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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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an seine Geliebte verdanke. Mit folgenden leisen
Worten trägt er darin seine Bitte, sie zu sehen vor:

"Wenn ich wüßte, daß ich die schöne Seele, die
jetzt neben dem erhabnen Emanuel, neben dem Frühling
und unter ihren schönen Gedanken glücklich seyn
wird, nur einen Augenblick durch dieses Blatt be¬
klemmte oder störte: o recht gerne opferte ich diese
seelige Stunde auf, um sie vielleicht zu verdienen.
Aber nein, ewige Freundin, Ihr weiches Herz be¬
gehrt mein Schweigen nicht! Ach der Mensch muß
so oft Kälte und Kummer verbergen, warum noch
gar Liebe und Freude? -- Und ich würd' es auch
heute nicht können.

O wenn ein Erdenmensch in einem Traum durch
das Elysium gegangen, wenn große unbekannte Blu¬
men über ihn zusammengeschlagen wären, wenn ein
Seeliger, ihm eine von diesen Blumen gereicht hätte
mit den Worten: "diese erinnere dich, wenn du er¬
"wachst, daß du nicht geträumt hast!" wie würde
er schmachten nach dem elysischen Lande so oft er die
Blume ansähe. -- Unvergeßliche! Sie haben in der
Schimmernacht, wo mein Herz zweimal erlag, aber
nur einmal vor Schmerz, einem Menschen ein Eden
gegeben, das hinausreicht über sein leben; aber mir
war bisher als würd' ich wacher aus der zurückge¬

an ſeine Geliebte verdanke. Mit folgenden leiſen
Worten traͤgt er darin ſeine Bitte, ſie zu ſehen vor:

»Wenn ich wuͤßte, daß ich die ſchoͤne Seele, die
jetzt neben dem erhabnen Emanuel, neben dem Fruͤhling
und unter ihren ſchoͤnen Gedanken gluͤcklich ſeyn
wird, nur einen Augenblick durch dieſes Blatt be¬
klemmte oder ſtoͤrte: o recht gerne opferte ich dieſe
ſeelige Stunde auf, um ſie vielleicht zu verdienen.
Aber nein, ewige Freundin, Ihr weiches Herz be¬
gehrt mein Schweigen nicht! Ach der Menſch muß
ſo oft Kaͤlte und Kummer verbergen, warum noch
gar Liebe und Freude? — Und ich wuͤrd' es auch
heute nicht koͤnnen.

O wenn ein Erdenmenſch in einem Traum durch
das Elyſium gegangen, wenn große unbekannte Blu¬
men uͤber ihn zuſammengeſchlagen waͤren, wenn ein
Seeliger, ihm eine von dieſen Blumen gereicht haͤtte
mit den Worten: »dieſe erinnere dich, wenn du er¬
»wachſt, daß du nicht getraͤumt haſt!« wie wuͤrde
er ſchmachten nach dem elyſiſchen Lande ſo oft er die
Blume anſaͤhe. — Unvergeßliche! Sie haben in der
Schimmernacht, wo mein Herz zweimal erlag, aber
nur einmal vor Schmerz, einem Menſchen ein Eden
gegeben, das hinausreicht uͤber ſein leben; aber mir
war bisher als wuͤrd' ich wacher aus der zuruͤckge¬

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[39/0049] an ſeine Geliebte verdanke. Mit folgenden leiſen Worten traͤgt er darin ſeine Bitte, ſie zu ſehen vor: »Wenn ich wuͤßte, daß ich die ſchoͤne Seele, die jetzt neben dem erhabnen Emanuel, neben dem Fruͤhling und unter ihren ſchoͤnen Gedanken gluͤcklich ſeyn wird, nur einen Augenblick durch dieſes Blatt be¬ klemmte oder ſtoͤrte: o recht gerne opferte ich dieſe ſeelige Stunde auf, um ſie vielleicht zu verdienen. Aber nein, ewige Freundin, Ihr weiches Herz be¬ gehrt mein Schweigen nicht! Ach der Menſch muß ſo oft Kaͤlte und Kummer verbergen, warum noch gar Liebe und Freude? — Und ich wuͤrd' es auch heute nicht koͤnnen. O wenn ein Erdenmenſch in einem Traum durch das Elyſium gegangen, wenn große unbekannte Blu¬ men uͤber ihn zuſammengeſchlagen waͤren, wenn ein Seeliger, ihm eine von dieſen Blumen gereicht haͤtte mit den Worten: »dieſe erinnere dich, wenn du er¬ »wachſt, daß du nicht getraͤumt haſt!« wie wuͤrde er ſchmachten nach dem elyſiſchen Lande ſo oft er die Blume anſaͤhe. — Unvergeßliche! Sie haben in der Schimmernacht, wo mein Herz zweimal erlag, aber nur einmal vor Schmerz, einem Menſchen ein Eden gegeben, das hinausreicht uͤber ſein leben; aber mir war bisher als wuͤrd' ich wacher aus der zuruͤckge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/49>, abgerufen am 26.04.2024.