Litteratur eintritt, (bei Archilochos kommt er in sehr wenigen Fällen vor), dagegen eine frühere Periode der Sprache seiner ganz entbehrte: so kann man vielleicht die Dorier als diejenigen, die den Artikel überhaupt zuerst aufgebracht, ansehn: was einen Begriff geben würde von den Verändrungen, die damals die Grie- chische Sprache im Ganzen erfahren.
Eigenthümliche Wörter hat jede Mundart, aber merkwürdig ist es, wenn dies einfache Wurzelwörter sind, die sehr gewöhnliche Begriffe bezeichnen, und wenn sie den andern Mundarten ganz fremd sind. Dies gilt wenigstens von dem Lakonischen khaos, khaios, akhaios, gut, Aristoph. Lys. 90. 1157. Hesych akhaia. (wo Heinsius das vorgesetzte a mit Unrecht verbannt) Theokr. 7, 4., von koos, groß, Etym. M. 396, 29. Wörter, die in der bekannten Sprache durchaus einsam stehn; auch len, wollen, Koen p. 252. Maitt. p. 278., und mao für sinnen, suchen (Lakonisch und Sici- lisch, vgl. Toup in Suid. 1. p. 462. Meineke Euphor. p. 162.) sind reindorisch. Beiläufig: die Betrachtung des letzten Worts mit seinen Ableitungen zeigt auch, wie wenig Grund die Meinung hat: die Musen seien ursprünglich Jonische Gottheiten; lehrt nicht das falsch- gebildete Mousa selbst, daß das Wort, und somit auch der Begriff aus einem andern Zweige Griechischer Sprache und Nation übertragen ist?
11.
Da wir zum Behuf der vorstehenden Bemer- kungen die Dorische Volksmundart im Ganzen behan- delt, und die Lakonische nur als die Dorikotate zu Grunde gelegt haben: so ist es noch nöthig, eine Ueber- sicht der Mundarten der einzelnen Städte, so succinct wie möglich, anzuschließen. Die herbe Eigenthümlich- keit des Lakonischen Dorismus kennen wir zum Theil aus Alkman, der indeß als Poet ein allzuenges An- schließen verschmähte, und nie Moa sondern Mosa, nie lipoa sondern lipoisa sagt, nie s mit r ver- tauscht und dgl., vollständiger durch die Spartiaten bei Aristophanes. Vergleicht man mit dieser die Ur- kunde des Spartiatisch - Argivischen Bündnisses bei
Litteratur eintritt, (bei Archilochos kommt er in ſehr wenigen Faͤllen vor), dagegen eine fruͤhere Periode der Sprache ſeiner ganz entbehrte: ſo kann man vielleicht die Dorier als diejenigen, die den Artikel uͤberhaupt zuerſt aufgebracht, anſehn: was einen Begriff geben wuͤrde von den Veraͤndrungen, die damals die Grie- chiſche Sprache im Ganzen erfahren.
Eigenthuͤmliche Woͤrter hat jede Mundart, aber merkwuͤrdig iſt es, wenn dies einfache Wurzelwoͤrter ſind, die ſehr gewoͤhnliche Begriffe bezeichnen, und wenn ſie den andern Mundarten ganz fremd ſind. Dies gilt wenigſtens von dem Lakoniſchen χάος, χάϊος, ἀχαῖος, gut, Ariſtoph. Lyſ. 90. 1157. Heſych ἀχαία. (wo Heinſius das vorgeſetzte α mit Unrecht verbannt) Theokr. 7, 4., von κόος, groß, Etym. M. 396, 29. Woͤrter, die in der bekannten Sprache durchaus einſam ſtehn; auch λῆν, wollen, Koen p. 252. Maitt. p. 278., und μάω fuͤr ſinnen, ſuchen (Lakoniſch und Sici- liſch, vgl. Toup in Suid. 1. p. 462. Meineke Euphor. p. 162.) ſind reindoriſch. Beilaͤufig: die Betrachtung des letzten Worts mit ſeinen Ableitungen zeigt auch, wie wenig Grund die Meinung hat: die Muſen ſeien urſpruͤnglich Joniſche Gottheiten; lehrt nicht das falſch- gebildete Μοῦσα ſelbſt, daß das Wort, und ſomit auch der Begriff aus einem andern Zweige Griechiſcher Sprache und Nation uͤbertragen iſt?
