Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

schen Geistlichen, welche noch heut zu Tage als
unbedingte Lobredner der Reformation auftreten,
nicht, daß sie das alte, unsern neueren Verfas-
sungen ewig unentbehrliche, politische Gewicht der
Geistlichkeit, aus Unwissenheit, übersehen; aber
daß die Staatswissenschaft dieses Gewicht ganz
versäumt, ist unverantwortlich, und kann nur
ihrer calculatorischen Richtung und dem Römi-
schen Tode, der in allen ihren Adern wüthet,
zugeschrieben werden. -- Daß das Regieren der
Staaten ein reines Verstandesgeschäft sey; daß
die geistliche Macht in alle Ewigkeit sich in keine
weltlichen Angelegenheiten mischen dürfe; daß es
keinen Staat im Staate oder vielmehr -- wie
es im Sinne der Weisen unsers Jahrhunderts
heißt -- keine moralische Person, keine Corpo-
ration, sondern nur physische Personen, wirk-
liche leibhaftige Producenten und Vermehrer des
reinen Einkommens, oder solche Leute, die man
im gemeinen Leben nützliche Staatsbürger nennt,
geben dürfe; daß demnach auch alles corporative
Vermögen, alle Gemeinheit unstatthaft sey, (eben
so wie den Lehnsverfassungen erklärt worden ist,
daß, wegen der reinen Balance von jährlicher
Staatseinnahme und Staatsausgabe, kein Fami-
lieneigenthum mehr geduldet werden könne) --:
diese wohlfeilen Maximen werden Sie bei allen

ſchen Geiſtlichen, welche noch heut zu Tage als
unbedingte Lobredner der Reformation auftreten,
nicht, daß ſie das alte, unſern neueren Verfaſ-
ſungen ewig unentbehrliche, politiſche Gewicht der
Geiſtlichkeit, aus Unwiſſenheit, uͤberſehen; aber
daß die Staatswiſſenſchaft dieſes Gewicht ganz
verſaͤumt, iſt unverantwortlich, und kann nur
ihrer calculatoriſchen Richtung und dem Roͤmi-
ſchen Tode, der in allen ihren Adern wuͤthet,
zugeſchrieben werden. — Daß das Regieren der
Staaten ein reines Verſtandesgeſchaͤft ſey; daß
die geiſtliche Macht in alle Ewigkeit ſich in keine
weltlichen Angelegenheiten miſchen duͤrfe; daß es
keinen Staat im Staate oder vielmehr — wie
es im Sinne der Weiſen unſers Jahrhunderts
heißt — keine moraliſche Perſon, keine Corpo-
ration, ſondern nur phyſiſche Perſonen, wirk-
liche leibhaftige Producenten und Vermehrer des
reinen Einkommens, oder ſolche Leute, die man
im gemeinen Leben nuͤtzliche Staatsbuͤrger nennt,
geben duͤrfe; daß demnach auch alles corporative
Vermoͤgen, alle Gemeinheit unſtatthaft ſey, (eben
ſo wie den Lehnsverfaſſungen erklaͤrt worden iſt,
daß, wegen der reinen Balance von jaͤhrlicher
Staatseinnahme und Staatsausgabe, kein Fami-
lieneigenthum mehr geduldet werden koͤnne) —:
dieſe wohlfeilen Maximen werden Sie bei allen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0126" n="118"/>
&#x017F;chen Gei&#x017F;tlichen, welche noch heut zu Tage als<lb/>
unbedingte Lobredner der Reformation auftreten,<lb/>
nicht, daß &#x017F;ie das alte, un&#x017F;ern neueren Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ungen ewig unentbehrliche, politi&#x017F;che Gewicht der<lb/>
Gei&#x017F;tlichkeit, aus Unwi&#x017F;&#x017F;enheit, u&#x0364;ber&#x017F;ehen; aber<lb/>
