ?????) ſo
„bitte ich Dich, den Onkel (Du brauchſt ihm dieſen
„Brief nicht zu zeigen) ebenſo auf ſeinem Lehnſtuhl
„feſtzubinden, wie ich die alte Martha und ſobald als
„möglich vor die Thür zu kommen. — Ich will Dir
„mal was Wichtiges ſagen.
Guſtav.
„P. Scr. Ich paſſe auf und wenn ich Deine Naſen-
„ſpitze ſehe, ſchleiche ich an den Häuſern hin zu Euerer
„Thür! Komme bald!!
„P. Scr. Bring’ Deine Korbtaſche mit!“
„Was mag er nur wollen?“ fragt Lischen, die ſchon
nach dem Nagel guckt, an welchem ihre Taſche hängt,
während ich trotz des warnenden Paſſus den Brief des
Uebelthäters und ſeine echte Tertianerlogik ſtudire. Es
iſt prächtig: Weil ich ein dreiſeitiges Excercitium machen
muß — ſo komme ſobald als möglich! Und dann
11
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/171>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.