Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 2, 2. Januar 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] halten! Wenn Hr. Benjamin Constant es übernimmt, diese Wahr-
heit zu beweisen, so dürfte sie für alle konstitutionellen Regierun-
gen klassisch werden. Möchte es ihm nicht eben so leicht werden
zu beweisen, daß die vorgeblichen Ersparnisse des Ministeriums
Polignac eine höllische Kombination seyen, die offenbar den Zwek
haben, das Volk zur Empörung aufzustiften? daß die alten Beam-
ten, die man mit einem Gnadengehalt entläßt, mit den Fleischern
in Bund treten müßten, die den Einwohnern der Hauptstadt kein
verdorbenes Fleisch mehr zu essen geben dürfen, um einen Kern
von Mißvergnügten zu bilden, der die Gegenrevolution beginnen
werde, und daß so notorische Thatsachen unwidersprechlich bewie-
sen, daß die Fürsten Polignac, Wellington und Metternich ent-
schlossen seyen Europa umzuwälzen, um ihre Verwaltung zu er-
leichtern und von ihren Souverains noch höhere Verrichtungen zu
erhalten, als ihnen bereits zu Theil geworden sind! Wenn Hr.
Benjamin Constant will, so kan er dis Alles beweisen. Weil es
nun einmal unter den Franzosen so viele leichtgläubige Leute gibt,
die an jeder Neuigkeit eine Freude haben: warum sollte man ih-
rer Einbildungskraft nicht durch ein unerwartetes Schauspiel im-
poniren? Warum sollte man nicht den 1145 Unterzeichnern der Sub-
scription für die Verweigerung der Auflage eine Uniform geben?
Warum sollte man sie nicht nach Paris kommen lassen, um auf dem
Revolutionsplaze Heerschau über sie zu halten? Welches imposante
Schauspiel für das Ministerium, welcher Stof zur Erbauung für
das Volk müßte der Anblik dieses Bataillons sparsamer Männer
seyn, die einen Vorwand suchen, um ihre Auflage nicht zu bezah-
len! Dis würde den Muth der übrigen 31,998,855 Franzosen,
die an dieser Empörung durch Subscription nicht haben Theil neh-
men wollen, erhöhen. Dis würde vielleicht in den Stand sezen,
ein Regiment von Subscribenten vollzählig zu machen, und dann
würde man gegen das Schloß ziehen, um den König zu zwingen,
dieses insame Ministerium Poliguac zu verabschieden, das die Ge-
müther durch seine Ersparnisse und seine gute Verwaltung zu be-
stechen sucht.

Niederlande.

(Durch Zufall verspätet.) Die Gährung der
Gemüther, von Priestern in Brabant und Flandern durch Reiz-
mittel jeder Art gesteigert und unterhalten, ist noch immer im
Fortschreiten begriffen. Das Unwesen hat einen solchen Grad er-
reicht und einen solchen gefährlichen Charakter angenommen, daß
der Herr Bischof von Lüttich und selbst der Herr Erzbischof von
Mecheln ihre Mißbilligung von solcher berufwidriger Einmischung
der Priesterschaft in die politischen Angelegenheiten wiederholt aus-
gesprochen haben. Aber diese Erinnerungen sind leider erst nach
vollbrachter That ergaugen. Des Petitionirens und Repetitio-
nirens ist also, nachdem die Priester einmal Impuls und Beispiel
gegeben, noch immer kein Ende. Ueberall prangen der Klerus und
die Aristokratie an der Spize, und was geradezu dienen sollte, die
Sache verdächtig zu machen, wird von der Faktion als sie kräfti-
gend, hingestellt. Die Journale wimmeln von anstößigen Mit-
theilungen über angewandte moralische Gewalt oder List, um Un-
terschriften zu erhalten. Der Beichtstuhl selbst wird zur Werk-
stätte der Intrigue herabgewürdigt; Direktoren von Pensionaten
mißbrauchen das Vertrauen der Familien, um ihre Zöglinge in
corpore
unterzeichnen zu lassen; das vom öffentlichen Mitleid
gespendete Almosen und die frommen Stiftungen werden verwen-
det, um politischen Briefträgern die Porto's zu bezahlen, und
[Spaltenumbruch] aufreizende Emissarien in ihren Planen zu unterstüzen. Un-
ter den heftigsten Kämpfern zeichnet der seit langer Zeit als über-
zpannter Anhänger ultramontanischer Prinzipien berufene Graf Ro-
biano, O'Connells schwächlicher Nachtreter, sich aus; derselbe Mann,
welcher, öffentlichen Blättern zufolge, dem Don Miguel vor Kur-
sem noch Subsidien in Geld verschaft haben soll, spielt nun den
eifrigen Liberalen, und tritt täglich, wie Goliath, vor das Lager,
die Regierung höhnend und zum Streite herausfordernd. Dagegen
werden auch Kalumnien-Prozesse gegen mehrere Oppositionsjour-
nale fortgesezt, die Gegenpetitionen nehmen Fortgang, Travesti-