11.
Da wir zum Behuf der vorſtehenden Bemer- kungen die Doriſche Volksmundart im Ganzen behan- delt, und die Lakoniſche nur als die Δωρικωτάτη zu Grunde gelegt haben: ſo iſt es noch noͤthig, eine Ueber- ſicht der Mundarten der einzelnen Staͤdte, ſo ſuccinct wie moͤglich, anzuſchließen. Die herbe Eigenthuͤmlich- keit des Lakoniſchen Dorismus kennen wir zum Theil aus Alkman, der indeß als Poët ein allzuenges An- ſchließen verſchmaͤhte, und nie Μῶἁ ſondern Μῶσα, nie λιπῶἁ ſondern λιποῖσα ſagt, nie σ mit ρ ver- tauſcht und dgl., vollſtaͤndiger durch die Spartiaten bei Ariſtophanes. Vergleicht man mit dieſer die Ur- kunde des Spartiatiſch - Argiviſchen Buͤndniſſes bei
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0534"n="528"/>
Litteratur eintritt, (bei Archilochos kommt er in ſehr<lb/>
wenigen Faͤllen vor), dagegen eine fruͤhere Periode der<lb/>
Sprache ſeiner ganz entbehrte: ſo kann man vielleicht<lb/>
die Dorier als diejenigen, die den Artikel uͤberhaupt<lb/>
zuerſt aufgebracht, anſehn: was einen Begriff geben<lb/>
wuͤrde von den Veraͤndrungen, die damals die Grie-<lb/>
chiſche Sprache im Ganzen erfahren.</p><lb/><p>Eigenthuͤmliche Woͤrter hat jede Mundart, aber<lb/>
merkwuͤrdig iſt es, wenn dies einfache Wurzelwoͤrter<lb/>ſind, die ſehr gewoͤhnliche Begriffe bezeichnen, und<lb/>
wenn ſie den andern Mundarten ganz fremd ſind.<lb/>
Dies gilt wenigſtens von dem Lakoniſchen χάος, χάϊος,<lb/>ἀχαῖος, gut, Ariſtoph. Lyſ. 90. 1157. Heſych ἀχαία.<lb/>
(wo Heinſius das vorgeſetzte α mit Unrecht verbannt)<lb/>
Theokr. 7, 4., von κόος, groß, Etym. M. 396, 29.<lb/>
Woͤrter, die in der bekannten Sprache durchaus einſam<lb/>ſtehn; auch λῆν, wollen, Koen <hirendition="#aq">p.</hi> 252. Maitt. <hirendition="#aq">p.</hi><lb/>
278., und μάω fuͤr ſinnen, ſuchen (Lakoniſch und Sici-<lb/>
liſch, vgl. Toup <hirendition="#aq">in Suid. 1. p.</hi> 462. Meineke <hirendition="#aq">Euphor.<lb/>
p.</hi> 162.) ſind reindoriſch. Beilaͤufig: die Betrachtung<lb/>
des letzten Worts mit ſeinen Ableitungen zeigt auch,<lb/>
wie wenig Grund die Meinung hat: die Muſen ſeien<lb/>
urſpruͤnglich Joniſche Gottheiten; lehrt nicht das falſch-<lb/>
gebildete Μοῦσαſelbſt, daß das Wort, und ſomit auch<lb/>
der Begriff aus einem andern Zweige Griechiſcher<lb/>
Sprache und Nation uͤbertragen iſt?</p></div><lb/><divn="3"><head>11.</head><lb/><p>Da wir zum Behuf der vorſtehenden Bemer-<lb/>
kungen die Doriſche Volksmundart im Ganzen behan-<lb/>
delt, und die Lakoniſche nur als die Δωρικωτάτη zu<lb/>
Grunde gelegt haben: ſo iſt es noch noͤthig, eine Ueber-<lb/>ſicht der Mundarten der einzelnen Staͤdte, ſo ſuccinct<lb/>
