Die Frau von Ehrenkolb, nebst ihrer Fräulein Tochter, begaben sich, auf geschehene Einla- dung, nach dem Gute der Frau von Hohenauf. Die Fränlein hatte in der Blüthe ihrer Jahre, (denn sie war noch nicht völlig achtzehn Jahre alt) eine sehr glückliche Erziehung genossen, unter der Aufsicht einer Französinn, die in Frankreich eine Trödelkrä- merinn gewesen, in Deutschland aber, mit dem Reste ihrer Bude ausgeschmückt, sich zur Comtesse erhob, und, nachdem sie verschiedene Deutsche Höfe besucht, und auf maskirten Bällen und auf Lustschlössern, mit Herzogen und Reichsfürsten, gegessen und gespielt hatte, sich endlich, des Hoflebens satt, aus ange- borner Gutherzigkeit, bereden ließ, ein Deutsches Landfräulein zur Dame umzuschaffen, und es auf den guten Ton zu stimmen, den sie selbst in Paris, ob- gleich freilich nur aus der dritten oder vierten Hand, gelernt hatte. Das Fräulein machte einem so treffli- chen Unterrichte wirklich Ehre, indem sie alles, was ihr die Französinn anpties, noch zu übertreiben such- te. Sie konnte, mit geläufiger Zunge, jedermann Rede angewinnen, alles verachten, sich zu allem drän- gen, sich nichts übel nehmen, dreyerley auf einmal
spre-
Zweyter Abſchnitt.
Die Frau von Ehrenkolb, nebſt ihrer Fraͤulein Tochter, begaben ſich, auf geſchehene Einla- dung, nach dem Gute der Frau von Hohenauf. Die Fraͤnlein hatte in der Bluͤthe ihrer Jahre, (denn ſie war noch nicht voͤllig achtzehn Jahre alt) eine ſehr gluͤckliche Erziehung genoſſen, unter der Aufſicht einer Franzoͤſinn, die in Frankreich eine Troͤdelkraͤ- merinn geweſen, in Deutſchland aber, mit dem Reſte ihrer Bude ausgeſchmuͤckt, ſich zur Comteſſe erhob, und, nachdem ſie verſchiedene Deutſche Hoͤfe beſucht, und auf maſkirten Baͤllen und auf Luſtſchloͤſſern, mit Herzogen und Reichsfuͤrſten, gegeſſen und geſpielt hatte, ſich endlich, des Hoflebens ſatt, aus ange- borner Gutherzigkeit, bereden ließ, ein Deutſches Landfraͤulein zur Dame umzuſchaffen, und es auf den guten Ton zu ſtimmen, den ſie ſelbſt in Paris, ob- gleich freilich nur aus der dritten oder vierten Hand, gelernt hatte. Das Fraͤulein machte einem ſo treffli- chen Unterrichte wirklich Ehre, indem ſie alles, was ihr die Franzoͤſinn anpties, noch zu uͤbertreiben ſuch- te. Sie konnte, mit gelaͤufiger Zunge, jedermann Rede angewinnen, alles verachten, ſich zu allem draͤn- gen, ſich nichts uͤbel nehmen, dreyerley auf einmal
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Zweyter Abſchnitt.
Die Frau von Ehrenkolb, nebſt ihrer Fraͤulein
Tochter, begaben ſich, auf geſchehene Einla-
dung, nach dem Gute der Frau von Hohenauf.
Die Fraͤnlein hatte in der Bluͤthe ihrer Jahre, (denn
ſie war noch nicht voͤllig achtzehn Jahre alt) eine
ſehr gluͤckliche Erziehung genoſſen, unter der Aufſicht
einer Franzoͤſinn, die in Frankreich eine Troͤdelkraͤ-
merinn geweſen, in Deutſchland aber, mit dem Reſte
ihrer Bude ausgeſchmuͤckt, ſich zur Comteſſe erhob,
und, nachdem ſie verſchiedene Deutſche Hoͤfe beſucht,
und auf maſkirten Baͤllen und auf Luſtſchloͤſſern, mit
Herzogen und Reichsfuͤrſten, gegeſſen und geſpielt
hatte, ſich endlich, des Hoflebens ſatt, aus ange-
borner Gutherzigkeit, bereden ließ, ein Deutſches
Landfraͤulein zur Dame umzuſchaffen, und es auf den
guten Ton zu ſtimmen, den ſie ſelbſt in Paris, ob-
gleich freilich nur aus der dritten oder vierten Hand,
gelernt hatte. Das Fraͤulein machte einem ſo treffli-
chen Unterrichte wirklich Ehre, indem ſie alles, was
ihr die Franzoͤſinn anpties, noch zu uͤbertreiben ſuch-
te. Sie konnte, mit gelaͤufiger Zunge, jedermann
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gen, ſich nichts uͤbel nehmen, dreyerley auf einmal
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/160>, abgerufen am 05.07.2024.
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