rungen und Satyren, in Form von Petitionen, selbst an die Kam-
mer gerichtet, kommen von Zeit zu Zeit ein; so z. B. die von
Krüppeln, Schwindsüchtigen und Auszehrenden gegen die Liberte
illimitee
hinsichtlich der Aerzte; so der Frauen, um Gestattung
des Wahlrechts zu dem Nationalparlament, so diejenige, welche
fordert, daß für Aerzte, Priester, Advokaten, Krieger u. a. künf-
tig alle Kapacitätszeugnisse wegfallen, und völlige Freiheit und
Konkurrenz bestehen solle; endlich die, welche die Priester mit der
Administration und Polizei ausschließlich beauftragt wissen will. Es
herrscht im Ganzen eine Art von Verwirrung Babels; jeder Un-
bärtige, jeder Intrigant, jeder Marktschreier, welcher aus seiner
Bedeutungslosigkeit zu einem Namen, oder wenigstens zum Be-
merktwerden sich steigern will, glaubt den Moment benüzen, und
irgend einen Minister oder Administrator beschimpfen, oder irgend
eine Handlung des Königs rügen zu müssen. Man könnte dermal
einen Theil des Südens unsers Landes das Eldorado der beschränk-
ten Köpfe nennen. Einem der jüngern Redaktoren des Courrier
des Pays-bas fiel es vor einigen Wochen ein, bei dem Tode des
Brüsseler Deputirten, Claessen-Moris, aus dem alsbald ein Volks-
held gezimmert, und für dessen Denkmal bereits -- als wäre er
ein Foy gewesen -- subscribirt worden ist -- Hrn. de Potter als
Nachfolger vorzuschlagen; kein Mensch hatte an diesen Exaltado
gedacht; der Vorschlag machte den Courrier de la Meuse ordentlich
bestürzt; doch sagte er nicht nein, und erlaubte höflich die Kan-
didatur des Konvertiten. Da beging Hr. v. P. die Lächerlichkeit
der Schulzenfrau in der Kirche beim Aufstehn der Leute gleich wäh-
rend des Evangeliums, die Sache im Ernst auf sich anzuwenden
und die Ehre sich zu verbitten. Jedermann im Lande lachte heim-
lich oder laut über diesen Mißgrif. Es ist merkwürdig, daß man
selbst den Tod jenes Deputirten der Angst vor dem Zorne der Jour-
nale zuschreibt, und solches den Leuten sogar in der Kammer wirk-
lich vorgeworfen hat. Mit "Verhöhnung und Verspottung" als
Saumseliger bereits bedroht, eilte der todt kranke Mann, troz der
Warnungen seiner Familie nach dem Haag und fand dort sein
Grab. -- Die Fontansche Angelegenheit hat noch unangenehme Rük-
klänge hinterlassen, da einige Glieder der Opposition über die Art
der Abstimmung von Seite nördlicher Abgeordneter sich bitter be-
schwerten. Der Handel des Hrn. Brugmans, welchem der
König durch einen besondern Beschluß die ehrenvolle Entlassung von
seiner Stelle und die Entbindung von seinem Eide, als gesezmäßig
gewähltem Deputirten der Provinz Holland, gegeben, erregte das
Befremden eines Theils der Kammer; man betrachtete den Be-
schluß des Monarchen, nach geschehener Ausschließung Brugmans
durch die Majorität der Kammer, als Eingrif in die Vefug-
nisse derselben. Hr. Brugman ist ebenfalls, wie man ver-
nimmt, zum Staatsrathe in außerordentlichem Dienst ernannt.
Diesem treflichen Manne, welcher unverdient von der Partei

[Spaltenumbruch] halten! Wenn Hr. Benjamin Conſtant es übernimmt, dieſe Wahr-
heit zu beweiſen, ſo dürfte ſie für alle konſtitutionellen Regierun-
gen klaſſiſch werden. Möchte es ihm nicht eben ſo leicht werden
zu beweiſen, daß die vorgeblichen Erſparniſſe des Miniſteriums
Polignac eine hölliſche Kombination ſeyen, die offenbar den Zwek
haben, das Volk zur Empörung aufzuſtiften? daß die alten Beam-
ten, die man mit einem Gnadengehalt entläßt, mit den Fleiſchern
in Bund treten müßten, die den Einwohnern der Hauptſtadt kein
verdorbenes Fleiſch mehr zu eſſen geben dürfen, um einen Kern
von Mißvergnügten zu bilden, der die Gegenrevolution beginnen
werde, und daß ſo notoriſche Thatſachen unwiderſprechlich bewie-
ſen, daß die Fürſten Polignac, Wellington und Metternich ent-
ſchloſſen ſeyen Europa umzuwälzen, um ihre Verwaltung zu er-
leichtern und von ihren Souverains noch höhere Verrichtungen zu
erhalten, als ihnen bereits zu Theil geworden ſind! Wenn Hr.
Benjamin Conſtant will, ſo kan er dis Alles beweiſen. Weil es
nun einmal unter den Franzoſen ſo viele leichtgläubige Leute gibt,
die an jeder Neuigkeit eine Freude haben: warum ſollte man ih-
rer Einbildungskraft nicht durch ein unerwartetes Schauſpiel im-
poniren? Warum ſollte man nicht den 1145 Unterzeichnern der Sub-
ſcription für die Verweigerung der Auflage eine Uniform geben?