wie moͤglich, anzuſchließen. Die herbe Eigenthuͤmlich-<lb/>
keit des <hirendition="#g">Lakoniſchen</hi> Dorismus kennen wir zum Theil<lb/>
aus Alkman, der indeß als Poët ein allzuenges An-<lb/>ſchließen verſchmaͤhte, und nie Μῶἁſondern Μῶσα,<lb/>
nie λιπῶἁſondern λιποῖσαſagt, nie σ mit ρ ver-<lb/>
tauſcht und dgl., vollſtaͤndiger durch die Spartiaten<lb/>
bei Ariſtophanes. Vergleicht man mit dieſer die Ur-<lb/>
kunde des Spartiatiſch - Argiviſchen Buͤndniſſes bei<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[528/0534]
Litteratur eintritt, (bei Archilochos kommt er in ſehr
wenigen Faͤllen vor), dagegen eine fruͤhere Periode der
Sprache ſeiner ganz entbehrte: ſo kann man vielleicht
die Dorier als diejenigen, die den Artikel uͤberhaupt
zuerſt aufgebracht, anſehn: was einen Begriff geben
wuͤrde von den Veraͤndrungen, die damals die Grie-
chiſche Sprache im Ganzen erfahren.
Eigenthuͤmliche Woͤrter hat jede Mundart, aber
merkwuͤrdig iſt es, wenn dies einfache Wurzelwoͤrter
ſind, die ſehr gewoͤhnliche Begriffe bezeichnen, und
wenn ſie den andern Mundarten ganz fremd ſind.
Dies gilt wenigſtens von dem Lakoniſchen χάος, χάϊος,
ἀχαῖος, gut, Ariſtoph. Lyſ. 90. 1157. Heſych ἀχαία.
(wo Heinſius das vorgeſetzte α mit Unrecht verbannt)
Theokr. 7, 4., von κόος, groß, Etym. M. 396, 29.
Woͤrter, die in der bekannten Sprache durchaus einſam
ſtehn; auch λῆν, wollen, Koen p. 252. Maitt. p.
278., und μάω fuͤr ſinnen, ſuchen (Lakoniſch und Sici-
liſch, vgl. Toup in Suid. 1. p. 462. Meineke Euphor.
p. 162.) ſind reindoriſch. Beilaͤufig: die Betrachtung
des letzten Worts mit ſeinen Ableitungen zeigt auch,
wie wenig Grund die Meinung hat: die Muſen ſeien
urſpruͤnglich Joniſche Gottheiten; lehrt nicht das falſch-
gebildete Μοῦσα ſelbſt, daß das Wort, und ſomit auch
der Begriff aus einem andern Zweige Griechiſcher
Sprache und Nation uͤbertragen iſt?
11.
Da wir zum Behuf der vorſtehenden Bemer-
kungen die Doriſche Volksmundart im Ganzen behan-
delt, und die Lakoniſche nur als die Δωρικωτάτη zu
Grunde gelegt haben: ſo iſt es noch noͤthig, eine Ueber-
ſicht der Mundarten der einzelnen Staͤdte, ſo ſuccinct
wie moͤglich, anzuſchließen. Die herbe Eigenthuͤmlich-
keit des Lakoniſchen Dorismus kennen wir zum Theil
aus Alkman, der indeß als Poët ein allzuenges An-
ſchließen verſchmaͤhte, und nie Μῶἁ ſondern Μῶσα,
nie λιπῶἁ ſondern λιποῖσα ſagt, nie σ mit ρ ver-
tauſcht und dgl., vollſtaͤndiger durch die Spartiaten
bei Ariſtophanes. Vergleicht man mit dieſer die Ur-
kunde des Spartiatiſch - Argiviſchen Buͤndniſſes bei
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/534>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.