ration, der nicht auf gegenseitiger, erzieherischer Beeinflus- sung, Offenheit und Freundschaft beruht, sondern auf einer falschverstandenen Auslegung des Begriffs: Ritter- lichkeit.
Allerdings, manches ist jetzt anders geworden. Die Mädchen gerade derjenigen Stände, die für die Universi- tät in Betracht kommen, fühlen oft ihre unwürdige Stel- lung zu Hause, den Mangel einer regelmäßigen Tätig- keit, das Ueberflüssigsein, die Einengung in einen engen Jdeenkreis, das Fernhalten von der Wirklichkeit. Viele fühlen den Gegensatz ihres Wissens zu dem, was das mo- derne Leben leistet, die Unkenntnis auch in den alltäglichsten Dingen, die mangelhafte Vorbereitung für die Hauswirt- schaft, Kinder- und Krankenpflege. Dann kommen die Wünsche nach einer geregelten täglichen Arbeit, das Ver- langen nach einem richtigen Beruf.
III.
Heutzutage macht man einem jungen Mädchen, das einen akademischen Beruf ergreifen oder akademische Bil- dung sich aneignen will, nicht mehr solche Schwierigkeiten wie früher. Jm Gegenteil, es liegt ein gewisser Stolz für die Eltern darin, auf eine studierende Tochter hin- weisen zu können. Es läßt sich gut damit vor Verwandten und Bekannten prahlen, namentlich, wenn sich das junge Mädchen durch einen Riesenfleiß, die besten Zeugnisse im Gymnasium auszeichnet und ein glänzendes Doktor- diplom holt. Da können die Eltern manchmal kindisch in der Beurteilung der Leistungen ihrer Töchter sein. - Die äußeren Schwierigkeiten wären also überwunden, aber wie steht es mit den Konsequenzen für die Erziehung eines studierenden Mädchens? Ein Menschenkind von fünfund- zwanzig Jahren, das am Krankenbette steht und entscheiden
ration, der nicht auf gegenseitiger, erzieherischer Beeinflus- sung, Offenheit und Freundschaft beruht, sondern auf einer falschverstandenen Auslegung des Begriffs: Ritter- lichkeit.
Allerdings, manches ist jetzt anders geworden. Die Mädchen gerade derjenigen Stände, die für die Universi- tät in Betracht kommen, fühlen oft ihre unwürdige Stel- lung zu Hause, den Mangel einer regelmäßigen Tätig- keit, das Ueberflüssigsein, die Einengung in einen engen Jdeenkreis, das Fernhalten von der Wirklichkeit. Viele fühlen den Gegensatz ihres Wissens zu dem, was das mo- derne Leben leistet, die Unkenntnis auch in den alltäglichsten Dingen, die mangelhafte Vorbereitung für die Hauswirt- schaft, Kinder- und Krankenpflege. Dann kommen die Wünsche nach einer geregelten täglichen Arbeit, das Ver- langen nach einem richtigen Beruf.
III.
Heutzutage macht man einem jungen Mädchen, das einen akademischen Beruf ergreifen oder akademische Bil- dung sich aneignen will, nicht mehr solche Schwierigkeiten wie früher. Jm Gegenteil, es liegt ein gewisser Stolz für die Eltern darin, auf eine studierende Tochter hin- weisen zu können. Es läßt sich gut damit vor Verwandten und Bekannten prahlen, namentlich, wenn sich das junge Mädchen durch einen Riesenfleiß, die besten Zeugnisse im Gymnasium auszeichnet und ein glänzendes Doktor- diplom holt. Da können die Eltern manchmal kindisch in der Beurteilung der Leistungen ihrer Töchter sein. – Die äußeren Schwierigkeiten wären also überwunden, aber wie steht es mit den Konsequenzen für die Erziehung eines studierenden Mädchens? Ein Menschenkind von fünfund- zwanzig Jahren, das am Krankenbette steht und entscheiden
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[15/0014]
ration, der nicht auf gegenseitiger, erzieherischer Beeinflus-
sung, Offenheit und Freundschaft beruht, sondern auf
einer falschverstandenen Auslegung des Begriffs: Ritter-
lichkeit.
Allerdings, manches ist jetzt anders geworden. Die
Mädchen gerade derjenigen Stände, die für die Universi-
tät in Betracht kommen, fühlen oft ihre unwürdige Stel-
lung zu Hause, den Mangel einer regelmäßigen Tätig-
keit, das Ueberflüssigsein, die Einengung in einen engen
Jdeenkreis, das Fernhalten von der Wirklichkeit. Viele
fühlen den Gegensatz ihres Wissens zu dem, was das mo-
derne Leben leistet, die Unkenntnis auch in den alltäglichsten
Dingen, die mangelhafte Vorbereitung für die Hauswirt-
schaft, Kinder- und Krankenpflege. Dann kommen die
Wünsche nach einer geregelten täglichen Arbeit, das Ver-
langen nach einem richtigen Beruf.
III.
Heutzutage macht man einem jungen Mädchen, das
einen akademischen Beruf ergreifen oder akademische Bil-
dung sich aneignen will, nicht mehr solche Schwierigkeiten
wie früher. Jm Gegenteil, es liegt ein gewisser Stolz
für die Eltern darin, auf eine studierende Tochter hin-
weisen zu können. Es läßt sich gut damit vor Verwandten
und Bekannten prahlen, namentlich, wenn sich das junge
Mädchen durch einen Riesenfleiß, die besten Zeugnisse
im Gymnasium auszeichnet und ein glänzendes Doktor-
diplom holt. Da können die Eltern manchmal kindisch
in der Beurteilung der Leistungen ihrer Töchter sein. –
Die äußeren Schwierigkeiten wären also überwunden, aber
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studierenden Mädchens? Ein Menschenkind von fünfund-
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Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/14>, abgerufen am 16.07.2024.
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