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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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träumen kann, und der ihn doch immer mit Erinnerungen quält. Er konnte sich nicht fassen, er stand regungslos da, und war keines Wortes mächtig.

Thalheim hatte das Zimmer verlassen.

"Nun Jaromir," flüsterte endlich Amalie, "Du bist gekommen, aber Du hast kein Wort für mich?"

"Es liegt Viel zwischen dem Heut und unserer letzten Zusammenkunft," sagte er, "aber auch eine lange Zeit ist seitdem verflossen, und wir könnten einander jetzt ruhig gegenüberstehen, wenn der Zufall uns anders zusammengeführt hätte, als heute und hier."

"Als durch meinen Gatten, meinst Du? -- Jaromir, kannst Du mir vergeben, wenn ich Dir sage, was ich um Dich gelitten?"

"Sei ruhig," sagte er, "ich habe Dir längst vergeben. -- Warum überhaupt diese Erinnerungen wecken an Schmerzen, die ja nun überwunden, an Kämpfe, die nun ausgekämpft sind? -- --"

"Ja, ausgekämpft, wenn das Leben aus ist -- bei mir nicht eher! -- Jaromir -- ich habe es wohl gesehen, wie Du verlangend nach meinen Fenstern spähtest, bis ich Dir die Rose sandte -- ich sah, wie ich Dir noch theuer war, und deshalb dachte ich, wir müßten uns noch ein Mal in diesem Leben wiedersehen."

Es war ihm peinlich -- aber er nahm ihr ihren süßen

träumen kann, und der ihn doch immer mit Erinnerungen quält. Er konnte sich nicht fassen, er stand regungslos da, und war keines Wortes mächtig.

Thalheim hatte das Zimmer verlassen.

„Nun Jaromir,“ flüsterte endlich Amalie, „Du bist gekommen, aber Du hast kein Wort für mich?“

„Es liegt Viel zwischen dem Heut und unserer letzten Zusammenkunft,“ sagte er, „aber auch eine lange Zeit ist seitdem verflossen, und wir könnten einander jetzt ruhig gegenüberstehen, wenn der Zufall uns anders zusammengeführt hätte, als heute und hier.“

„Als durch meinen Gatten, meinst Du? — Jaromir, kannst Du mir vergeben, wenn ich Dir sage, was ich um Dich gelitten?“

„Sei ruhig,“ sagte er, „ich habe Dir längst vergeben. — Warum überhaupt diese Erinnerungen wecken an Schmerzen, die ja nun überwunden, an Kämpfe, die nun ausgekämpft sind? — —“

„Ja, ausgekämpft, wenn das Leben aus ist — bei mir nicht eher! — Jaromir — ich habe es wohl gesehen, wie Du verlangend nach meinen Fenstern spähtest, bis ich Dir die Rose sandte — ich sah, wie ich Dir noch theuer war, und deshalb dachte ich, wir müßten uns noch ein Mal in diesem Leben wiedersehen.“

Es war ihm peinlich — aber er nahm ihr ihren süßen

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[74/0084] träumen kann, und der ihn doch immer mit Erinnerungen quält. Er konnte sich nicht fassen, er stand regungslos da, und war keines Wortes mächtig. Thalheim hatte das Zimmer verlassen. „Nun Jaromir,“ flüsterte endlich Amalie, „Du bist gekommen, aber Du hast kein Wort für mich?“ „Es liegt Viel zwischen dem Heut und unserer letzten Zusammenkunft,“ sagte er, „aber auch eine lange Zeit ist seitdem verflossen, und wir könnten einander jetzt ruhig gegenüberstehen, wenn der Zufall uns anders zusammengeführt hätte, als heute und hier.“ „Als durch meinen Gatten, meinst Du? — Jaromir, kannst Du mir vergeben, wenn ich Dir sage, was ich um Dich gelitten?“ „Sei ruhig,“ sagte er, „ich habe Dir längst vergeben. — Warum überhaupt diese Erinnerungen wecken an Schmerzen, die ja nun überwunden, an Kämpfe, die nun ausgekämpft sind? — —“ „Ja, ausgekämpft, wenn das Leben aus ist — bei mir nicht eher! — Jaromir — ich habe es wohl gesehen, wie Du verlangend nach meinen Fenstern spähtest, bis ich Dir die Rose sandte — ich sah, wie ich Dir noch theuer war, und deshalb dachte ich, wir müßten uns noch ein Mal in diesem Leben wiedersehen.“ Es war ihm peinlich — aber er nahm ihr ihren süßen

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/84>, abgerufen am 26.04.2024.