Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849.[Spaltenumbruch]
beiderseits mit einander und man fühle sich in dem Haß gegen Pins IX. * Rom, 24 März. Den Antrag der Republik den Eid zu schwören Florenz. = Florenz, 20 März. Wie steht es in Italien mit den republi- [Spaltenumbruch]
beiderſeits mit einander und man fühle ſich in dem Haß gegen Pins IX. * Rom, 24 März. Den Antrag der Republik den Eid zu ſchwören Florenz. = Florenz, 20 März. Wie ſteht es in Italien mit den republi- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0012" n="1428"/><cb/> beiderſeits mit einander und man fühle ſich in dem Haß gegen Pins <hi rendition="#aq">IX.</hi><lb/> eng vereint. Trotz der ſchlechten Zeiten, über welche ſelbſt die Schuhma-<lb/> cher klagen, bleibt Pasquino der Alte. Als er den neugebornen Adler der<lb/> römiſchen Republik zu Geſicht bekam, meinte er anfangs er ſey wie ein<lb/> Phönix ans der Aſche entſtanden. Bald aber bemerkte er daß die blan-<lb/> ken Geldſtücke auf welche er aufgeprägt iſt, jene verrufenen Blechmünzen<lb/> ſind welche nach dem Zugeſtändniß des Gouvernements ſelbſt 60 Procent<lb/> unter dem Werth ſtehen. Da er dieß gewahr wurde mäßigte er ſein Stau-<lb/> nen, und entließ den ſtolzen Vogel mit der Benennung <hi rendition="#aq">Gaza latra,</hi> das<lb/> heißt verdeutſcht diebiſche Elſter.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Rom,</hi> 24 März.</dateline><lb/> <p>Den Antrag der Republik den Eid zu ſchwören<lb/> haben die Schweizerregimenter abgelehnt und löſen ſich auf. Nur die Artil-<lb/> lerie unter Major Lentulus hat Dienſte genommen. Vor ihrem Abzug<lb/> aus Bologna verlangten die Regimenter den Capitulationen von 1831<lb/> gemäß ihren Sold bis 1850. Der Präfect der Provinz von Bologna<lb/> wollte ſie hinhalten, endlich aber gab er Befehl die Soldaten vertrags-<lb/> mäßig zu bezahlen. Allein da man die Löhnung in Treſorſcheinen, nicht<lb/> in klingender Münze auszahlen wollte, bemächtigten ſie ſich der Artillerie,<lb/> fuhren ſie an der Hauptſtraße auf und drohten Ernſt zu machen. 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Es iſt überdieß ſo naiv<lb/> als möglich die modernen Republicaner von den venezianiſchen und genue-<lb/> ſiſchen Traditionen reden zu hören, gleichſam als paßten dieſe ariſtokrati-<lb/> ſchen Reminiſcenzen in ihren demo- oder richtiger ochlokratiſchen Kram.<lb/> Es wäre ungefähr als wollte ein Vertheidiger der Monarchie Rußland und<lb/> Großbritannien in eine Linie ſtellen. Die republicaniſchen Ideen in Ita-<lb/> lien ſind Hirngeſpinnſte und Velleitäten einer Zahl von Leuten, die vor<lb/> ein paar Jahren ſo klein war daß man ſie ohne Mühe zählen konnte, die<lb/> in einem andern Lande höchſtens gereicht haben würde einen Hecker’ſchen<lb/> Putſch auszuführen, wie denn derſelbe Hr. Mazzini, der jetzt eine ſo große<lb/> Rolle ſpielt, es vorlängſt als Satellit des Generals Ramorino (doch im-<lb/> mer beim Nachtrab) in Savoyen verſuchte, und die ſeitdem nur in Folge<lb/> der kläglichen Schwäche der Regierungen und der ſchmachvollen Inſub-<lb/> ordination und Defection der bewaffneten Macht Bedeutung erlangt hat,<lb/> nachdem ſie noch im vergangenen Sommer in der Lombardei nichts anderes<lb/> als Störung und Spaltung zuwegegebracht hatte. Das völlig Utopiſti-<lb/> ſche ihrer Anſichten und Plane ſpricht ſich mehr denn in anderm in Maz-<lb/> zini’s Reden aus, welche für dieſe Richtung um ſo charakteriſtiſcher ſind,<lb/> da er einer der wenigen ehrlichen unter dieſen Republicanern iſt. Nach<lb/> ſeiner Anſicht iſt <hi rendition="#g">jede</hi> gouvernementale Umgeſtaltung im Sinne der Re-<lb/> publik ein Fortſchritt — eine Behauptung deren Lächerlichkeit ſelbſt den<lb/> Vernünftigen ſeiner Partei ſogleich in die Augen fallen muß. 