Warum ſollte man ſie nicht nach Paris kommen laſſen, um auf dem
Revolutionsplaze Heerſchau über ſie zu halten? Welches impoſante
Schauſpiel für das Miniſterium, welcher Stof zur Erbauung für
das Volk müßte der Anblik dieſes Bataillons ſparſamer Männer
ſeyn, die einen Vorwand ſuchen, um ihre Auflage nicht zu bezah-
len! Dis würde den Muth der übrigen 31,998,855 Franzoſen,
die an dieſer Empörung durch Subſcription nicht haben Theil neh-
men wollen, erhöhen. Dis würde vielleicht in den Stand ſezen,
ein Regiment von Subſcribenten vollzählig zu machen, und dann
würde man gegen das Schloß ziehen, um den König zu zwingen,
dieſes inſame Miniſterium Poliguac zu verabſchieden, das die Ge-
müther durch ſeine Erſparniſſe und ſeine gute Verwaltung zu be-
ſtechen ſucht.

Niederlande.

(Durch Zufall verſpätet.) Die Gährung der
Gemüther, von Prieſtern in Brabant und Flandern durch Reiz-
mittel jeder Art geſteigert und unterhalten, iſt noch immer im
Fortſchreiten begriffen. Das Unweſen hat einen ſolchen Grad er-
reicht und einen ſolchen gefährlichen Charakter angenommen, daß
der Herr Biſchof von Lüttich und ſelbſt der Herr Erzbiſchof von
Mecheln ihre Mißbilligung von ſolcher berufwidriger Einmiſchung
der Prieſterſchaft in die politiſchen Angelegenheiten wiederholt aus-
geſprochen haben. Aber dieſe Erinnerungen ſind leider erſt nach
vollbrachter That ergaugen. Des Petitionirens und Repetitio-
nirens iſt alſo, nachdem die Prieſter einmal Impuls und Beiſpiel
gegeben, noch immer kein Ende. Ueberall prangen der Klerus und
die Ariſtokratie an der Spize, und was geradezu dienen ſollte, die
Sache verdächtig zu machen, wird von der Faktion als ſie kräfti-
gend, hingeſtellt. Die Journale wimmeln von anſtößigen Mit-
theilungen über angewandte moraliſche Gewalt oder Liſt, um Un-
terſchriften zu erhalten. Der Beichtſtuhl ſelbſt wird zur Werk-
ſtätte der Intrigue herabgewürdigt; Direktoren von Penſionaten
mißbrauchen das Vertrauen der Familien, um ihre Zöglinge in
corpore
unterzeichnen zu laſſen; das vom öffentlichen Mitleid
geſpendete Almoſen und die frommen Stiftungen werden verwen-
det, um politiſchen Briefträgern die Porto’s zu bezahlen, und
[Spaltenumbruch] aufreizende Emiſſarien in ihren Planen zu unterſtüzen. Un-
ter den heftigſten Kämpfern zeichnet der ſeit langer Zeit als über-
zpannter Anhänger ultramontaniſcher Prinzipien berufene Graf Ro-
biano, O’Connells ſchwächlicher Nachtreter, ſich aus; derſelbe Mann,
welcher, öffentlichen Blättern zufolge, dem Don Miguel vor Kur-
ſem noch Subſidien in Geld verſchaft haben ſoll, ſpielt nun den
eifrigen Liberalen, und tritt täglich, wie Goliath, vor das Lager,
die Regierung höhnend und zum Streite herausfordernd. Dagegen
werden auch Kalumnien-Prozeſſe gegen mehrere Oppoſitionsjour-
nale fortgeſezt, die Gegenpetitionen nehmen Fortgang, Traveſti-
rungen und Satyren, in Form von Petitionen, ſelbſt an die Kam-
mer gerichtet, kommen von Zeit zu Zeit ein; ſo z. B. die von
Krüppeln, Schwindſüchtigen und Auszehrenden gegen die Liberté
illimitée
hinſichtlich der Aerzte; ſo der Frauen, um Geſtattung
des Wahlrechts zu dem Nationalparlament, ſo diejenige, welche
fordert, daß für Aerzte, Prieſter, Advokaten, Krieger u. a. künf-
tig alle Kapacitätszeugniſſe wegfallen, und völlige Freiheit und
Konkurrenz beſtehen ſolle; endlich die, welche die Prieſter mit der
Adminiſtration und Polizei ausſchließlich beauftragt wiſſen will. Es
herrſcht im Ganzen eine Art von Verwirrung Babels; jeder Un-
bärtige, jeder Intrigant, jeder Marktſchreier, welcher aus ſeiner
Bedeutungsloſigkeit zu einem Namen, oder wenigſtens zum Be-
merktwerden ſich ſteigern will, glaubt den Moment benüzen, und
irgend einen Miniſter oder Adminiſtrator beſchimpfen, oder irgend
eine Handlung des Königs rügen zu müſſen. Man könnte dermal
einen Theil des Südens unſers Landes das Eldorado der beſchränk-
