§. 22. Die Qualen des Meyneids lassen sich nicht mit spitzfündigen Künsten er- sticken.
Vom Lenk weg, geht der Vogt zum Kriecher, und trifft im Dahingehen unversehens den Hans Wüst an.
Wenn er ihn von ferne gesehn hätte, so würde er ihm ausgewichen seyn; denn seit des Rudi Han- del klopfte dem Vogt und dem Wüst beyden das Herz, wo sie einander antrafen; aber unversehens stieß der Vogt am Ecken von der Seitenstrasse beym untern Brunn hart auf diesen an.
Bist du's, sagte der Vogt? und ja, ich bin's, antwortete Wüst.
Vogt. Warum kommst du nicht mehr zu mir? und denkest auch gar nicht an das Geld, das ich dir geliehen habe.
Wüst. Ich habe jezt kein Geld. Und wenn ich zurück denke, so fürchte ich, es sey nur zu theuer bezahlt, dein Geld.
Vogt. Du redetest doch nicht so, da ich dir's gab, Wüst! und so ist doch bös dienen.
Wüst.
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§. 22. Die Qualen des Meyneids laſſen ſich nicht mit ſpitzfuͤndigen Kuͤnſten er- ſticken.
Vom Lenk weg, geht der Vogt zum Kriecher, und trifft im Dahingehen unverſehens den Hans Wuͤſt an.
Wenn er ihn von ferne geſehn haͤtte, ſo wuͤrde er ihm ausgewichen ſeyn; denn ſeit des Rudi Han- del klopfte dem Vogt und dem Wuͤſt beyden das Herz, wo ſie einander antrafen; aber unverſehens ſtieß der Vogt am Ecken von der Seitenſtraſſe beym untern Brunn hart auf dieſen an.
Biſt du’s, ſagte der Vogt? und ja, ich bin’s, antwortete Wuͤſt.
Vogt. Warum kommſt du nicht mehr zu mir? und denkeſt auch gar nicht an das Geld, das ich dir geliehen habe.
Wuͤſt. Ich habe jezt kein Geld. Und wenn ich zuruͤck denke, ſo fuͤrchte ich, es ſey nur zu theuer bezahlt, dein Geld.
Vogt. Du redeteſt doch nicht ſo, da ich dir’s gab, Wuͤſt! und ſo iſt doch boͤs dienen.
Wuͤſt.
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§. 22.
Die Qualen des Meyneids laſſen ſich
nicht mit ſpitzfuͤndigen Kuͤnſten er-
ſticken.
Vom Lenk weg, geht der Vogt zum Kriecher,
und trifft im Dahingehen unverſehens den Hans
Wuͤſt an.
Wenn er ihn von ferne geſehn haͤtte, ſo wuͤrde
er ihm ausgewichen ſeyn; denn ſeit des Rudi Han-
del klopfte dem Vogt und dem Wuͤſt beyden das
Herz, wo ſie einander antrafen; aber unverſehens
ſtieß der Vogt am Ecken von der Seitenſtraſſe beym
untern Brunn hart auf dieſen an.
Biſt du’s, ſagte der Vogt? und ja, ich bin’s,
antwortete Wuͤſt.
Vogt. Warum kommſt du nicht mehr zu mir?
und denkeſt auch gar nicht an das Geld, das ich dir
geliehen habe.
Wuͤſt. Ich habe jezt kein Geld. Und wenn
ich zuruͤck denke, ſo fuͤrchte ich, es ſey nur zu
theuer bezahlt, dein Geld.
Vogt. Du redeteſt doch nicht ſo, da ich dir’s
gab, Wuͤſt! und ſo iſt doch boͤs dienen.
Wuͤſt.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/142>, abgerufen am 23.02.2025.
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