Er sagte ihnen, ihr habt doch scheints Ver- mögen Schulden zu machen, wenn schon nicht Vermögen euch an Leib und Seel wie Menschen zu erhalten. Es zerschnitt ihm fast das Herz wie die Leuthe alle aussahen, aber er ließ sie gehen ohne ein Wort mehr zu ihnen zu sagen.
Aber der Eindruk, den ihm der ganze Mor- gen machte, war bedrükend, und er gieng fast ohne Hoffnung daß mit einem Volk unter wel- chem so viel Lumpen seyen, noch etwas auszu- richten, mit beklemtem Herzen von der Linde ins Pfarrhaus.
§. 43. Zwey Weiber messen ihr Maul mit ein- ander, und die Kleine wird Meister.
An diesem Morgen vernahm die Untervög- tin, während ihr Mann unter der Linde beym Junker zu saß, und das Maul offen hatte, was ihm gestern bey Gertrud wegen seiner Schwester begegnet.
Poz Schümmel, poz Kolj *) -- wie feuer- te das Weib! Sie lief vom Melchen und Trän-
*) Anmerkung) Poz Schümmel poz Kolj -- an- statt poz Himmel poz Hölle, -- eine Nachah- mung der unter den verdrehetesten Bauern übli-
Er ſagte ihnen, ihr habt doch ſcheints Ver- moͤgen Schulden zu machen, wenn ſchon nicht Vermoͤgen euch an Leib und Seel wie Menſchen zu erhalten. Es zerſchnitt ihm faſt das Herz wie die Leuthe alle ausſahen, aber er ließ ſie gehen ohne ein Wort mehr zu ihnen zu ſagen.
Aber der Eindruk, den ihm der ganze Mor- gen machte, war bedruͤkend, und er gieng faſt ohne Hoffnung daß mit einem Volk unter wel- chem ſo viel Lumpen ſeyen, noch etwas auszu- richten, mit beklemtem Herzen von der Linde ins Pfarrhaus.
§. 43. Zwey Weiber meſſen ihr Maul mit ein- ander, und die Kleine wird Meiſter.
An dieſem Morgen vernahm die Untervoͤg- tin, waͤhrend ihr Mann unter der Linde beym Junker zu ſaß, und das Maul offen hatte, was ihm geſtern bey Gertrud wegen ſeiner Schweſter begegnet.
Poz Schuͤmmel, poz Kolj *) — wie feuer- te das Weib! Sie lief vom Melchen und Traͤn-
*) Anmerkung) Poz Schuͤmmel poz Kolj — an- ſtatt poz Himmel poz Hoͤlle, — eine Nachah- mung der unter den verdreheteſten Bauern uͤbli-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0212"n="190"/><p>Er ſagte ihnen, ihr habt doch ſcheints Ver-<lb/>
moͤgen Schulden zu machen, wenn ſchon nicht<lb/>
Vermoͤgen euch an Leib und Seel wie Menſchen<lb/>
zu erhalten. Es zerſchnitt ihm faſt das Herz<lb/>
wie die Leuthe alle ausſahen, aber er ließ ſie<lb/>
gehen ohne ein Wort mehr zu ihnen zu ſagen.</p><lb/><p>Aber der Eindruk, den ihm der ganze Mor-<lb/>
gen machte, war bedruͤkend, und er gieng faſt<lb/>
ohne Hoffnung daß mit einem Volk unter wel-<lb/>
chem ſo viel Lumpen ſeyen, noch etwas auszu-<lb/>
richten, mit beklemtem Herzen von der Linde<lb/>
ins Pfarrhaus.</p></div><lb/><divn="1"><head>§. 43.<lb/>
Zwey Weiber meſſen ihr Maul mit ein-<lb/>
ander, und die Kleine wird Meiſter.</head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>n dieſem Morgen vernahm die Untervoͤg-<lb/>
tin, waͤhrend ihr Mann unter der Linde<lb/>
beym Junker zu ſaß, und das Maul offen hatte,<lb/>
was ihm geſtern bey Gertrud wegen ſeiner<lb/>
Schweſter begegnet.</p><lb/><p>Poz Schuͤmmel, poz Kolj <notexml:id="note-0212"next="#note-0213"place="foot"n="*)">Anmerkung) Poz Schuͤmmel poz Kolj — an-<lb/>ſtatt poz Himmel poz Hoͤlle, — eine Nachah-<lb/>
mung der unter den verdreheteſten Bauern uͤbli-</note>— wie feuer-<lb/>
te das Weib! Sie lief vom Melchen und Traͤn-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[190/0212]
Er ſagte ihnen, ihr habt doch ſcheints Ver-
moͤgen Schulden zu machen, wenn ſchon nicht
Vermoͤgen euch an Leib und Seel wie Menſchen
zu erhalten. Es zerſchnitt ihm faſt das Herz
wie die Leuthe alle ausſahen, aber er ließ ſie
gehen ohne ein Wort mehr zu ihnen zu ſagen.
Aber der Eindruk, den ihm der ganze Mor-
gen machte, war bedruͤkend, und er gieng faſt
ohne Hoffnung daß mit einem Volk unter wel-
chem ſo viel Lumpen ſeyen, noch etwas auszu-
richten, mit beklemtem Herzen von der Linde
ins Pfarrhaus.
§. 43.
Zwey Weiber meſſen ihr Maul mit ein-
ander, und die Kleine wird Meiſter.
An dieſem Morgen vernahm die Untervoͤg-
tin, waͤhrend ihr Mann unter der Linde
beym Junker zu ſaß, und das Maul offen hatte,
was ihm geſtern bey Gertrud wegen ſeiner
Schweſter begegnet.
Poz Schuͤmmel, poz Kolj *) — wie feuer-
te das Weib! Sie lief vom Melchen und Traͤn-
*) Anmerkung) Poz Schuͤmmel poz Kolj — an-
ſtatt poz Himmel poz Hoͤlle, — eine Nachah-
mung der unter den verdreheteſten Bauern uͤbli-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/212>, abgerufen am 27.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.