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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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politische Redekunst, und in der Philosophie die Dia-
lektik den eigentlich Dorischen Völkern fremd war --
denn die Sikulische Rhetoren- und Sophistenschule hat
offenbar blos in dem besondern Charakter dieser Insu-
laner ihren Ursprung 1 -- und beider Ausbildung,
wie die der eigentlichen Dramatik, den Athenern auf-
gehoben bleiben mußte, ist leicht einzusehn; die Rede-
kunst insbesondre konnte sich erst ergeben, wenn jene
innerliche und äußerliche Richtung verschmolzen, und
in bestimmter Beziehung auf den Empfangenden dar-
gestellt wurde.

2.

Dagegen hat anstatt der Attischen Dialektik
und deinotes im Reden der Dorische Stamm eine
eigenthümliche Weise sich auszudrücken, die ich indeß
durch das Gnomische, Apophthegmatische,
Spruchartige
bezeichnen will. Der eigentliche
Grundzug ist das Streben, mit möglichst wenig äußer-
lichen Mitteln möglichst viel innres Leben mitzutheilen,
und vom Unwesentlichen absehend den Kern des Gedan-

Zeit schrieb wie Thukyd., für Dorische Züge halten will. Doch
fehlt ihm zum Dorier vor allem ein prägnanter Begriff vom
Staate.
1 Man vgl. oben S. 159. und denke an Gorgias den Leon-
tiner, und daß Hippias selbst aus kleinen Städten Sieiliens, wie
Inykos, solche Summen gewann. -- Sparta dagegen hatte wie
Argos (oben S. 146.) und Kreta keine Redner, Cic. Brut. 13.
Tac. dialog. 40. und die Rhetorik (als tekhne anen aletheias
Plut. und Apostol. 13, 72.) war vom Staate ausgeschlossen, Atben.
13, 611 a. Kephisophon o agathos muthetas wurde verbannt,
Plut. Inst. Lac. p. 254. Apostol. 19, 89., und die Ephoren be-
straften jeden, der eine fremde Redeweise in den Staat brachte,
wie man aus Kreta tous en logois alazoneuomenous jagte. Sext
Empir. adv. mathem. 68 b. Auch giebt es keine bessre Critik
sophistischer Panegyriken, als das Lakonische: tis auton psegei;
III. 25

politiſche Redekunſt, und in der Philoſophie die Dia-
lektik den eigentlich Doriſchen Voͤlkern fremd war —
denn die Sikuliſche Rhetoren- und Sophiſtenſchule hat
offenbar blos in dem beſondern Charakter dieſer Inſu-
laner ihren Urſprung 1 — und beider Ausbildung,
wie die der eigentlichen Dramatik, den Athenern auf-
gehoben bleiben mußte, iſt leicht einzuſehn; die Rede-
kunſt insbeſondre konnte ſich erſt ergeben, wenn jene
innerliche und aͤußerliche Richtung verſchmolzen, und
in beſtimmter Beziehung auf den Empfangenden dar-
geſtellt wurde.

2.

Dagegen hat anſtatt der Attiſchen Dialektik
und δεινότης im Reden der Doriſche Stamm eine
eigenthuͤmliche Weiſe ſich auszudruͤcken, die ich indeß
durch das Gnomiſche, Apophthegmatiſche,
Spruchartige
bezeichnen will. Der eigentliche
Grundzug iſt das Streben, mit moͤglichſt wenig aͤußer-
lichen Mitteln moͤglichſt viel innres Leben mitzutheilen,
und vom Unweſentlichen abſehend den Kern des Gedan-

Zeit ſchrieb wie Thukyd., fuͤr Doriſche Zuͤge halten will. Doch
fehlt ihm zum Dorier vor allem ein praͤgnanter Begriff vom
Staate.
1 Man vgl. oben S. 159. und denke an Gorgias den Leon-
tiner, und daß Hippias ſelbſt aus kleinen Staͤdten Sieiliens, wie
Inykos, ſolche Summen gewann. — Sparta dagegen hatte wie
Argos (oben S. 146.) und Kreta keine Redner, Cic. Brut. 13.
Tac. dialog. 40. und die Rhetorik (als τέχνη ἄνεν ἀληϑείας
Plut. und Apoſtol. 13, 72.) war vom Staate ausgeſchloſſen, Atben.
13, 611 a. Kephiſophon ὁ ἀγαϑὸς μυϑητάς wurde verbannt,
Plut. Inst. Lac. p. 254. Apoſtol. 19, 89., und die Ephoren be-
ſtraften jeden, der eine fremde Redeweiſe in den Staat brachte,
wie man aus Kreta τοὺς ἐν λόγοις ἀλαζονευομένους jagte. Sext
Empir. adv. mathem. 68 b. Auch giebt es keine beſſre Critik
ſophiſtiſcher Panegyriken, als das Lakoniſche: τίς αὐτὸν ψέγει;
III. 25
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[385/0391] politiſche Redekunſt, und in der Philoſophie die Dia- lektik den eigentlich Doriſchen Voͤlkern fremd war — denn die Sikuliſche Rhetoren- und Sophiſtenſchule hat offenbar blos in dem beſondern Charakter dieſer Inſu- laner ihren Urſprung 1 — und beider Ausbildung, wie die der eigentlichen Dramatik, den Athenern auf- gehoben bleiben mußte, iſt leicht einzuſehn; die Rede- kunſt insbeſondre konnte ſich erſt ergeben, wenn jene innerliche und aͤußerliche Richtung verſchmolzen, und in beſtimmter Beziehung auf den Empfangenden dar- geſtellt wurde. 2. Dagegen hat anſtatt der Attiſchen Dialektik und δεινότης im Reden der Doriſche Stamm eine eigenthuͤmliche Weiſe ſich auszudruͤcken, die ich indeß durch das Gnomiſche, Apophthegmatiſche, Spruchartige bezeichnen will. Der eigentliche Grundzug iſt das Streben, mit moͤglichſt wenig aͤußer- lichen Mitteln moͤglichſt viel innres Leben mitzutheilen, und vom Unweſentlichen abſehend den Kern des Gedan- 3 1 Man vgl. oben S. 159. und denke an Gorgias den Leon- tiner, und daß Hippias ſelbſt aus kleinen Staͤdten Sieiliens, wie Inykos, ſolche Summen gewann. — Sparta dagegen hatte wie Argos (oben S. 146.) und Kreta keine Redner, Cic. Brut. 13. Tac. dialog. 40. und die Rhetorik (als τέχνη ἄνεν ἀληϑείας Plut. und Apoſtol. 13, 72.) war vom Staate ausgeſchloſſen, Atben. 13, 611 a. Kephiſophon ὁ ἀγαϑὸς μυϑητάς wurde verbannt, Plut. Inst. Lac. p. 254. Apoſtol. 19, 89., und die Ephoren be- ſtraften jeden, der eine fremde Redeweiſe in den Staat brachte, wie man aus Kreta τοὺς ἐν λόγοις ἀλαζονευομένους jagte. Sext Empir. adv. mathem. 68 b. Auch giebt es keine beſſre Critik ſophiſtiſcher Panegyriken, als das Lakoniſche: τίς αὐτὸν ψέγει; 3 Zeit ſchrieb wie Thukyd., fuͤr Doriſche Zuͤge halten will. Doch fehlt ihm zum Dorier vor allem ein praͤgnanter Begriff vom Staate. III. 25

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/391>, abgerufen am 22.12.2024.