ten Köpfe nennen. Einem der jüngern Redaktoren des Courrier
des Pays-bas fiel es vor einigen Wochen ein, bei dem Tode des
Brüſſeler Deputirten, Claeſſen-Moris, aus dem alsbald ein Volks-
held gezimmert, und für deſſen Denkmal bereits — als wäre er
ein Foy geweſen — ſubſcribirt worden iſt — Hrn. de Potter als
Nachfolger vorzuſchlagen; kein Menſch hatte an dieſen Exaltado
gedacht; der Vorſchlag machte den Courrier de la Meuſe ordentlich
beſtürzt; doch ſagte er nicht nein, und erlaubte höflich die Kan-
didatur des Konvertiten. Da beging Hr. v. P. die Lächerlichkeit
der Schulzenfrau in der Kirche beim Aufſtehn der Leute gleich wäh-
rend des Evangeliums, die Sache im Ernſt auf ſich anzuwenden
und die Ehre ſich zu verbitten. Jedermann im Lande lachte heim-
lich oder laut über dieſen Mißgrif. Es iſt merkwürdig, daß man
ſelbſt den Tod jenes Deputirten der Angſt vor dem Zorne der Jour-
nale zuſchreibt, und ſolches den Leuten ſogar in der Kammer wirk-
lich vorgeworfen hat. Mit „Verhöhnung und Verſpottung“ als
Saumſeliger bereits bedroht, eilte der todt kranke Mann, troz der
Warnungen ſeiner Familie nach dem Haag und fand dort ſein
Grab. — Die Fontanſche Angelegenheit hat noch unangenehme Rük-
klänge hinterlaſſen, da einige Glieder der Oppoſition über die Art
der Abſtimmung von Seite nördlicher Abgeordneter ſich bitter be-
ſchwerten. Der Handel des Hrn. Brugmans, welchem der
König durch einen beſondern Beſchluß die ehrenvolle Entlaſſung von
ſeiner Stelle und die Entbindung von ſeinem Eide, als geſezmäßig
gewähltem Deputirten der Provinz Holland, gegeben, erregte das
Befremden eines Theils der Kammer; man betrachtete den Be-
ſchluß des Monarchen, nach geſchehener Ausſchließung Brugmans
durch die Majorität der Kammer, als Eingrif in die Vefug-
niſſe derſelben. Hr. Brugman iſt ebenfalls, wie man ver-
nimmt, zum Staatsrathe in außerordentlichem Dienſt ernannt.
Dieſem treflichen Manne, welcher unverdient von der Partei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jVarious" n="1">
        <div n="2">
          <div type="jArticle" n="3">
            <p><pb facs="#f0003" n="7"/><cb/>
halten! Wenn Hr. Benjamin Con&#x017F;tant es übernimmt, die&#x017F;e Wahr-<lb/>
heit zu bewei&#x017F;en, &#x017F;o dürfte &#x017F;ie für alle kon&#x017F;titutionellen Regierun-<lb/>
gen kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ch werden. Möchte es ihm nicht eben &#x017F;o leicht werden<lb/>
zu bewei&#x017F;en, daß die vorgeblichen Er&#x017F;parni&#x017F;&#x017F;e des Mini&#x017F;teriums<lb/>
Polignac eine hölli&#x017F;che Kombination &#x017F;eyen, die offenbar den Zwek<lb/>
haben, das Volk zur Empörung aufzu&#x017F;tiften? daß die alten Beam-<lb/>
ten, die man mit einem Gnadengehalt entläßt, mit den Flei&#x017F;chern<lb/>
in Bund treten müßten, die den Einwohnern der Haupt&#x017F;tadt kein<lb/>
verdorbenes Flei&#x017F;ch mehr zu e&#x017F;&#x017F;en geben dürfen, um einen Kern<lb/>
von Mißvergnügten zu bilden, der die Gegenrevolution beginnen<lb/>
werde, und daß &#x017F;o notori&#x017F;che That&#x017F;achen unwider&#x017F;prechlich bewie-<lb/>
&#x017F;en, daß die Für&#x017F;ten Polignac, Wellington und Metternich ent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyen Europa umzuwälzen, um ihre Verwaltung zu er-<lb/>
leichtern und von ihren Souverains noch höhere Verrichtungen zu<lb/>
erhalten, als ihnen bereits zu Theil geworden &#x017F;ind! Wenn Hr.<lb/>
Benjamin Con&#x017F;tant will, &#x017F;o kan er dis Alles bewei&#x017F;en. Weil es<lb/>
nun einmal unter den Franzo&#x017F;en &#x017F;o viele leichtgläubige Leute gibt,<lb/>
die an jeder Neuigkeit eine Freude haben: warum &#x017F;ollte man ih-<lb/>
rer Einbildungskraft nicht durch ein unerwartetes Schau&#x017F;piel im-<lb/>
poniren? Warum &#x017F;ollte man nicht den 1145 Unterzeichnern der Sub-<lb/>
&#x017F;cription für die Verweigerung der Auflage eine Uniform geben?<lb/>