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Unter den<lb/> italieniſchen Republicanern darf endlich von Principien- Unterſchieden<lb/> nicht die Rede ſeyn (er ſcheint aber doch von Reactionären eine leiſe<lb/> Ahnung zu haben, wie unſer lieber Pöbel wenn er die Magiſtrate und<lb/> andere ruhige Leute verfolgt und nach dem Gefängniß ſchleppt), unter<lb/> allen in der römiſchen Verſammlung Sitzenden iſt keiner der aufftehen<lb/> und ohne ſich Meineids ſchuldig zu machen ſagen könnte: ich bin kein<lb/> Republicaner. „Wir wollen die Republik gründen“, fährt Hr. Maz-<lb/> zini fort (Wie das, iſt der Grundſtein noch nicht auf dem Capitol ge-<lb/> legt?), „wir verſtehen unter Republik nicht eine bloße Regierungsform,<lb/> einen Namen, ein Werk der Reaction von Partei gegen Partei, von Siegern<lb/> gegen Beſiegte. Wir verſtehen darunter ein Princip, einen vom Volk er-<lb/> rungenen Grad der Erziehung, ein zu entwickelndes Erziehungsprogramm,<lb/> eine politiſche Inſtitution, fähig moraliſche Beſſerung hervorzubringen.<lb/> Wir verſtehen darunter das Syſtem welches die Freiheit hervorbringen<lb/> muß, die Gleichheit und Affociation; wir wollen eine Regierung gründen,<lb/> nicht wie die conſtitutionellen Theoretiker ſie begreifen, mit einem Wuſt<lb/> organiſirter Garantien die im Grunde zu nichts da ſind als das Mißtrauen<lb/> zu nähren, ſondern eine Regierung die auf vollkommener Harmonie beruht,<lb/> welche dem Volke nur Inſpirationen gibt, welche die Wünſche des Volks<lb/> reinigt und verklärt, welche ſich nur mit Männern umgibt an denen das<lb/> Volk auch nicht die leiſeſte Makel auffinden kann. (Wie mußte da mancher<lb/> erröthen!) Iſt einer da der eine ſolche Regierung für unmöglich halten<lb/> könnte? Und wozu ſollen denn unter uns Meinungsverſchiedenheiten ob-<lb/> walten?“ Mit ſolchen Phantaſien unterhält Hr. Mazzini die Römer, welche<lb/> nach Scudi und Bajocchi ſeufzen und ſchöne Worte und ſchlechtes Geld<lb/> erhalten, und der Fürſt von Canino der von Poeſte und Utopien gerade<lb/> kein Freund iſt wenn letztere nicht zu ſeinen eigenen Planen helfen, be-<lb/> merkt — als niederſchlagendes Pulver — das ſey alles ganz herrlich was<lb/> der große Italiener vorbringe, aber der Menſch ſey geſchaffen auf der Erde<lb/> und nicht im reinen Himmel der Doctrin zu reden, möge dieſe eines rege-<lb/> nerirten Volkes immer noch ſo würdig ſeyn; in beinahe allen Verſamm-<lb/> lungen gebe es eine Rechte, eine Linke in beinahe allen; er ſehe wohlbeſetzte<lb/> Bänke auf der Rechten, Bänke auf der Linken die nicht minder ſeine Sym-<lb/> pathie in Anſpruch nähmen. 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beiderſeits mit einander und man fühle ſich in dem Haß gegen Pins IX.
eng vereint. Trotz der ſchlechten Zeiten, über welche ſelbſt die Schuhma-
cher klagen, bleibt Pasquino der Alte. Als er den neugebornen Adler der
römiſchen Republik zu Geſicht bekam, meinte er anfangs er ſey wie ein
Phönix ans der Aſche entſtanden. Bald aber bemerkte er daß die blan-
ken Geldſtücke auf welche er aufgeprägt iſt, jene verrufenen Blechmünzen
ſind welche nach dem Zugeſtändniß des Gouvernements ſelbſt 60 Procent
unter dem Werth ſtehen. Da er dieß gewahr wurde mäßigte er ſein Stau-
nen, und entließ den ſtolzen Vogel mit der Benennung Gaza latra, das
heißt verdeutſcht diebiſche Elſter.
