Von ihm weg, geht der Vogt zu Jögli Lenk. Dieser lag auf der Ofenbank, er rauchte seine Pfeife; die Frau spinnte, und fünf halb nackende Kinder lagen auf dem Ofen.
Der Vogt sagt ihm kurz den Bericht. Lenk nimmt die Pfeife aus dem Munde, und antwor- tet: Das ist wohl viel, daß auch einmal etwas Gutes an mich kommt. Sonst war ich, so lang ich lebe, vor allem Guten sicher.
Vogt. Lenk! eben noch viel Leute, denk ich, mit dir.
Lenk. Ist mein Bruder auch unter den Tag- löhnern?
Vogt. Nein.
Lenk. Wer sind die andern.
Der Vogt nennet sie.
Lenk. Mein Bruder ist doch ein viel besserer Arbeiter, als der Rudi, der Bär und der Marxt; vom Kriecher mag ich nicht reden. Es ist bey Gott ausser mir kein einziger, unter allen zehen, nur ein halb so guter Arbeiter, als er. Vogt! könn- test du nicht machen, daß er auch kommen müßte.
Ich
H 2
§. 21. Undank und Neid.
Von ihm weg, geht der Vogt zu Joͤgli Lenk. Dieſer lag auf der Ofenbank, er rauchte ſeine Pfeife; die Frau ſpinnte, und fuͤnf halb nackende Kinder lagen auf dem Ofen.
Der Vogt ſagt ihm kurz den Bericht. Lenk nimmt die Pfeife aus dem Munde, und antwor- tet: Das iſt wohl viel, daß auch einmal etwas Gutes an mich kommt. Sonſt war ich, ſo lang ich lebe, vor allem Guten ſicher.
Vogt. Lenk! eben noch viel Leute, denk ich, mit dir.
Lenk. Iſt mein Bruder auch unter den Tag- loͤhnern?
Vogt. Nein.
Lenk. Wer ſind die andern.
Der Vogt nennet ſie.
Lenk. Mein Bruder iſt doch ein viel beſſerer Arbeiter, als der Rudi, der Baͤr und der Marxt; vom Kriecher mag ich nicht reden. Es iſt bey Gott auſſer mir kein einziger, unter allen zehen, nur ein halb ſo guter Arbeiter, als er. Vogt! koͤnn- teſt du nicht machen, daß er auch kommen muͤßte.
Ich
H 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0140"n="115"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>§. 21.<lb/><hirendition="#b">Undank und Neid.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">V</hi>on ihm weg, geht der Vogt zu Joͤgli Lenk.<lb/>
Dieſer lag auf der Ofenbank, er rauchte ſeine Pfeife;<lb/>
die Frau ſpinnte, und fuͤnf halb nackende Kinder<lb/>
lagen auf dem Ofen.</p><lb/><p>Der Vogt ſagt ihm kurz den Bericht. Lenk<lb/>
nimmt die Pfeife aus dem <choice><sic>Mnnde</sic><corr>Munde</corr></choice>, und antwor-<lb/>
tet: Das iſt wohl viel, daß auch einmal etwas<lb/>
Gutes an mich kommt. Sonſt war ich, ſo lang<lb/>
ich lebe, vor allem Guten ſicher.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Lenk! eben noch viel Leute, denk ich,<lb/>
mit dir.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lenk.</hi> Iſt mein Bruder auch unter den Tag-<lb/>
loͤhnern?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Nein.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lenk.</hi> Wer ſind die andern.</p><lb/><p>Der Vogt nennet ſie.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lenk.</hi> Mein Bruder iſt doch ein viel beſſerer<lb/>
Arbeiter, als der Rudi, der Baͤr und der Marxt;<lb/>
vom Kriecher mag ich nicht reden. Es iſt bey Gott<lb/>
auſſer mir kein einziger, unter allen zehen, nur<lb/>
ein halb ſo guter Arbeiter, als er. Vogt! koͤnn-<lb/>
teſt du nicht machen, daß er auch kommen muͤßte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">H 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ich</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[115/0140]
§. 21.
Undank und Neid.
Von ihm weg, geht der Vogt zu Joͤgli Lenk.
Dieſer lag auf der Ofenbank, er rauchte ſeine Pfeife;
die Frau ſpinnte, und fuͤnf halb nackende Kinder
lagen auf dem Ofen.
Der Vogt ſagt ihm kurz den Bericht. Lenk
nimmt die Pfeife aus dem Munde, und antwor-
tet: Das iſt wohl viel, daß auch einmal etwas
Gutes an mich kommt. Sonſt war ich, ſo lang
ich lebe, vor allem Guten ſicher.
Vogt. Lenk! eben noch viel Leute, denk ich,
mit dir.
Lenk. Iſt mein Bruder auch unter den Tag-
loͤhnern?
Vogt. Nein.
Lenk. Wer ſind die andern.
Der Vogt nennet ſie.
Lenk. Mein Bruder iſt doch ein viel beſſerer
Arbeiter, als der Rudi, der Baͤr und der Marxt;
vom Kriecher mag ich nicht reden. Es iſt bey Gott
auſſer mir kein einziger, unter allen zehen, nur
ein halb ſo guter Arbeiter, als er. Vogt! koͤnn-
teſt du nicht machen, daß er auch kommen muͤßte.
Ich
H 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/140>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.