Warum &#x017F;ollte man &#x017F;ie nicht nach Paris kommen la&#x017F;&#x017F;en, um auf dem<lb/>
Revolutionsplaze Heer&#x017F;chau über &#x017F;ie zu halten? Welches impo&#x017F;ante<lb/>
Schau&#x017F;piel für das Mini&#x017F;terium, welcher Stof zur Erbauung für<lb/>
das Volk müßte der Anblik die&#x017F;es Bataillons &#x017F;par&#x017F;amer Männer<lb/>
&#x017F;eyn, die einen Vorwand &#x017F;uchen, um ihre Auflage nicht zu bezah-<lb/>
len! Dis würde den Muth der übrigen 31,998,855 Franzo&#x017F;en,<lb/>
die an die&#x017F;er Empörung durch Sub&#x017F;cription nicht haben Theil neh-<lb/>
men wollen, erhöhen. Dis würde vielleicht in den Stand &#x017F;ezen,<lb/>
ein Regiment von Sub&#x017F;cribenten vollzählig zu machen, und dann<lb/>
würde man gegen das Schloß ziehen, um den König zu zwingen,<lb/>
die&#x017F;es in&#x017F;ame Mini&#x017F;terium Poliguac zu verab&#x017F;chieden, das die Ge-<lb/>
müther durch &#x017F;eine Er&#x017F;parni&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;eine gute Verwaltung zu be-<lb/>
&#x017F;techen &#x017F;ucht.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Niederlande</hi>.</head><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline><hi rendition="#g">&#x2020; Haag</hi>, 8 Dec.</dateline>
            <p>(Durch Zufall ver&#x017F;pätet.) Die Gährung der<lb/>
Gemüther, von Prie&#x017F;tern in Brabant und Flandern durch Reiz-<lb/>
mittel jeder Art ge&#x017F;teigert und unterhalten, i&#x017F;t noch immer im<lb/>
Fort&#x017F;chreiten begriffen. Das Unwe&#x017F;en hat einen &#x017F;olchen Grad er-<lb/>
reicht und einen &#x017F;olchen gefährlichen Charakter angenommen, daß<lb/>
der Herr Bi&#x017F;chof von Lüttich und &#x017F;elb&#x017F;t der Herr Erzbi&#x017F;chof von<lb/>
Mecheln ihre Mißbilligung von &#x017F;olcher berufwidriger Einmi&#x017F;chung<lb/>
der Prie&#x017F;ter&#x017F;chaft in die politi&#x017F;chen Angelegenheiten wiederholt aus-<lb/>
ge&#x017F;prochen haben. Aber die&#x017F;e Erinnerungen &#x017F;ind leider er&#x017F;t nach<lb/>
vollbrachter That ergaugen. Des Petitionirens und Repetitio-<lb/>
nirens i&#x017F;t al&#x017F;o, nachdem die Prie&#x017F;ter einmal Impuls und Bei&#x017F;piel<lb/>
gegeben, noch immer kein Ende. Ueberall prangen der Klerus und<lb/>
die Ari&#x017F;tokratie an der Spize, und was geradezu dienen &#x017F;ollte, die<lb/>
Sache verdächtig zu machen, wird von der Faktion als &#x017F;ie kräfti-<lb/>
gend, hinge&#x017F;tellt. Die Journale wimmeln von an&#x017F;tößigen Mit-<lb/>
theilungen über angewandte morali&#x017F;che Gewalt oder Li&#x017F;t, um Un-<lb/>
ter&#x017F;chriften zu erhalten. Der Beicht&#x017F;tuhl &#x017F;elb&#x017F;t wird zur Werk-<lb/>
&#x017F;tätte der Intrigue herabgewürdigt; Direktoren von Pen&#x017F;ionaten<lb/>
mißbrauchen das Vertrauen der Familien, um ihre Zöglinge <hi rendition="#aq">in<lb/>
corpore</hi> unterzeichnen zu la&#x017F;&#x017F;en; das vom öffentlichen Mitleid<lb/>
ge&#x017F;pendete Almo&#x017F;en und die frommen Stiftungen werden verwen-<lb/>
det, um politi&#x017F;chen Briefträgern die Porto&#x2019;s zu bezahlen, und<lb/><cb/>
aufreizende Emi&#x017F;&#x017F;arien in ihren Planen zu unter&#x017F;tüzen. Un-<lb/>
ter den heftig&#x017F;ten Kämpfern zeichnet der &#x017F;eit langer Zeit als über-<lb/>
zpannter Anhänger ultramontani&#x017F;cher Prinzipien berufene Graf Ro-<lb/>
biano, O&#x2019;Connells &#x017F;chwächlicher Nachtreter, &#x017F;ich aus; der&#x017F;elbe Mann,<lb/>
welcher, öffentlichen Blättern zufolge, dem Don Miguel vor Kur-<lb/>
&#x017F;em noch Sub&#x017F;idien in Geld ver&#x017F;chaft haben &#x017F;oll, &#x017F;pielt nun den<lb/>
eifrigen Liberalen, und tritt täglich, wie Goliath, vor das Lager,<lb/>
die Regierung höhnend und zum Streite herausfordernd. Dagegen<lb/>
werden auch Kalumnien-Proze&#x017F;&#x017F;e gegen mehrere Oppo&#x017F;itionsjour-<lb/>