* Rom, 24 März.
Den Antrag der Republik den Eid zu ſchwören
haben die Schweizerregimenter abgelehnt und löſen ſich auf. Nur die Artil-
lerie unter Major Lentulus hat Dienſte genommen. Vor ihrem Abzug
aus Bologna verlangten die Regimenter den Capitulationen von 1831
gemäß ihren Sold bis 1850. Der Präfect der Provinz von Bologna
wollte ſie hinhalten, endlich aber gab er Befehl die Soldaten vertrags-
mäßig zu bezahlen. Allein da man die Löhnung in Treſorſcheinen, nicht
in klingender Münze auszahlen wollte, bemächtigten ſie ſich der Artillerie,
fuhren ſie an der Hauptſtraße auf und drohten Ernſt zu machen. Die Na-
tionalgarde verſuchte vergeblich zu vermitteln, die Schweizertruppen blie-
ben in der drohenden Stellung. Endlich brachte man in der Regierung und
im Gemeinderath 40,000 Scudi in Münze zuſammen und ſtellte ſie der
Regimentscaſſe zu, allein dieß war nicht ausreichend. Dem Vermuthen
nach werden die Schweizer von ihrem Verlangen nicht abſtehen und es
könnte leicht Händel geben. Geſtern kamen allein drei Staffetten von Bo-
logna hier an und der Miniſter des Innern hielt geheime Sitzung mit dem
Executiv-Comité. Vergangene Nacht brachen wieder Truppen nach der
Gränze auf. Garibaldi ſoll mit ſeiner Legion in der Lombardei operiren.
Glaubwürdige Briefe von Perſonen aus der Umgebung Pius IX ver-
ſichern daß Ende dieſes Monats Se. Heiligkeit ſich von Gaëta wegbegeben,
und auf ſeiner Reiſe vielleicht durch Rom gehen werde. Daher glaubt man
um ſo eifriger an eine Wiederherſtellung der päpſtlichen Regierung vor
Ende März. Manche Vorkehrung läßt vermuthen daß Se. Heiligkeit ſich
einige Tage in Marſeille aufhalten und dann nach Spanien gehen will.
Florenz.
= Florenz, 20 März.
Wie ſteht es in Italien mit den republi-
caniſchen Ideen? Sie ſind, wenn man die Maſſen nimmt, eine ſo kühne
wie willkürliche Fiction. Es macht einen ſeltſamen Eindruck die hieſige
proviſoriſche Regierung mit hochtrabendem Wortſchwall verkündigen zu
hören: nach 317 Jahren tyranniſcher Alleingewalt iſt Toscana wieder eine
Republik geworden, als wenn es möglich wäre durch ein paar Proclama-
tionen und ein paar Clubberathungen und lärmende Verſammlungen
unter der Loggia de’Lanzi plötzlich den Geiſt einer ganzen Bevölkerung
umzuändern. Es war einmal eine Republik da, aber die iſt vor dreihun-
dert und einigen Jahren zu Grabe getragen worden, nicht etwa bloß weil ein
Kaiſer und ein Papſt ſich gegen ſie verſchworen, ſondern weil dieſe Gat-
tung der Demokratie, mag ſie poetiſch noch ſo glänzend erſcheinen, aus
innern Gründen nicht mehr möglich war, und entweder Einzelherrſchaft
daraus hervorgehen mußte oder ein Adelsregiment wie in Venedig, in Genua
und Lucca. Man höre alſo endlich auf an dieſe Erinnerungen zu appelli-
ren: das Florenz von 1848 bis 1849 hat von dem Florenz des Mittel-
alters nichts gelernt als das Tumultuiren auf Markt und Gaſſe, welches
man jetzt Demonſtration nennt und wodurch man damals eine Faction
ſtürzte, heute ein Miniſterium oder eine Dynaſtie. Und etwa noch den
Mißbrauch den man mit dem Worte popolo trieb — ein Mißbrauch
heute unendlich großartiger als jemals, indem jeder zerlumpte Menſchen-
knäuel, zu zwei Crazien der Kopf gekauft, eine oder ein paar Banner
voraus, wie jeder Hauswinkel ſie liefert, mit dem ſchönen Namen Popolo
