chen Schatten, von der Seiten ein wenig hinblinz, denn aufzuschauen schäm ich mich, däucht mich, ich les' eure Gesichter wieder wie zuvor, wie sie im physiognomischen Ma- nual verzeichnet sind; die Varianten schwin- den wie die bisarren Traumbilder, wenn einer durch'n derben Ribbenstoß, plötzlich aus'm Schlaf geweckt wird. Wohl mir, daß der Molch, der meine Gesinnungen gegen euch vergiftet hat, über die Gränz ist.
Um 11 Uhr.
Das laß ich gelten, doch wenigstens et- was! Ein Brief aus'm Gasthaus an der Straße, den das Luftvöglein, wie's aus'm Bauer gehüpft war, daselbst hinterlassen hat. Lautet also:
Was Sie auch, verehrungswerther Mann, zu meinem Entschluße, Jhr Haus ohne Ab- schied zu verlassen, denken oder sagen mö- gen; so habe ich mich in der Nothwendig- keit gesehen, ihn befolgen zu müssen, um Jhnen Kränkungen zu ersparen, die mein längerer Aufenthalt bey Jhnen unvermeid-
lich
N 2
chen Schatten, von der Seiten ein wenig hinblinz, denn aufzuſchauen ſchaͤm ich mich, daͤucht mich, ich leſ’ eure Geſichter wieder wie zuvor, wie ſie im phyſiognomiſchen Ma- nual verzeichnet ſind; die Varianten ſchwin- den wie die biſarren Traumbilder, wenn einer durch’n derben Ribbenſtoß, ploͤtzlich aus’m Schlaf geweckt wird. Wohl mir, daß der Molch, der meine Geſinnungen gegen euch vergiftet hat, uͤber die Graͤnz iſt.
Um 11 Uhr.
Das laß ich gelten, doch wenigſtens et- was! Ein Brief aus’m Gaſthaus an der Straße, den das Luftvoͤglein, wie’s aus’m Bauer gehuͤpft war, daſelbſt hinterlaſſen hat. Lautet alſo:
Was Sie auch, verehrungswerther Mann, zu meinem Entſchluße, Jhr Haus ohne Ab- ſchied zu verlaſſen, denken oder ſagen moͤ- gen; ſo habe ich mich in der Nothwendig- keit geſehen, ihn befolgen zu muͤſſen, um Jhnen Kraͤnkungen zu erſparen, die mein laͤngerer Aufenthalt bey Jhnen unvermeid-
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chen Schatten, von der Seiten ein wenig
hinblinz, denn aufzuſchauen ſchaͤm ich mich,
daͤucht mich, ich leſ’ eure Geſichter wieder
wie zuvor, wie ſie im phyſiognomiſchen Ma-
nual verzeichnet ſind; die Varianten ſchwin-
den wie die biſarren Traumbilder, wenn
einer durch’n derben Ribbenſtoß, ploͤtzlich
aus’m Schlaf geweckt wird. Wohl mir,
daß der Molch, der meine Geſinnungen
gegen euch vergiftet hat, uͤber die Graͤnz
iſt.
Um 11 Uhr.
Das laß ich gelten, doch wenigſtens et-
was! Ein Brief aus’m Gaſthaus an der
Straße, den das Luftvoͤglein, wie’s aus’m
Bauer gehuͤpft war, daſelbſt hinterlaſſen
hat. Lautet alſo:
Was Sie auch, verehrungswerther Mann,
zu meinem Entſchluße, Jhr Haus ohne Ab-
ſchied zu verlaſſen, denken oder ſagen moͤ-
gen; ſo habe ich mich in der Nothwendig-
keit geſehen, ihn befolgen zu muͤſſen, um
Jhnen Kraͤnkungen zu erſparen, die mein
laͤngerer Aufenthalt bey Jhnen unvermeid-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/201>, abgerufen am 03.03.2025.
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