nale fortge&#x017F;ezt, die Gegenpetitionen nehmen Fortgang, Trave&#x017F;ti-<lb/>
rungen und Satyren, in Form von Petitionen, &#x017F;elb&#x017F;t an die Kam-<lb/>
mer gerichtet, kommen von Zeit zu Zeit ein; &#x017F;o z. B. die von<lb/>
Krüppeln, Schwind&#x017F;üchtigen und Auszehrenden gegen die <hi rendition="#aq">Liberté<lb/>
illimitée</hi> hin&#x017F;ichtlich der Aerzte; &#x017F;o der Frauen, um Ge&#x017F;tattung<lb/>
des Wahlrechts zu dem Nationalparlament, &#x017F;o diejenige, welche<lb/>
fordert, daß für Aerzte, Prie&#x017F;ter, Advokaten, Krieger u. a. künf-<lb/>
tig alle Kapacitätszeugni&#x017F;&#x017F;e wegfallen, und völlige Freiheit und<lb/>
Konkurrenz be&#x017F;tehen &#x017F;olle; endlich die, welche die Prie&#x017F;ter mit der<lb/>
Admini&#x017F;tration und Polizei aus&#x017F;chließlich beauftragt wi&#x017F;&#x017F;en will. Es<lb/>
herr&#x017F;cht im Ganzen eine Art von Verwirrung Babels; jeder Un-<lb/>
bärtige, jeder Intrigant, jeder Markt&#x017F;chreier, welcher aus &#x017F;einer<lb/>
Bedeutungslo&#x017F;igkeit zu einem Namen, oder wenig&#x017F;tens zum Be-<lb/>
merktwerden &#x017F;ich &#x017F;teigern will, glaubt den Moment benüzen, und<lb/>
irgend einen Mini&#x017F;ter oder Admini&#x017F;trator be&#x017F;chimpfen, oder irgend<lb/>
eine Handlung des Königs rügen zu mü&#x017F;&#x017F;en. Man könnte dermal<lb/>
einen Theil des Südens un&#x017F;ers Landes das Eldorado der be&#x017F;chränk-<lb/>
ten Köpfe nennen. Einem der jüngern Redaktoren des Courrier<lb/>
des Pays-bas fiel es vor einigen Wochen ein, bei dem Tode des<lb/>
Brü&#x017F;&#x017F;eler Deputirten, Clae&#x017F;&#x017F;en-Moris, aus dem alsbald ein Volks-<lb/>
held gezimmert, und für de&#x017F;&#x017F;en Denkmal bereits &#x2014; als wäre er<lb/>
ein Foy gewe&#x017F;en &#x2014; &#x017F;ub&#x017F;cribirt worden i&#x017F;t &#x2014; Hrn. de Potter als<lb/>
Nachfolger vorzu&#x017F;chlagen; kein Men&#x017F;ch hatte an die&#x017F;en Exaltado<lb/>
gedacht; der Vor&#x017F;chlag machte den Courrier de la Meu&#x017F;e ordentlich<lb/>
be&#x017F;türzt; doch &#x017F;agte er nicht nein, und erlaubte höflich die Kan-<lb/>
didatur des Konvertiten. Da beging Hr. v. P. die Lächerlichkeit<lb/>
der Schulzenfrau in der Kirche beim Auf&#x017F;tehn der Leute gleich wäh-<lb/>
rend des Evangeliums, die Sache im Ern&#x017F;t auf &#x017F;ich anzuwenden<lb/>
und die Ehre &#x017F;ich zu verbitten. Jedermann im Lande lachte heim-<lb/>
lich oder laut über die&#x017F;en Mißgrif. Es i&#x017F;t merkwürdig, daß man<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t den Tod jenes Deputirten der Ang&#x017F;t vor dem Zorne der Jour-<lb/>
nale zu&#x017F;chreibt, und &#x017F;olches den Leuten &#x017F;ogar in der Kammer wirk-<lb/>
lich vorgeworfen hat. Mit <cit><quote>&#x201E;Verhöhnung und Ver&#x017F;pottung&#x201C;</quote></cit> als<lb/>
Saum&#x017F;eliger bereits bedroht, eilte der todt kranke Mann, troz der<lb/>
Warnungen &#x017F;einer Familie nach dem Haag und fand dort &#x017F;ein<lb/>
Grab. &#x2014; Die Fontan&#x017F;che Angelegenheit hat noch unangenehme Rük-<lb/>
klänge hinterla&#x017F;&#x017F;en, da einige Glieder der Oppo&#x017F;ition über die Art<lb/>
der Ab&#x017F;timmung von Seite nördlicher Abgeordneter &#x017F;ich bitter be-<lb/>
&#x017F;chwerten. Der Handel des Hrn. <hi rendition="#g">Brugmans</hi>, welchem der<lb/>
König durch einen be&#x017F;ondern Be&#x017F;chluß die ehrenvolle Entla&#x017F;&#x017F;ung von<lb/>
&#x017F;einer Stelle und die Entbindung von &#x017F;einem Eide, als ge&#x017F;ezmäßig<lb/>
gewähltem Deputirten der Provinz Holland, gegeben, erregte das<lb/>
Befremden eines Theils der Kammer; man betrachtete den Be-<lb/>
&#x017F;chluß des Monarchen, nach ge&#x017F;chehener Aus&#x017F;chließung Brugmans<lb/>