paradirt und von dem jedesmaligen Präſidenten des neuen Gemeinweſens
von der Ringhiera des alten Palaſtes herab mit ekelhafter Schmeichelei damit
begrüßt wird. Der demokratiſchen Elemente gibt es ſehr viele in Toscana,
aber ſie ſind nicht von der Art eine Republik zu conſtituiren; wäre der
Moment nicht ſo ernſt und trauervoll, er böte den ſchönſten Stoff zu einem
risum teneatis, wenn man die Declamationen der jetzigen Volksführer
hört, die wie Haruſpices lachen mögen wenn ſie ſelbander ſind. Die pro-
viſoriſche Regierung, in ihrer Verwahrung gegen die großherzoglichen
Proteſte, nennt die Toscaner «Popoli innocentissimi»; ſie hat ganz
Recht, aber die innocenza der Toscaner beſteht vor allem in der Einfalt
und Geduld womit ſie ſich von dieſen Herren weiß für ſchwarz vormachen
laſſen. Die republicaniſchen Ideen, um auf dieſe zurückzukommen, ſind
in Italien völlig illuſoriſch. Wie Toscana iſt auch Rom eine Republik
ohne Republicaner; in Venedig ſelbſt haben dieſe Ideen lediglich auf der
Oberfläche gelegen, und das Viva San Marco hatte keinen viel tieferen
Grund als den der Opportunität; was Genua betrifft, wo man neuer-
dings mit Republicanismus ſo vielen Lärm getrieben hat, ſo bin ich ſehr
geneigt mit Terenzio Mamiani, der die Genueſen kennt, an der praktiſchen
Vorliebe derſelben für den Freiſtaat zu zweifeln, während es wahr ſeyn
mag daß, wie er ſagt, in Folge dreißigjähriger Erfahrung es keinen dor-
tigen Bürger gibt der nicht innegeworden und offen bekenne daß die Ver-
bindung mit der ſavoyiſchen Monarchie für Genua in Hinſicht des Handels
wie der politiſchen Bedeutung höchſt nützlich ſey. Es iſt überdieß ſo naiv
als möglich die modernen Republicaner von den venezianiſchen und genue-
ſiſchen Traditionen reden zu hören, gleichſam als paßten dieſe ariſtokrati-
ſchen Reminiſcenzen in ihren demo- oder richtiger ochlokratiſchen Kram.
Es wäre ungefähr als wollte ein Vertheidiger der Monarchie Rußland und
Großbritannien in eine Linie ſtellen. Die republicaniſchen Ideen in Ita-
lien ſind Hirngeſpinnſte und Velleitäten einer Zahl von Leuten, die vor
ein paar Jahren ſo klein war daß man ſie ohne Mühe zählen konnte, die
in einem andern Lande höchſtens gereicht haben würde einen Hecker’ſchen
Putſch auszuführen, wie denn derſelbe Hr. Mazzini, der jetzt eine ſo große
Rolle ſpielt, es vorlängſt als Satellit des Generals Ramorino (doch im-
mer beim Nachtrab) in Savoyen verſuchte, und die ſeitdem nur in Folge
der kläglichen Schwäche der Regierungen und der ſchmachvollen Inſub-
ordination und Defection der bewaffneten Macht Bedeutung erlangt hat,
nachdem ſie noch im vergangenen Sommer in der Lombardei nichts anderes
als Störung und Spaltung zuwegegebracht hatte. Das völlig Utopiſti-
ſche ihrer Anſichten und Plane ſpricht ſich mehr denn in anderm in Maz-
zini’s Reden aus, welche für dieſe Richtung um ſo charakteriſtiſcher ſind,
da er einer der wenigen ehrlichen unter dieſen Republicanern iſt. Nach
ſeiner Anſicht iſt jede gouvernementale Umgeſtaltung im Sinne der Re-
publik ein Fortſchritt — eine Behauptung deren Lächerlichkeit ſelbſt den
Vernünftigen ſeiner Partei ſogleich in die Augen fallen muß. Meſſen
wir ihm Glauben bei, ſo darf in einer republicaniſchen Verſammlung wie
die römiſche Conſtituante iſt und die unſrige bald ſeyn wird, von einer
