Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.§. 10. Ich könte die so gewonnene transzendentale Causa, mein metafisisches Prinzip recht gut Unterbewusstsein nennen, denn hinter oder unter mein Bewusstsein verlege ich - räumlich gesprochen - die Quelle meiner Eingebungen, meines Daseins; wenn nicht dieser Ausdruk bereits von den sog. Experimental-Psichologen im Sinne von etwas Bewusstem, oder Materjell-Funkzionellem, je nachdem, verwendet worden wäre, in welchem Sinn ich ihn unmöglich brauchen kann. Ich könte mein Prinzip ebensogut das Unbewusste nennen, wenn nicht auch dieser Ausdruk bereits, sogar filosofiisch, in der unverantwortlichsten Weise gemissbraucht worden wäre. Ich könte ebensowohl meine Sache Denken a prori oder reine Vernunft nennen, wenn nicht der Verwendung dieser Termini eine ganz genaue, hier nicht zwekdienliche, Auseinandersezung mit Kant vorausgehen müsste. Ich will sie aber Dämon nennen, einmal: weil ich damit den Begriff eines schaffenden, wirksamen, eingebenden, vordrängenden Prinzips verbinden möchte; zweitens: weil ich damit in Erinnerung an Sokrates den Charakter des Halluzinatorischen, oder halluzinatorisch sich Aeussernden verbinden möchte; drittens: weil ich den Begriff des Individuellen (hier, als Ausgangspunkt meiner Untersuchung, des Genius-Artigen) damit verknüpfen will: denn mein Denken will ich erklären; nicht das der andern Leute; auf meine Eingebungen bin ich angewiesen, nicht auf die meiner Nebenmenschen. - Beileibe darf man aber darunter nichts Mytologisches im Sinne der alten Griechen, noch Teologisches im Sinne des Christentums verstehen. Sondern lediglich ein metafisisches Prinzip, für das Jeder sich einen ihm adäquater dünkenden Namen wählen könte. Ich könte es ebenso gut das Brahma nennen.1) 1) Bei der Niederschrift der vorliegenden Arbeit stosse ich zufällig auf ein älteres Schriftchen über indische Religion, und lese dort folgende Säze über Brahmaismus: "Man kann vom Brahma nicht sagen, was es ist. ,Das Auge, die Sprache, der Verstand kann es nicht erreichen.
§. 10. Ich könte die so gewonnene transzendentale Causa, mein metafisisches Prinzip recht gut Unterbewusstsein nennen, denn hinter oder unter mein Bewusstsein verlege ich – räumlich gesprochen – die Quelle meiner Eingebungen, meines Daseins; wenn nicht dieser Ausdruk bereits von den sog. Experimental-Psichologen im Sinne von etwas Bewusstem, oder Materjell-Funkzionellem, je nachdem, verwendet worden wäre, in welchem Sinn ich ihn unmöglich brauchen kann. Ich könte mein Prinzip ebensogut das Unbewusste nennen, wenn nicht auch dieser Ausdruk bereits, sogar filosofiisch, in der unverantwortlichsten Weise gemissbraucht worden wäre. Ich könte ebensowohl meine Sache Denken a prori oder reine Vernunft nennen, wenn nicht der Verwendung dieser Termini eine ganz genaue, hier nicht zwekdienliche, Auseinandersezung mit Kant vorausgehen müsste. Ich will sie aber Dämon nennen, einmal: weil ich damit den Begriff eines schaffenden, wirksamen, eingebenden, vordrängenden Prinzips verbinden möchte; zweitens: weil ich damit in Erinnerung an Sokrates den Charakter des Halluzinatorischen, oder halluzinatorisch sich Aeussernden verbinden möchte; drittens: weil ich den Begriff des Individuellen (hier, als Ausgangspunkt meiner Untersuchung, des Genius-Artigen) damit verknüpfen will: denn mein Denken will ich erklären; nicht das der andern Leute; auf meine Eingebungen bin ich angewiesen, nicht auf die meiner Nebenmenschen. – Beileibe darf man aber darunter nichts Mytologisches im Sinne der alten Griechen, noch Teologisches im Sinne des Christentums verstehen. Sondern lediglich ein metafisisches Prinzip, für das Jeder sich einen ihm adäquater dünkenden Namen wählen könte. Ich könte es ebenso gut das Brahma nennen.1) 1) Bei der Niederschrift der vorliegenden Arbeit stosse ich zufällig auf ein älteres Schriftchen über indische Religion, und lese dort folgende Säze über Brahmaïsmus: „Man kann vom Brahma nicht sagen, was es ist. ,Das Auge, die Sprache, der Verstand kann es nicht erreichen.
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§. 10.
Ich könte die so gewonnene transzendentale Causa, mein metafisisches Prinzip recht gut Unterbewusstsein nennen, denn hinter oder unter mein Bewusstsein verlege ich – räumlich gesprochen – die Quelle meiner Eingebungen, meines Daseins; wenn nicht dieser Ausdruk bereits von den sog. Experimental-Psichologen im Sinne von etwas Bewusstem, oder Materjell-Funkzionellem, je nachdem, verwendet worden wäre, in welchem Sinn ich ihn unmöglich brauchen kann. Ich könte mein Prinzip ebensogut das Unbewusste nennen, wenn nicht auch dieser Ausdruk bereits, sogar filosofiisch, in der unverantwortlichsten Weise gemissbraucht worden wäre. Ich könte ebensowohl meine Sache Denken a prori oder reine Vernunft nennen, wenn nicht der Verwendung dieser Termini eine ganz genaue, hier nicht zwekdienliche, Auseinandersezung mit Kant vorausgehen müsste. Ich will sie aber Dämon nennen, einmal: weil ich damit den Begriff eines schaffenden, wirksamen, eingebenden, vordrängenden Prinzips verbinden möchte; zweitens: weil ich damit in Erinnerung an Sokrates den Charakter des Halluzinatorischen, oder halluzinatorisch sich Aeussernden verbinden möchte; drittens: weil ich den Begriff des Individuellen (hier, als Ausgangspunkt meiner Untersuchung, des Genius-Artigen) damit verknüpfen will: denn mein Denken will ich erklären; nicht das der andern Leute; auf meine Eingebungen bin ich angewiesen, nicht auf die meiner Nebenmenschen. – Beileibe darf man aber darunter nichts Mytologisches im Sinne der alten Griechen, noch Teologisches im Sinne des Christentums verstehen. Sondern lediglich ein metafisisches Prinzip, für das Jeder sich einen ihm adäquater dünkenden Namen wählen könte. Ich könte es ebenso gut das Brahma nennen. 1)
1) Bei der Niederschrift der vorliegenden Arbeit stosse ich zufällig auf ein älteres Schriftchen über indische Religion, und lese dort folgende Säze über Brahmaïsmus: „Man kann vom Brahma nicht sagen, was es ist. ,Das Auge, die Sprache, der Verstand kann es nicht erreichen.
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Zitationshilfe: | Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/26>, abgerufen am 03.03.2025. |