durch die Majorität der Kammer, als Eingrif in die Vefug-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e der&#x017F;elben. Hr. Brugman i&#x017F;t ebenfalls, wie man ver-<lb/>
nimmt, zum Staatsrathe in außerordentlichem Dien&#x017F;t ernannt.<lb/>
Die&#x017F;em treflichen Manne, welcher unverdient von der Partei<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0003] halten! Wenn Hr. Benjamin Conſtant es übernimmt, dieſe Wahr- heit zu beweiſen, ſo dürfte ſie für alle konſtitutionellen Regierun- gen klaſſiſch werden. Möchte es ihm nicht eben ſo leicht werden zu beweiſen, daß die vorgeblichen Erſparniſſe des Miniſteriums Polignac eine hölliſche Kombination ſeyen, die offenbar den Zwek haben, das Volk zur Empörung aufzuſtiften? daß die alten Beam- ten, die man mit einem Gnadengehalt entläßt, mit den Fleiſchern in Bund treten müßten, die den Einwohnern der Hauptſtadt kein verdorbenes Fleiſch mehr zu eſſen geben dürfen, um einen Kern von Mißvergnügten zu bilden, der die Gegenrevolution beginnen werde, und daß ſo notoriſche Thatſachen unwiderſprechlich bewie- ſen, daß die Fürſten Polignac, Wellington und Metternich ent- ſchloſſen ſeyen Europa umzuwälzen, um ihre Verwaltung zu er- leichtern und von ihren Souverains noch höhere Verrichtungen zu erhalten, als ihnen bereits zu Theil geworden ſind! Wenn Hr. Benjamin Conſtant will, ſo kan er dis Alles beweiſen. Weil es nun einmal unter den Franzoſen ſo viele leichtgläubige Leute gibt, die an jeder Neuigkeit eine Freude haben: warum ſollte man ih- rer Einbildungskraft nicht durch ein unerwartetes Schauſpiel im- poniren? Warum ſollte man nicht den 1145 Unterzeichnern der Sub- ſcription für die Verweigerung der Auflage eine Uniform geben? Warum ſollte man ſie nicht nach Paris kommen laſſen, um auf dem Revolutionsplaze Heerſchau über ſie zu halten? Welches impoſante Schauſpiel für das Miniſterium, welcher Stof zur Erbauung für das Volk müßte der Anblik dieſes Bataillons ſparſamer Männer ſeyn, die einen Vorwand ſuchen, um ihre Auflage nicht zu bezah- len! Dis würde den Muth der übrigen 31,998,855 Franzoſen, die an dieſer Empörung durch Subſcription nicht haben Theil neh- men wollen, erhöhen. Dis würde vielleicht in den Stand ſezen, ein Regiment von Subſcribenten vollzählig zu machen, und dann würde man gegen das Schloß ziehen, um den König zu zwingen, dieſes inſame Miniſterium Poliguac zu verabſchieden, das die Ge- müther durch ſeine Erſparniſſe und ſeine gute Verwaltung zu be- ſtechen ſucht. Niederlande. † Haag, 8 Dec.(Durch Zufall verſpätet.) Die Gährung der Gemüther, von Prieſtern in Brabant und Flandern durch Reiz- mittel jeder Art geſteigert und unterhalten, iſt noch immer im Fortſchreiten begriffen. Das Unweſen hat einen ſolchen Grad er- reicht und einen ſolchen gefährlichen Charakter angenommen, daß der Herr Biſchof von Lüttich und ſelbſt der Herr Erzbiſchof von Mecheln ihre Mißbilligung von ſolcher berufwidriger Einmiſchung der Prieſterſchaft in die politiſchen Angelegenheiten wiederholt aus- geſprochen haben. Aber dieſe Erinnerungen ſind leider erſt nach vollbrachter That ergaugen. Des Petitionirens und Repetitio- nirens iſt alſo, nachdem die Prieſter einmal Impuls und Beiſpiel gegeben, noch immer kein Ende. Ueberall prangen der Klerus und die Ariſtokratie an der Spize, und was geradezu dienen ſollte, die Sache verdächtig zu machen, wird von der Faktion als ſie kräfti- gend, hingeſtellt. Die Journale wimmeln von anſtößigen Mit- theilungen über angewandte moraliſche Gewalt oder Liſt, um Un- terſchriften zu erhalten. Der Beichtſtuhl ſelbſt wird zur Werk- ſtätte der Intrigue herabgewürdigt; Direktoren von Penſionaten mißbrauchen das Vertrauen der Familien, um ihre Zöglinge in corpore unterzeichnen zu laſſen; das vom öffentlichen Mitleid geſpendete Almoſen und die frommen Stiftungen werden verwen- det, um politiſchen Briefträgern die Porto’s zu bezahlen, und aufreizende Emiſſarien in ihren Planen zu unterſtüzen. Un- ter