1422. Unter den aus dem gewöhnlichen Leben ge- nommenen, aber allgemein gehaltenen, Bildwerken be- ziehen sich aus Gründen, welche in der Geschichte der Kunst liegen, bei weitem die meisten auf den Dienst der Götter und auf die an diesen Dienst sich anschließen- 2den Handlungen und Spiele. -- Cultusfeierlichkeiten werden auf Griechischen Reliefs einfach und zusammenge- zogen, auf Römischen Bildwerken ausführlicher und mit 3mehr Bezeichnung des Details vorgestellt. Häufiger sind jedoch Scenen der Art auf Vasengemählden, wo Dar- bringungen, Spenden, Cultusgebräuche mit großer Aus- führlichkeit und genauer Observanz des wirklichen Rituals 4entwickelt werden. Besonders oft finden sich hier die meist verkannten Todtenopfer; Cippen (§. 286), oft mit Na- men beschrieben, mit Helmen, Gefäßen besetzt, auch Säulen oder ganze tempelartige Heroa (§. 294, 8), in denen Waffen hängen, Gefäße stehn, Zweige aufgesteckt sind, und oft auch die Gestalt des Hingeschiednen leib- haft zu sehen ist, werden durch Tänien-Umwindung, Oel-Beträufung, Weinspenden aus Phialen und Karche- sien (§. 298. 299.), und Darbringungen aus Körbchen (kanoun §. 300.) und Kästchen (kibotia §. 297.), be- sonders von den Frauen der Familie, sorgfältig geehrt. 5Interessant ist auch, die Aufstellung (idrusis) von Her- men und Bildsäulen in alten Kunstwerken, namentlich 6Gemmen, veranschaulicht zu sehen. Personen, welche beim Opferdienste thätig waren, wurden, besonders wenn ihr Geschäft eine bedeutsam gefällige Stellung herbei- führte, auch in Statuen zeitig dargestellt, wie die Kane- phoren, Karyatiden, allerlei Opferdiener u. dgl.
Syſtematiſcher Theil.
B. Darſtellungen allgemeiner Art.
1. Cultushandlungen.
1422. Unter den aus dem gewoͤhnlichen Leben ge- nommenen, aber allgemein gehaltenen, Bildwerken be- ziehen ſich aus Gruͤnden, welche in der Geſchichte der Kunſt liegen, bei weitem die meiſten auf den Dienſt der Goͤtter und auf die an dieſen Dienſt ſich anſchließen- 2den Handlungen und Spiele. — Cultusfeierlichkeiten werden auf Griechiſchen Reliefs einfach und zuſammenge- zogen, auf Roͤmiſchen Bildwerken ausfuͤhrlicher und mit 3mehr Bezeichnung des Details vorgeſtellt. Haͤufiger ſind jedoch Scenen der Art auf Vaſengemaͤhlden, wo Dar- bringungen, Spenden, Cultusgebraͤuche mit großer Aus- fuͤhrlichkeit und genauer Obſervanz des wirklichen Rituals 4entwickelt werden. Beſonders oft finden ſich hier die meiſt verkannten Todtenopfer; Cippen (§. 286), oft mit Na- men beſchrieben, mit Helmen, Gefaͤßen beſetzt, auch Saͤulen oder ganze tempelartige Heroa (§. 294, 8), in denen Waffen haͤngen, Gefaͤße ſtehn, Zweige aufgeſteckt ſind, und oft auch die Geſtalt des Hingeſchiednen leib- haft zu ſehen iſt, werden durch Taͤnien-Umwindung, Oel-Betraͤufung, Weinſpenden aus Phialen und Karche- ſien (§. 298. 299.), und Darbringungen aus Koͤrbchen (κανοῦν §. 300.) und Kaͤſtchen (κιβώτια §. 297.), be- ſonders von den Frauen der Familie, ſorgfaͤltig geehrt. 5Intereſſant iſt auch, die Aufſtellung (ἳδρυσις) von Her- men und Bildſaͤulen in alten Kunſtwerken, namentlich 6Gemmen, veranſchaulicht zu ſehen. Perſonen, welche beim Opferdienſte thaͤtig waren, wurden, beſonders wenn ihr Geſchaͤft eine bedeutſam gefaͤllige Stellung herbei- fuͤhrte, auch in Statuen zeitig dargeſtellt, wie die Kane- phoren, Karyatiden, allerlei Opferdiener u. dgl.
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Syſtematiſcher Theil.
B. Darſtellungen allgemeiner Art.
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nommenen, aber allgemein gehaltenen, Bildwerken be-
ziehen ſich aus Gruͤnden, welche in der Geſchichte der
Kunſt liegen, bei weitem die meiſten auf den Dienſt
der Goͤtter und auf die an dieſen Dienſt ſich anſchließen-
den Handlungen und Spiele. — Cultusfeierlichkeiten
werden auf Griechiſchen Reliefs einfach und zuſammenge-
zogen, auf Roͤmiſchen Bildwerken ausfuͤhrlicher und mit
mehr Bezeichnung des Details vorgeſtellt. Haͤufiger
ſind jedoch Scenen der Art auf Vaſengemaͤhlden, wo Dar-
bringungen, Spenden, Cultusgebraͤuche mit großer Aus-
fuͤhrlichkeit und genauer Obſervanz des wirklichen Rituals
entwickelt werden. Beſonders oft finden ſich hier die meiſt
verkannten Todtenopfer; Cippen (§. 286), oft mit Na-
men beſchrieben, mit Helmen, Gefaͤßen beſetzt, auch
Saͤulen oder ganze tempelartige Heroa (§. 294, 8), in
denen Waffen haͤngen, Gefaͤße ſtehn, Zweige aufgeſteckt
ſind, und oft auch die Geſtalt des Hingeſchiednen leib-
haft zu ſehen iſt, werden durch Taͤnien-Umwindung,
Oel-Betraͤufung, Weinſpenden aus Phialen und Karche-
ſien (§. 298. 299.), und Darbringungen aus Koͤrbchen
(κανοῦν §. 300.) und Kaͤſtchen (κιβώτια §. 297.), be-
ſonders von den Frauen der Familie, ſorgfaͤltig geehrt.
Intereſſant iſt auch, die Aufſtellung (ἳδρυσις) von Her-
men und Bildſaͤulen in alten Kunſtwerken, namentlich
Gemmen, veranſchaulicht zu ſehen. Perſonen, welche
beim Opferdienſte thaͤtig waren, wurden, beſonders wenn
ihr Geſchaͤft eine bedeutſam gefaͤllige Stellung herbei-
fuͤhrte, auch in Statuen zeitig dargeſtellt, wie die Kane-
phoren, Karyatiden, allerlei Opferdiener u. dgl.
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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/612>, abgerufen am 30.12.2024.
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