Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite

gen/ heulen/ seuffzen vnd dergleichen handelt. Von derer zu-
gehör schreibet vornemlich Aristoteles/ vnd etwas weitleuffti-
ger Daniel Heinsius; die man lesen kan.

Die Comedie bestehet in schlechtem wesen vnnd personen:
redet von hochzeiten/ gastgeboten/ spielen/ betrug vnd schalck-
heit der knechte/ ruhmrätigen Landtsknechten/ buhlersachen/
leichtfertigkeit der jugend/ geitze des alters/ kupplerey vnd sol-
chen sachen/ die täglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen Ha-
ben derowegen die/ welche heutiges tages Comedien geschrie-
ben/ weit geirret/ die Keyser vnd Potentaten eingeführet weil
solches den regeln der Comedien schnurstracks zuewieder laufft.

Zue einer Satyra gehören zwey dinge: die lehre von gueten
sitten vnd ehrbaren wandel/ vnd höffliche reden vndschertzwor-
te. Jhr vornemstes aber vnd gleichsam als die seele ist/ die har-
te verweisung der laster vnd anmahnung zue der tugend: welch-
es zue vollbringen sie mit allerley stachligen vnd spitzfindigen re-
den/ wie mit scharffen pfeilen/ vmb sich scheußt. Vnd haben
alle Satyrische scribenten zum gebrauche/ das sie vngeschewet
sich vor feinde aller laster angeben/ vnd jhrer besten freunde ja
jhrer selbst auch nicht verschonen/ damit sie nur andere bestechen
mögen: wie es denn alle drey Horatius/ Juuenalis vnnd Per-
sius meisterlich an den tag gegeben.

Das Epigramma setze ich darumb zue der Satyra/ weil die
Satyra ein lang Epigramma/ vnd das Epigramma eine kurt-
ze Satyra ist: denn die kurtze ist seine eigenschafft/ vnd die spitz-
findigkeit gleichsam seine seele vnd gestallt; die sonderlich an dem
ende erscheinet/ das allezeit anders als wir verhoffet hetten ge-
fallen soll: in welchem auch die spitzfindigkeit vornemlich beste-
het. Wiewol aber das Epigramma aller sachen vnnd wörter
fähig ist/ soll es doch lieber in Venerischem wesen/ vberschriff-
ten der begräbniße vnd gebäwe/ Lobe vornemer Männer vnd
Frawen/ kurtzweiligen schertzreden vnnd anderem/ es sey was

es

gen/ heulen/ ſeuffzen vnd dergleichen handelt. Von derer zu-
gehoͤr ſchreibet vornemlich Ariſtoteles/ vnd etwas weitleuffti-
ger Daniel Heinſius; die man leſen kan.

Die Comedie beſtehet in ſchlechtem weſen vnnd perſonen:
redet von hochzeiten/ gaſtgeboten/ ſpielen/ betrug vnd ſchalck-
heit der knechte/ ruhmraͤtigen Landtsknechten/ buhlerſachen/
leichtfertigkeit der jugend/ geitze des alters/ kupplerey vnd ſol-
chen ſachen/ die taͤglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen Ha-
ben derowegen die/ welche heutiges tages Comedien geſchrie-
ben/ weit geirret/ die Keyſer vnd Potentaten eingefuͤhret weil
ſolches den regeln der Comedien ſchnurſtracks zuewieder laufft.

Zue einer Satyra gehoͤren zwey dinge: die lehre von gueten
ſitten vnd ehrbaren wandel/ vnd hoͤffliche reden vndſchertzwor-
te. Jhr vornemſtes aber vnd gleichſam als die ſeele iſt/ die har-
te verweiſung der laſter vnd anmahnung zue der tugend: welch-
es zue vollbringen ſie mit allerley ſtachligen vnd ſpitzfindigen re-
den/ wie mit ſcharffen pfeilen/ vmb ſich ſcheußt. Vnd haben
alle Satyriſche ſcribenten zum gebrauche/ das ſie vngeſchewet
ſich vor feinde aller laſter angeben/ vnd jhrer beſten freunde ja
jhrer ſelbſt auch nicht verſchonen/ damit ſie nur andere beſtechẽ
moͤgen: wie es denn alle drey Horatius/ Juuenalis vnnd Per-
ſius meiſterlich an den tag gegeben.