den heftigſten Kämpfern zeichnet der ſeit langer Zeit als über- zpannter Anhänger ultramontaniſcher Prinzipien berufene Graf Ro- biano, O’Connells ſchwächlicher Nachtreter, ſich aus; derſelbe Mann, welcher, öffentlichen Blättern zufolge, dem Don Miguel vor Kur- ſem noch Subſidien in Geld verſchaft haben ſoll, ſpielt nun den eifrigen Liberalen, und tritt täglich, wie Goliath, vor das Lager, die Regierung höhnend und zum Streite herausfordernd. Dagegen werden auch Kalumnien-Prozeſſe gegen mehrere Oppoſitionsjour- nale fortgeſezt, die Gegenpetitionen nehmen Fortgang, Traveſti- rungen und Satyren, in Form von Petitionen, ſelbſt an die Kam- mer gerichtet, kommen von Zeit zu Zeit ein; ſo z. B. die von Krüppeln, Schwindſüchtigen und Auszehrenden gegen die Liberté illimitée hinſichtlich der Aerzte; ſo der Frauen, um Geſtattung des Wahlrechts zu dem Nationalparlament, ſo diejenige, welche fordert, daß für Aerzte, Prieſter, Advokaten, Krieger u. a. künf- tig alle Kapacitätszeugniſſe wegfallen, und völlige Freiheit und Konkurrenz beſtehen ſolle; endlich die, welche die Prieſter mit der Adminiſtration und Polizei ausſchließlich beauftragt wiſſen will. Es herrſcht im Ganzen eine Art von Verwirrung Babels; jeder Un- bärtige, jeder Intrigant, jeder Marktſchreier, welcher aus ſeiner Bedeutungsloſigkeit zu einem Namen, oder wenigſtens zum Be- merktwerden ſich ſteigern will, glaubt den Moment benüzen, und irgend einen Miniſter oder Adminiſtrator beſchimpfen, oder irgend eine Handlung des Königs rügen zu müſſen. Man könnte dermal einen Theil des Südens unſers Landes das Eldorado der beſchränk- ten Köpfe nennen. Einem der jüngern Redaktoren des Courrier des Pays-bas fiel es vor einigen Wochen ein, bei dem Tode des Brüſſeler Deputirten, Claeſſen-Moris, aus dem alsbald ein Volks- held gezimmert, und für deſſen Denkmal bereits — als wäre er ein Foy geweſen — ſubſcribirt worden iſt — Hrn. de Potter als Nachfolger vorzuſchlagen; kein Menſch hatte an dieſen Exaltado gedacht; der Vorſchlag machte den Courrier de la Meuſe ordentlich beſtürzt; doch ſagte er nicht nein, und erlaubte höflich die Kan- didatur des Konvertiten. Da beging Hr. v. P. die Lächerlichkeit der Schulzenfrau in der Kirche beim Aufſtehn der Leute gleich wäh- rend des Evangeliums, die Sache im Ernſt auf ſich anzuwenden und die Ehre ſich zu verbitten. Jedermann im Lande lachte heim- lich oder laut über dieſen Mißgrif. Es iſt merkwürdig, daß man ſelbſt den Tod jenes Deputirten der Angſt vor dem Zorne der Jour- nale zuſchreibt, und ſolches den Leuten ſogar in der Kammer wirk- lich vorgeworfen hat. Mit „Verhöhnung und Verſpottung“ als Saumſeliger bereits bedroht, eilte der todt kranke Mann, troz der Warnungen ſeiner Familie nach dem Haag und fand dort ſein Grab. — Die Fontanſche Angelegenheit hat noch unangenehme Rük- klänge hinterlaſſen, da einige Glieder der Oppoſition über die Art der Abſtimmung von Seite nördlicher Abgeordneter ſich bitter be- ſchwerten. Der Handel des Hrn. Brugmans, welchem der König durch einen beſondern Beſchluß die ehrenvolle Entlaſſung von ſeiner Stelle und die Entbindung von ſeinem Eide, als geſezmäßig gewähltem Deputirten der Provinz Holland, gegeben, erregte das Befremden eines Theils der Kammer; man betrachtete den Be- ſchluß des Monarchen, nach geſchehener Ausſchließung Brugmans durch die Majorität der Kammer, als Eingrif in die Vefug- niſſe derſelben. Hr. Brugman iſt ebenfalls, wie man ver- nimmt, zum Staatsrathe in außerordentlichem Dienſt ernannt. Dieſem treflichen Manne, welcher unverdient von der Partei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2020-10-02T09:49:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine02_1830/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 2, 2. Januar 1830, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine02_1830/3>, abgerufen am 21.12.2024.