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Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

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oder, wo mein Denken sich nicht mehr adäquat in der Erscheinungswelt manifestiren kann, gebrauche ich, als Ausdruk des Widerstandes, des Nicht-Weiter-Könnens, einen Laut, einen Ausdruk, der immer noch dieser Erscheinungs-Welt entnommen ist; - die einzige Möglichkeit, mich mit meinen der Erscheinungswelt angehörenden Nebenmenschen zu verständigen, und ihnen Kunde von meinem Denken zukommen zu lassen.

Hier also, wo ich effektiv nicht mehr weiter kann, habe ich ein Recht und die Pflicht ein Bild aus der Erscheinungswelt zu gebrauchen: Wenn ich, in der Absicht einen von mir eingeschlagenen Weg auf der Strassse zu verfolgen, plözlich vor einem Zaune stehe, der mich am Weiter-Gehen hindert, so kann ich immer noch, obwohl ich damit die Strasse, und damit meine Absicht, verlasse, auf den Zaun steigen, um drüben Aussicht zu halten, eventuell über den Zaun hinübersteigen. Hinübersteigen heisst lateinisch transcendere. Und hievon abgeleitet heisst transzendental in der Filosofie eine Untersuchung, in der ich das Gebiet der Erfahrung, sei es der Erfahrung im Denken sei es in der Erscheinungswelt, verlassen habe, oder zu verlassen im Begriffe bin. In eben diesem Falle befinden wir uns selbst. Auf die Frage also: was kann hinter meinem Denken für eine Quelle liegen, die nach den angestelten Untersuchungen weder bewusste noch materjelle Qualität an sich haben darf, aber die nicht auf assoziativem Wege sondern durch Einbruch in mein Denken entstandenen, und hier angetroffenen Bewusstseins-Inhalte erklären soll - eine Untersuchung die mein noch innerhalb meines Denkens wirkendes Kausalitäts-Bedürfnis gebieterisch fordert? - kann ich die Antwort geben: Es ist ein transzendentaler Grund. Es ist eine transzendentale Ursache. Ein Prinzip. Irgend Etwas. Ein Ding, das ich benamen kann, wie ich will, wenn ich nur nicht vergesse, dass die Sache jenseits meiner Erfahrung liegt, der Name aus der Erscheinungswelt stamt.

oder, wo mein Denken sich nicht mehr adäquat in der Erscheinungswelt manifestiren kann, gebrauche ich, als Ausdruk des Widerstandes, des Nicht-Weiter-Könnens, einen Laut, einen Ausdruk, der immer noch dieser Erscheinungs-Welt entnommen ist; – die einzige Möglichkeit, mich mit meinen der Erscheinungswelt angehörenden Nebenmenschen zu verständigen, und ihnen Kunde von meinem Denken zukommen zu lassen.

Hier also, wo ich effektiv nicht mehr weiter kann, habe ich ein Recht und die Pflicht ein Bild aus der Erscheinungswelt zu gebrauchen: Wenn ich, in der Absicht einen von mir eingeschlagenen Weg auf der Strassse zu verfolgen, plözlich vor einem Zaune stehe, der mich am Weiter-Gehen hindert, so kann ich immer noch, obwohl ich damit die Strasse, und damit meine Absicht, verlasse, auf den Zaun steigen, um drüben Aussicht zu halten, eventuell über den Zaun hinübersteigen. Hinübersteigen heisst lateinisch transcendere. Und hievon abgeleitet heisst transzendental in der Filosofie eine Untersuchung, in der ich das Gebiet der Erfahrung, sei es der Erfahrung im Denken sei es in der Erscheinungswelt, verlassen habe, oder zu verlassen im Begriffe bin. In eben diesem Falle befinden wir uns selbst. Auf die Frage also: was kann hinter meinem Denken für eine Quelle liegen, die nach den angestelten Untersuchungen weder bewusste noch materjelle Qualität an sich haben darf, aber die nicht auf assoziativem Wege sondern durch Einbruch in mein Denken entstandenen, und hier angetroffenen Bewusstseins-Inhalte erklären soll – eine Untersuchung die mein noch innerhalb meines Denkens wirkendes Kausalitäts-Bedürfnis gebieterisch fordert? – kann ich die Antwort geben: Es ist ein transzendentaler Grund. Es ist eine transzendentale Ursache. Ein Prinzip. Irgend Etwas. Ein Ding, das ich benamen kann, wie ich will, wenn ich nur nicht vergesse, dass die Sache jenseits meiner Erfahrung liegt, der Name aus der Erscheinungswelt stamt.

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[24/0025] oder, wo mein Denken sich nicht mehr adäquat in der Erscheinungswelt manifestiren kann, gebrauche ich, als Ausdruk des Widerstandes, des Nicht-Weiter-Könnens, einen Laut, einen Ausdruk, der immer noch dieser Erscheinungs-Welt entnommen ist; – die einzige Möglichkeit, mich mit meinen der Erscheinungswelt angehörenden Nebenmenschen zu verständigen, und ihnen Kunde von meinem Denken zukommen zu lassen. Hier also, wo ich effektiv nicht mehr weiter kann, habe ich ein Recht und die Pflicht ein Bild aus der Erscheinungswelt zu gebrauchen: Wenn ich, in der Absicht einen von mir eingeschlagenen Weg auf der Strassse zu verfolgen, plözlich vor einem Zaune stehe, der mich am Weiter-Gehen hindert, so kann ich immer noch, obwohl ich damit die Strasse, und damit meine Absicht, verlasse, auf den Zaun steigen, um drüben Aussicht zu halten, eventuell über den Zaun hinübersteigen. Hinübersteigen heisst lateinisch transcendere. Und hievon abgeleitet heisst transzendental in der Filosofie eine Untersuchung, in der ich das Gebiet der Erfahrung, sei es der Erfahrung im Denken sei es in der Erscheinungswelt, verlassen habe, oder zu verlassen im Begriffe bin. In eben diesem Falle befinden wir uns selbst. Auf die Frage also: was kann hinter meinem Denken für eine Quelle liegen, die nach den angestelten Untersuchungen weder bewusste noch materjelle Qualität an sich haben darf, aber die nicht auf assoziativem Wege sondern durch Einbruch in mein Denken entstandenen, und hier angetroffenen Bewusstseins-Inhalte erklären soll – eine Untersuchung die mein noch innerhalb meines Denkens wirkendes Kausalitäts-Bedürfnis gebieterisch fordert? – kann ich die Antwort geben: Es ist ein transzendentaler Grund. Es ist eine transzendentale Ursache. Ein Prinzip. Irgend Etwas. Ein Ding, das ich benamen kann, wie ich will, wenn ich nur nicht vergesse, dass die Sache jenseits meiner Erfahrung liegt, der Name aus der Erscheinungswelt stamt.

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Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/25>, abgerufen am 28.04.2024.