Er haspelte eben das Garn seiner Kinder, aber der Haspel stund ihm in der Hand stille, wie die Augen im Kopf, als sie in die Stube hinein kamen. -- Er saß da wie angenagelt, und konnte die Hand nur nicht zur Kappe (Mütze) hinaufbringen, sie abzuzie- hen. -- Die Meyerin saß neben ihn ab, und Ger- trud sagte zu ihm -- sie ist izt dein! -- Eine Weile war alles still -- die Kinder stunden von ihren Rä- dern auf. -- Gertrud sagte ihnen, sie ist izt euere Mutter! -- Dann ermunterte sich die Meyerin, stund auf, gab den Kindern einem nach dem andern die Hand, und sagte, liebe Kinder, geb uns Gott sei- nen Segen bey einander; dann sagte auch Ger- trud, und der Rudi, der die Hand der Meyerin in seinen beyden Händen hielt -- das gebe Gott! -- Es war das erste Wort, das er redte, und lange darauf sagte er noch kein anders. Seine Stille ge- fiel der Meyerin; sie sagte selber zu den Kindern, wir wollen doch izt nicht viel reden; aber sie blieb den ganzen Abend da, und so bald es ihr der erste Ein- druck zugelassen, sagte sie zur Gertrud, sie solle doch izt nichts anrühren, es freue sie izt ein paar Stunden zu thun, als wenn sie schon eingesessen wäre; dann
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§. 29. Die Brautſtunde einer Stiefmutter.
Er haſpelte eben das Garn ſeiner Kinder, aber der Haſpel ſtund ihm in der Hand ſtille, wie die Augen im Kopf, als ſie in die Stube hinein kamen. — Er ſaß da wie angenagelt, und konnte die Hand nur nicht zur Kappe (Muͤtze) hinaufbringen, ſie abzuzie- hen. — Die Meyerin ſaß neben ihn ab, und Ger- trud ſagte zu ihm — ſie iſt izt dein! — Eine Weile war alles ſtill — die Kinder ſtunden von ihren Raͤ- dern auf. — Gertrud ſagte ihnen, ſie iſt izt euere Mutter! — Dann ermunterte ſich die Meyerin, ſtund auf, gab den Kindern einem nach dem andern die Hand, und ſagte, liebe Kinder, geb uns Gott ſei- nen Segen bey einander; dann ſagte auch Ger- trud, und der Rudi, der die Hand der Meyerin in ſeinen beyden Haͤnden hielt — das gebe Gott! — Es war das erſte Wort, das er redte, und lange darauf ſagte er noch kein anders. Seine Stille ge- fiel der Meyerin; ſie ſagte ſelber zu den Kindern, wir wollen doch izt nicht viel reden; aber ſie blieb den ganzen Abend da, und ſo bald es ihr der erſte Ein- druck zugelaſſen, ſagte ſie zur Gertrud, ſie ſolle doch izt nichts anruͤhren, es freue ſie izt ein paar Stunden zu thun, als wenn ſie ſchon eingeſeſſen waͤre; dann
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§. 29.
Die Brautſtunde einer Stiefmutter.
Er haſpelte eben das Garn ſeiner Kinder, aber der
Haſpel ſtund ihm in der Hand ſtille, wie die Augen
im Kopf, als ſie in die Stube hinein kamen. — Er
ſaß da wie angenagelt, und konnte die Hand nur
nicht zur Kappe (Muͤtze) hinaufbringen, ſie abzuzie-
hen. — Die Meyerin ſaß neben ihn ab, und Ger-
trud ſagte zu ihm — ſie iſt izt dein! — Eine Weile
war alles ſtill — die Kinder ſtunden von ihren Raͤ-
dern auf. — Gertrud ſagte ihnen, ſie iſt izt euere
Mutter! — Dann ermunterte ſich die Meyerin, ſtund
auf, gab den Kindern einem nach dem andern die
Hand, und ſagte, liebe Kinder, geb uns Gott ſei-
nen Segen bey einander; dann ſagte auch Ger-
trud, und der Rudi, der die Hand der Meyerin in
ſeinen beyden Haͤnden hielt — das gebe Gott! —
Es war das erſte Wort, das er redte, und lange
darauf ſagte er noch kein anders. Seine Stille ge-
fiel der Meyerin; ſie ſagte ſelber zu den Kindern, wir
wollen doch izt nicht viel reden; aber ſie blieb den
ganzen Abend da, und ſo bald es ihr der erſte Ein-
druck zugelaſſen, ſagte ſie zur Gertrud, ſie ſolle doch
izt nichts anruͤhren, es freue ſie izt ein paar Stunden
zu thun, als wenn ſie ſchon eingeſeſſen waͤre; dann
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/135>, abgerufen am 21.12.2024.
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