Das Epigramma ſetze ich darumb zue der Satyra/ weil die
Satyra ein lang Epigramma/ vnd das Epigramma eine kurt-
ze Satyra iſt: denn die kurtze iſt ſeine eigenſchafft/ vnd die ſpitz-
findigkeit gleichſam ſeine ſeele vñ geſtallt; die ſonderlich an dem
ende erſcheinet/ das allezeit anders als wir verhoffet hetten ge-
fallen ſoll: in welchem auch die ſpitzfindigkeit vornemlich beſte-
het. Wiewol aber das Epigramma aller ſachen vnnd woͤrter
faͤhig iſt/ ſoll es doch lieber in Veneriſchem weſen/ vberſchriff-
ten der begraͤbniße vnd gebaͤwe/ Lobe vornemer Maͤnner vnd
Frawen/ kurtzweiligen ſchertzreden vnnd anderem/ es ſey was

es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034"/>
gen/ heulen/ &#x017F;euffzen vnd dergleichen handelt. Von derer zu-<lb/>
geho&#x0364;r &#x017F;chreibet vornemlich Ari&#x017F;toteles/ vnd etwas weitleuffti-<lb/>
ger Daniel Hein&#x017F;ius; die man le&#x017F;en kan.</p><lb/>
        <p>Die Comedie be&#x017F;tehet in &#x017F;chlechtem we&#x017F;en vnnd per&#x017F;onen:<lb/>
redet von hochzeiten/ ga&#x017F;tgeboten/ &#x017F;pielen/ betrug vnd &#x017F;chalck-<lb/>
heit der knechte/ ruhmra&#x0364;tigen Landtsknechten/ buhler&#x017F;achen/<lb/>
leichtfertigkeit der jugend/ geitze des alters/ kupplerey vnd &#x017F;ol-<lb/>
chen &#x017F;achen/ die ta&#x0364;glich vnter gemeinen Leuten vorlauffen Ha-<lb/>
ben derowegen die/ welche heutiges tages Comedien ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben/ weit geirret/ die Key&#x017F;er vnd Potentaten eingefu&#x0364;hret weil<lb/>
&#x017F;olches den regeln der Comedien &#x017F;chnur&#x017F;tracks zuewieder laufft.</p><lb/>
        <p>Zue einer Satyra geho&#x0364;ren zwey dinge: die lehre von gueten<lb/>
&#x017F;itten vnd ehrbaren wandel/ vnd ho&#x0364;ffliche reden vnd&#x017F;chertzwor-<lb/>
te. Jhr vornem&#x017F;tes aber vnd gleich&#x017F;am als die &#x017F;eele i&#x017F;t/ die har-<lb/>
te verwei&#x017F;ung der la&#x017F;ter vnd anmahnung zue der tugend: welch-<lb/>
es zue vollbringen &#x017F;ie mit allerley &#x017F;tachligen vnd &#x017F;pitzfindigen re-<lb/>
den/ wie mit &#x017F;charffen pfeilen/ vmb &#x017F;ich &#x017F;cheußt. Vnd haben<lb/>
alle Satyri&#x017F;che &#x017F;cribenten zum gebrauche/ das &#x017F;ie vnge&#x017F;chewet<lb/>
&#x017F;ich vor feinde aller la&#x017F;ter angeben/ vnd jhrer be&#x017F;ten freunde ja<lb/>
jhrer &#x017F;elb&#x017F;t auch nicht ver&#x017F;chonen/ damit &#x017F;ie nur andere be&#x017F;teche&#x0303;<lb/>
mo&#x0364;gen: wie es denn alle drey Horatius/ Juuenalis vnnd Per-<lb/>
&#x017F;ius mei&#x017F;terlich an den tag gegeben.</p><lb/>
        <p>Das Epigramma &#x017F;etze ich darumb zue der Satyra/ weil die<lb/>
Satyra ein lang Epigramma/ vnd das Epigramma eine kurt-<lb/>
ze Satyra i&#x017F;t: denn die kurtze i&#x017F;t &#x017F;eine eigen&#x017F;chafft/ vnd die &#x017F;pitz-<lb/>
