lich gemacht hätte. Beurtheilen Sie mich nicht zu strenge, ich unterwerfe mich dem Ausspruche Jhres guten Herzens, und ohne den Schritt, den ich gethan habe, zu recht- fertigen, oder mich deßwegen anzuklagen, will ich Jhnen die Ursache meines Ent- weichens entdecken. Jch bin eine Unglük- liche, durch ein allzu empfindsames Herz und die Folgen einer unwiderstehlichen Lei- denschaft unglüklich. Meine Geschichte ist nicht ganz, die ich Jhnen erzählte, und die Sie die Gefälligkeit hatten mir aufs Wort zu glauben. Ohne Umschweife, ich be- fürchtete einen Thomas Jmgarten in das Haus meines Wohlthäters zu verpflanzen und entfloh. Eine elende Hütte mag mei- ne Schande verbergen, ich will sie nicht auf das Haus verbreiten, wo ich eine men- schenfreundliche Aufnahme genossen habe. Die mißliche Lage, in der ich mich befinde, hat mich genöthiget, einige Kleinigkeiten an Schmuck und Gelde, aus der Schreib- kommode meines Wohnzimmers mir zuzu- eignen. Jch erbiete mich zur Wiedererstat- tung des Werthes, so bald es ein milderes Schiksal erlauben wird; mein Herz hat kei- nen Antheil an diesem Raube, den das äus-
serste
lich gemacht haͤtte. Beurtheilen Sie mich nicht zu ſtrenge, ich unterwerfe mich dem Ausſpruche Jhres guten Herzens, und ohne den Schritt, den ich gethan habe, zu recht- fertigen, oder mich deßwegen anzuklagen, will ich Jhnen die Urſache meines Ent- weichens entdecken. Jch bin eine Ungluͤk- liche, durch ein allzu empfindſames Herz und die Folgen einer unwiderſtehlichen Lei- denſchaft ungluͤklich. Meine Geſchichte iſt nicht ganz, die ich Jhnen erzaͤhlte, und die Sie die Gefaͤlligkeit hatten mir aufs Wort zu glauben. Ohne Umſchweife, ich be- fuͤrchtete einen Thomas Jmgarten in das Haus meines Wohlthaͤters zu verpflanzen und entfloh. Eine elende Huͤtte mag mei- ne Schande verbergen, ich will ſie nicht auf das Haus verbreiten, wo ich eine men- ſchenfreundliche Aufnahme genoſſen habe. Die mißliche Lage, in der ich mich befinde, hat mich genoͤthiget, einige Kleinigkeiten an Schmuck und Gelde, aus der Schreib- kommode meines Wohnzimmers mir zuzu- eignen. Jch erbiete mich zur Wiedererſtat- tung des Werthes, ſo bald es ein milderes Schikſal erlauben wird; mein Herz hat kei- nen Antheil an dieſem Raube, den das aͤuſ-
ſerſte
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lich gemacht haͤtte. Beurtheilen Sie mich
nicht zu ſtrenge, ich unterwerfe mich dem
Ausſpruche Jhres guten Herzens, und ohne
den Schritt, den ich gethan habe, zu recht-
fertigen, oder mich deßwegen anzuklagen,
will ich Jhnen die Urſache meines Ent-
weichens entdecken. Jch bin eine Ungluͤk-
liche, durch ein allzu empfindſames Herz
und die Folgen einer unwiderſtehlichen Lei-
denſchaft ungluͤklich. Meine Geſchichte iſt
nicht ganz, die ich Jhnen erzaͤhlte, und die
Sie die Gefaͤlligkeit hatten mir aufs Wort
zu glauben. Ohne Umſchweife, ich be-
fuͤrchtete einen Thomas Jmgarten in das
Haus meines Wohlthaͤters zu verpflanzen
und entfloh. Eine elende Huͤtte mag mei-
ne Schande verbergen, ich will ſie nicht
auf das Haus verbreiten, wo ich eine men-
ſchenfreundliche Aufnahme genoſſen habe.
Die mißliche Lage, in der ich mich befinde,
hat mich genoͤthiget, einige Kleinigkeiten
an Schmuck und Gelde, aus der Schreib-
kommode meines Wohnzimmers mir zuzu-
eignen. Jch erbiete mich zur Wiedererſtat-
tung des Werthes, ſo bald es ein milderes
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/202>, abgerufen am 16.02.2025.
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