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Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

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Wir erkennen es nicht, wir sind nicht im Stande, jemanden über dasselbe zu belehren. Es ist verschieden von allem Bekannten und auch von allem Unbekannten' (Kena- oder Talava-Kara-Upanischad I. 3.). Das Brahma ist Geist nur in dem niedrigsten (äussersten) Sinne des Wortes, nur insofern es nicht Stoff, sondern wesentlich Kraft ist, - es ist aber nimmermehr Geist als selbst-bewusstes, denkendes, wollendes Wesen, ist nicht Persönlichkeit; alle an solche geistige Prädikate anklingenden Bezeichnungen des Urwesens sind dem ganzen Zusammenhang des indischen Bewusstseins gemäss nur als bildlicher Ausdruck zu fassen, sind eine die Natureinheit verbergende Maske. - Die Welt ist eine Emanation aus dem Brahma. Ihre Elemente gehen hervor aus der Unwissenheit oder Täuschung. - Die Vedanta-Philosophie stellt im Vedanta-Sara das Dilemma: Entweder existiert das Brahma und die Welt existiert nicht; oder die Welt existirt und das Brahma existiert nicht. Nun aber existirt das Brahma; also existirt die Welt in Wahrheit nicht. Das Unreale (der Welt) wird dem Realen (des Brahma) beigefügt durch Dafürhalten. Dies kommt von der Unwissenheit oder Täuschung. Durch diese Unwissenheit ist die Welt gebildet worden. - Der Philosoph, der ... seine Gedanken von der Aussenwelt ablenkt ... erkennt, dass alle Zweiheit Täuschung ist, dass alle Objekte in der Welt Brahma sind, dass er selbst Brahma ist. Subjekt und Objekt und die Beziehung zwischen denselben verschwindet." (Wurm, P., Geschichte der indischen Religion im Umriss dargestellt. Basel 1874, pag. 78. 80. 84-85. 118-119).


Wir erkennen es nicht, wir sind nicht im Stande, jemanden über dasselbe zu belehren. Es ist verschieden von allem Bekannten und auch von allem Unbekannten’ (Kêna- oder Talava-Kâra-Upanischad I. 3.). Das Brahma ist Geist nur in dem niedrigsten (äussersten) Sinne des Wortes, nur insofern es nicht Stoff, sondern wesentlich Kraft ist, – es ist aber nimmermehr Geist als selbst-bewusstes, denkendes, wollendes Wesen, ist nicht Persönlichkeit; alle an solche geistige Prädikate anklingenden Bezeichnungen des Urwesens sind dem ganzen Zusammenhang des indischen Bewusstseins gemäss nur als bildlicher Ausdruck zu fassen, sind eine die Natureinheit verbergende Maske. – Die Welt ist eine Emanation aus dem Brahma. Ihre Elemente gehen hervor aus der Unwissenheit oder Täuschung. – Die Vedanta-Philosophie stellt im Vedânta-Sâra das Dilemma: Entweder existiert das Brahma und die Welt existiert nicht; oder die Welt existirt und das Brahma existiert nicht. Nun aber existirt das Brahma; also existirt die Welt in Wahrheit nicht. Das Unreale (der Welt) wird dem Realen (des Brahma) beigefügt durch Dafürhalten. Dies kommt von der Unwissenheit oder Täuschung. Durch diese Unwissenheit ist die Welt gebildet worden. – Der Philosoph, der ... seine Gedanken von der Aussenwelt ablenkt ... erkennt, dass alle Zweiheit Täuschung ist, dass alle Objekte in der Welt Brahma sind, dass er selbst Brahma ist. Subjekt und Objekt und die Beziehung zwischen denselben verschwindet.“ (Wurm, P., Geschichte der indischen Religion im Umriss dargestellt. Basel 1874, pag. 78. 80. 84-85. 118-119).
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[26/0027] 1) 1) Wir erkennen es nicht, wir sind nicht im Stande, jemanden über dasselbe zu belehren. Es ist verschieden von allem Bekannten und auch von allem Unbekannten’ (Kêna- oder Talava-Kâra-Upanischad I. 3.). Das Brahma ist Geist nur in dem niedrigsten (äussersten) Sinne des Wortes, nur insofern es nicht Stoff, sondern wesentlich Kraft ist, – es ist aber nimmermehr Geist als selbst-bewusstes, denkendes, wollendes Wesen, ist nicht Persönlichkeit; alle an solche geistige Prädikate anklingenden Bezeichnungen des Urwesens sind dem ganzen Zusammenhang des indischen Bewusstseins gemäss nur als bildlicher Ausdruck zu fassen, sind eine die Natureinheit verbergende Maske. – Die Welt ist eine Emanation aus dem Brahma. Ihre Elemente gehen hervor aus der Unwissenheit oder Täuschung. – Die Vedanta-Philosophie stellt im Vedânta-Sâra das Dilemma: Entweder existiert das Brahma und die Welt existiert nicht; oder die Welt existirt und das Brahma existiert nicht. Nun aber existirt das Brahma; also existirt die Welt in Wahrheit nicht. Das Unreale (der Welt) wird dem Realen (des Brahma) beigefügt durch Dafürhalten. Dies kommt von der Unwissenheit oder Täuschung. Durch diese Unwissenheit ist die Welt gebildet worden. – Der Philosoph, der ... seine Gedanken von der Aussenwelt ablenkt ... erkennt, dass alle Zweiheit Täuschung ist, dass alle Objekte in der Welt Brahma sind, dass er selbst Brahma ist. Subjekt und Objekt und die Beziehung zwischen denselben verschwindet.“ (Wurm, P., Geschichte der indischen Religion im Umriss dargestellt. Basel 1874, pag. 78. 80. 84-85. 118-119).

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Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/27>, abgerufen am 27.04.2024.