findigkeit gleich&#x017F;am &#x017F;eine &#x017F;eele vn&#x0303; ge&#x017F;tallt; die &#x017F;onderlich an dem<lb/>
ende er&#x017F;cheinet/ das allezeit anders als wir verhoffet hetten ge-<lb/>
fallen &#x017F;oll: in welchem auch die &#x017F;pitzfindigkeit vornemlich be&#x017F;te-<lb/>
het. Wiewol aber das Epigramma aller &#x017F;achen vnnd wo&#x0364;rter<lb/>
fa&#x0364;hig i&#x017F;t/ &#x017F;oll es doch lieber in Veneri&#x017F;chem we&#x017F;en/ vber&#x017F;chriff-<lb/>
ten der begra&#x0364;bniße vnd geba&#x0364;we/ Lobe vornemer Ma&#x0364;nner vnd<lb/>
Frawen/ kurtzweiligen &#x017F;chertzreden vnnd anderem/ es &#x017F;ey was<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0034] gen/ heulen/ ſeuffzen vnd dergleichen handelt. Von derer zu- gehoͤr ſchreibet vornemlich Ariſtoteles/ vnd etwas weitleuffti- ger Daniel Heinſius; die man leſen kan. Die Comedie beſtehet in ſchlechtem weſen vnnd perſonen: redet von hochzeiten/ gaſtgeboten/ ſpielen/ betrug vnd ſchalck- heit der knechte/ ruhmraͤtigen Landtsknechten/ buhlerſachen/ leichtfertigkeit der jugend/ geitze des alters/ kupplerey vnd ſol- chen ſachen/ die taͤglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen Ha- ben derowegen die/ welche heutiges tages Comedien geſchrie- ben/ weit geirret/ die Keyſer vnd Potentaten eingefuͤhret weil ſolches den regeln der Comedien ſchnurſtracks zuewieder laufft. Zue einer Satyra gehoͤren zwey dinge: die lehre von gueten ſitten vnd ehrbaren wandel/ vnd hoͤffliche reden vndſchertzwor- te. Jhr vornemſtes aber vnd gleichſam als die ſeele iſt/ die har- te verweiſung der laſter vnd anmahnung zue der tugend: welch- es zue vollbringen ſie mit allerley ſtachligen vnd ſpitzfindigen re- den/ wie mit ſcharffen pfeilen/ vmb ſich ſcheußt. Vnd haben alle Satyriſche ſcribenten zum gebrauche/ das ſie vngeſchewet ſich vor feinde aller laſter angeben/ vnd jhrer beſten freunde ja jhrer ſelbſt auch nicht verſchonen/ damit ſie nur andere beſtechẽ moͤgen: wie es denn alle drey Horatius/ Juuenalis vnnd Per- ſius meiſterlich an den tag gegeben. Das Epigramma ſetze ich darumb zue der Satyra/ weil die Satyra ein lang Epigramma/ vnd das Epigramma eine kurt- ze Satyra iſt: denn die kurtze iſt ſeine eigenſchafft/ vnd die ſpitz- findigkeit gleichſam ſeine ſeele vñ geſtallt; die ſonderlich an dem ende erſcheinet/ das allezeit anders als wir verhoffet hetten ge- fallen ſoll: in welchem auch die ſpitzfindigkeit vornemlich beſte- het. Wiewol aber das Epigramma aller ſachen vnnd woͤrter faͤhig iſt/ ſoll es doch lieber in Veneriſchem weſen/ vberſchriff- ten der begraͤbniße vnd gebaͤwe/ Lobe vornemer Maͤnner vnd Frawen/ kurtzweiligen ſchertzreden vnnd anderem/ es ſey was es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/34
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/34>, abgerufen am 27.04.2024.