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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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§. 41.
Wider die Hoffart und wider Volks-Co-
mödien vor dem Halseisen, (Pranger.)

Bald auf sie folgte die Hürner Beth, die
trug vornen und hinten Sammetbänder,
und am Kopf und Hals feines Zeug.

Arner kannte seine Eltern aus dem Allmosen-
rodel, und fragte, bist du des Hürner Jakobs?

Diese Frag gefiel dem Menschen schon nicht,
es verlor schon seine Farb, da es ja sagte.

Der Junker sah ihns vom Kopf, bis zun
Füssen an, und fragte ihns da, wie kommst
du zu Seiden und Sammet?

Erschroken wie eine Diebin, der ihre Ar-
beit eben an Tag kommt, antwortete es nichts.

Der Junker aber sagte wieder, wie kommst
du zu Seiden und Sammet?

Und es brachte es unter Herzklopfen heraus,
ich hab verdient, was ich trage.

Ich will nicht fragen, wie? sagte Arner,
ich will dich nur fragen, ob dir anstehe es zu
tragen?

Es schwieg wieder.

Der Junker aber sagte, wo keine Scham
ist, da ist keine Ehre, und ein Mensch, das
vom Allmosen erzogen wird, und sich vor sei-
nem Dorf nicht schämt, sich kostbarer zu klei-

M 3
§. 41.
Wider die Hoffart und wider Volks-Co-
moͤdien vor dem Halseiſen, (Pranger.)

Bald auf ſie folgte die Huͤrner Beth, die
trug vornen und hinten Sammetbaͤnder,
und am Kopf und Hals feines Zeug.

Arner kannte ſeine Eltern aus dem Allmoſen-
rodel, und fragte, biſt du des Huͤrner Jakobs?

Dieſe Frag gefiel dem Menſchen ſchon nicht,
es verlor ſchon ſeine Farb, da es ja ſagte.

Der Junker ſah ihns vom Kopf, bis zun
Fuͤſſen an, und fragte ihns da, wie kommſt
du zu Seiden und Sammet?

Erſchroken wie eine Diebin, der ihre Ar-
beit eben an Tag kommt, antwortete es nichts.

Der Junker aber ſagte wieder, wie kommſt
du zu Seiden und Sammet?

Und es brachte es unter Herzklopfen heraus,
ich hab verdient, was ich trage.

Ich will nicht fragen, wie? ſagte Arner,
ich will dich nur fragen, ob dir anſtehe es zu
tragen?

Es ſchwieg wieder.

Der Junker aber ſagte, wo keine Scham
iſt, da iſt keine Ehre, und ein Menſch, das
vom Allmoſen erzogen wird, und ſich vor ſei-
nem Dorf nicht ſchaͤmt, ſich koſtbarer zu klei-

M 3
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[181/0203] §. 41. Wider die Hoffart und wider Volks-Co- moͤdien vor dem Halseiſen, (Pranger.) Bald auf ſie folgte die Huͤrner Beth, die trug vornen und hinten Sammetbaͤnder, und am Kopf und Hals feines Zeug. Arner kannte ſeine Eltern aus dem Allmoſen- rodel, und fragte, biſt du des Huͤrner Jakobs? Dieſe Frag gefiel dem Menſchen ſchon nicht, es verlor ſchon ſeine Farb, da es ja ſagte. Der Junker ſah ihns vom Kopf, bis zun Fuͤſſen an, und fragte ihns da, wie kommſt du zu Seiden und Sammet? Erſchroken wie eine Diebin, der ihre Ar- beit eben an Tag kommt, antwortete es nichts. Der Junker aber ſagte wieder, wie kommſt du zu Seiden und Sammet? Und es brachte es unter Herzklopfen heraus, ich hab verdient, was ich trage. Ich will nicht fragen, wie? ſagte Arner, ich will dich nur fragen, ob dir anſtehe es zu tragen? Es ſchwieg wieder. Der Junker aber ſagte, wo keine Scham iſt, da iſt keine Ehre, und ein Menſch, das vom Allmoſen erzogen wird, und ſich vor ſei- nem Dorf nicht ſchaͤmt, ſich koſtbarer zu klei- M 3

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/203>, abgerufen am 21.11.2024.