daß die Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft die&#x017F;es Gewicht ganz<lb/>
ver&#x017F;a&#x0364;umt, i&#x017F;t unverantwortlich, und kann nur<lb/>
ihrer calculatori&#x017F;chen Richtung und dem Ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;chen Tode, der in allen ihren Adern wu&#x0364;thet,<lb/>
zuge&#x017F;chrieben werden. &#x2014; Daß das Regieren der<lb/>
Staaten ein reines Ver&#x017F;tandesge&#x017F;cha&#x0364;ft &#x017F;ey; daß<lb/>
die gei&#x017F;tliche Macht in alle Ewigkeit &#x017F;ich in keine<lb/>
weltlichen Angelegenheiten mi&#x017F;chen du&#x0364;rfe; daß es<lb/>
keinen Staat im Staate oder vielmehr &#x2014; wie<lb/>
es im Sinne der Wei&#x017F;en un&#x017F;ers Jahrhunderts<lb/>
heißt &#x2014; keine morali&#x017F;che Per&#x017F;on, keine Corpo-<lb/>
ration, &#x017F;ondern nur phy&#x017F;i&#x017F;che Per&#x017F;onen, wirk-<lb/>
liche leibhaftige Producenten und Vermehrer des<lb/>
reinen Einkommens, oder &#x017F;olche Leute, die man<lb/>
im gemeinen Leben nu&#x0364;tzliche Staatsbu&#x0364;rger nennt,<lb/>
geben du&#x0364;rfe; daß demnach auch alles corporative<lb/>
Vermo&#x0364;gen, alle Gemeinheit un&#x017F;tatthaft &#x017F;ey, (eben<lb/>
&#x017F;o wie den Lehnsverfa&#x017F;&#x017F;ungen erkla&#x0364;rt worden i&#x017F;t,<lb/>
daß, wegen der reinen Balance von ja&#x0364;hrlicher<lb/>
Staatseinnahme und Staatsausgabe, kein Fami-<lb/>
lieneigenthum mehr geduldet werden ko&#x0364;nne) &#x2014;:<lb/>
die&#x017F;e wohlfeilen Maximen werden Sie bei allen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0126] ſchen Geiſtlichen, welche noch heut zu Tage als unbedingte Lobredner der Reformation auftreten, nicht, daß ſie das alte, unſern neueren Verfaſ- ſungen ewig unentbehrliche, politiſche Gewicht der Geiſtlichkeit, aus Unwiſſenheit, uͤberſehen; aber daß die Staatswiſſenſchaft dieſes Gewicht ganz verſaͤumt, iſt unverantwortlich, und kann nur ihrer calculatoriſchen Richtung und dem Roͤmi- ſchen Tode, der in allen ihren Adern wuͤthet, zugeſchrieben werden. — Daß das Regieren der Staaten ein reines Verſtandesgeſchaͤft ſey; daß die geiſtliche Macht in alle Ewigkeit ſich in keine weltlichen Angelegenheiten miſchen duͤrfe; daß es keinen Staat im Staate oder vielmehr — wie es im Sinne der Weiſen unſers Jahrhunderts heißt — keine moraliſche Perſon, keine Corpo- ration, ſondern nur phyſiſche Perſonen, wirk- liche leibhaftige Producenten und Vermehrer des reinen Einkommens, oder ſolche Leute, die man im gemeinen Leben nuͤtzliche Staatsbuͤrger nennt, geben duͤrfe; daß demnach auch alles corporative Vermoͤgen, alle Gemeinheit unſtatthaft ſey, (eben ſo wie den Lehnsverfaſſungen erklaͤrt worden iſt, daß, wegen der reinen Balance von jaͤhrlicher Staatseinnahme und Staatsausgabe, kein Fami- lieneigenthum mehr geduldet werden koͤnne) —: dieſe wohlfeilen Maximen werden Sie bei allen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/126
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/126>, abgerufen am 04.05.2024.