Rechten und Linken und einem Centrum gar nicht die Rede ſeyn; das ſind
Benennungen, hergeholt aus der verſchollenen Theorie der alten intrigan-
ten conſtitutionellen Monarchien, in welchen ſie der Dreitheilung der Ge-
walten entſprechen, während ſie unter republicaniſchem auf Einheit der
Gewalt begründetem Regiment aller Bedeutung bar ſind. Auch von alten
und neuen Republicanern darf nicht die Rede ſeyn — das ſind Benennun-
gen, entlehnt von einem Volke deſſen politiſche und ſociale Zuſtände von
den italieniſchen ganz oder beinahe ganz verſchieden ſind. Unter den
italieniſchen Republicanern darf endlich von Principien- Unterſchieden
nicht die Rede ſeyn (er ſcheint aber doch von Reactionären eine leiſe
Ahnung zu haben, wie unſer lieber Pöbel wenn er die Magiſtrate und
andere ruhige Leute verfolgt und nach dem Gefängniß ſchleppt), unter
allen in der römiſchen Verſammlung Sitzenden iſt keiner der aufftehen
und ohne ſich Meineids ſchuldig zu machen ſagen könnte: ich bin kein
Republicaner. „Wir wollen die Republik gründen“, fährt Hr. Maz-
zini fort (Wie das, iſt der Grundſtein noch nicht auf dem Capitol ge-
legt?), „wir verſtehen unter Republik nicht eine bloße Regierungsform,
einen Namen, ein Werk der Reaction von Partei gegen Partei, von Siegern
gegen Beſiegte. Wir verſtehen darunter ein Princip, einen vom Volk er-
rungenen Grad der Erziehung, ein zu entwickelndes Erziehungsprogramm,
eine politiſche Inſtitution, fähig moraliſche Beſſerung hervorzubringen.
Wir verſtehen darunter das Syſtem welches die Freiheit hervorbringen
muß, die Gleichheit und Affociation; wir wollen eine Regierung gründen,
nicht wie die conſtitutionellen Theoretiker ſie begreifen, mit einem Wuſt
organiſirter Garantien die im Grunde zu nichts da ſind als das Mißtrauen
zu nähren, ſondern eine Regierung die auf vollkommener Harmonie beruht,
welche dem Volke nur Inſpirationen gibt, welche die Wünſche des Volks
reinigt und verklärt, welche ſich nur mit Männern umgibt an denen das
Volk auch nicht die leiſeſte Makel auffinden kann. (Wie mußte da mancher
erröthen!) Iſt einer da der eine ſolche Regierung für unmöglich halten
könnte? Und wozu ſollen denn unter uns Meinungsverſchiedenheiten ob-
walten?“ Mit ſolchen Phantaſien unterhält Hr. Mazzini die Römer, welche
nach Scudi und Bajocchi ſeufzen und ſchöne Worte und ſchlechtes Geld
erhalten, und der Fürſt von Canino der von Poeſte und Utopien gerade
kein Freund iſt wenn letztere nicht zu ſeinen eigenen Planen helfen, be-
merkt — als niederſchlagendes Pulver — das ſey alles ganz herrlich was
der große Italiener vorbringe, aber der Menſch ſey geſchaffen auf der Erde
und nicht im reinen Himmel der Doctrin zu reden, möge dieſe eines rege-
nerirten Volkes immer noch ſo würdig ſeyn; in beinahe allen Verſamm-
lungen gebe es eine Rechte, eine Linke in beinahe allen; er ſehe wohlbeſetzte
Bänke auf der Rechten, Bänke auf der Linken die nicht minder ſeine Sym-
pathie in Anſpruch nähmen. Noch ſey die Republik, deren Namen ſie anbete-
ten, nur eben ein Name; noch ſey keine Conſtitution da, noch ſey durch Säube-
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(2021-08-16T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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