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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Gelehrten in Beinamen des Apollon und der Artemis
umzuändern suchen muß.

7.

Der wahre Zwillingsbruder des Didymäischen
ist der Klarische Gott, an Ursprung sowohl als an
Charakter des Cultus. Die einzelnen Umstände der
Gründungssage mögen so sehr in der Fabel darinstehn,
als man will: so war es doch in alten Zeiten unmög-
lich, ein religiöses Colonialverhältniß zu erfinden, wo
es nicht statt fand, weil bei der Wichtigkeit dieses
Verbandes das wahre eben so wenig aus der Erinne-
rung schwinden, als ein falsches untergeschoben werden
konnte. Hier drücken offenbar die Sagen eine doppelte
Abhängigkeit und Pietät aus, die das Institut von
Klaros gegen Delphi und Kreta bekannte. Die Toch-
ter des Thebäischen Weissagers Teiresias, Manto,
wird, nach der epischen Fabel, von den Epigonen nach
der Eroberung Thebens dem Delphischen Gotte ge-
weiht 1, und von diesem als Colonie ausgesandt wird
sie in der Gegend, wo hernach die Jonier Kolophon
bauten, Frau des Kreter Rhakios, der, als Gegenstück
des Heisern, der Zerlumpte heißt 2: uralte und
seltsame Prophetennamen. Das Grab ihres Vaters
Teiresias, welches man sonst auch in Böotien zeigte,
erwähnt der Kyklische Dichter Augias zu Kolophon 3.
Der Sohn jener Ehe ist Mopsos, von dem sich wahr-
scheinlich die Familie ableitete, aus welcher noch in
Römischer Zeit die Priester des Orakels genommen
wurden 4. Die Formen der Weissagung sind auch hier
den Delphischen analog.


1 Kyklische Thebais bei Schol. Apoll. 1, 308. Apollod.
3, 7, 4. Diod. 4, 66. Paus. 7, 3. 9, 33.
2 Denn er heißt
sowohl Rakios als Aakios, weil im Kretischen die Rake lake.
Schneider zu Nik. Alexiph. V. 11. S. 83.
3 Chrestomathia
Procli.
4 Strabo 14, 675. Konon 6. -- Tacit. Ann. 2, 54.

Gelehrten in Beinamen des Apollon und der Artemis
umzuaͤndern ſuchen muß.

7.

Der wahre Zwillingsbruder des Didymaͤiſchen
iſt der Klariſche Gott, an Urſprung ſowohl als an
Charakter des Cultus. Die einzelnen Umſtaͤnde der
Gruͤndungsſage moͤgen ſo ſehr in der Fabel darinſtehn,
als man will: ſo war es doch in alten Zeiten unmoͤg-
lich, ein religioͤſes Colonialverhaͤltniß zu erfinden, wo
es nicht ſtatt fand, weil bei der Wichtigkeit dieſes
Verbandes das wahre eben ſo wenig aus der Erinne-
rung ſchwinden, als ein falſches untergeſchoben werden
konnte. Hier druͤcken offenbar die Sagen eine doppelte
Abhaͤngigkeit und Pietaͤt aus, die das Inſtitut von
Klaros gegen Delphi und Kreta bekannte. Die Toch-
ter des Thebaͤiſchen Weiſſagers Teireſias, Manto,
wird, nach der epiſchen Fabel, von den Epigonen nach
der Eroberung Thebens dem Delphiſchen Gotte ge-
weiht 1, und von dieſem als Colonie ausgeſandt wird
ſie in der Gegend, wo hernach die Jonier Kolophon
bauten, Frau des Kreter Rhakios, der, als Gegenſtuͤck
des Heiſern, der Zerlumpte heißt 2: uralte und
ſeltſame Prophetennamen. Das Grab ihres Vaters
Teireſias, welches man ſonſt auch in Boͤotien zeigte,
erwaͤhnt der Kykliſche Dichter Augias zu Kolophon 3.
Der Sohn jener Ehe iſt Mopſos, von dem ſich wahr-
ſcheinlich die Familie ableitete, aus welcher noch in
Roͤmiſcher Zeit die Prieſter des Orakels genommen
wurden 4. Die Formen der Weiſſagung ſind auch hier
den Delphiſchen analog.


1 Kykliſche Thebais bei Schol. Apoll. 1, 308. Apollod.
3, 7, 4. Diod. 4, 66. Pauſ. 7, 3. 9, 33.
2 Denn er heißt
ſowohl Ῥάκιος als Αάκιος, weil im Kretiſchen die ῥάκη λάκη.
Schneider zu Nik. Alexiph. V. 11. S. 83.
3 Chrestomathia
Procli.
4 Strabo 14, 675. Konon 6. — Tacit. Ann. 2, 54.
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[226/0256] Gelehrten in Beinamen des Apollon und der Artemis umzuaͤndern ſuchen muß. 7. Der wahre Zwillingsbruder des Didymaͤiſchen iſt der Klariſche Gott, an Urſprung ſowohl als an Charakter des Cultus. Die einzelnen Umſtaͤnde der Gruͤndungsſage moͤgen ſo ſehr in der Fabel darinſtehn, als man will: ſo war es doch in alten Zeiten unmoͤg- lich, ein religioͤſes Colonialverhaͤltniß zu erfinden, wo es nicht ſtatt fand, weil bei der Wichtigkeit dieſes Verbandes das wahre eben ſo wenig aus der Erinne- rung ſchwinden, als ein falſches untergeſchoben werden konnte. Hier druͤcken offenbar die Sagen eine doppelte Abhaͤngigkeit und Pietaͤt aus, die das Inſtitut von Klaros gegen Delphi und Kreta bekannte. Die Toch- ter des Thebaͤiſchen Weiſſagers Teireſias, Manto, wird, nach der epiſchen Fabel, von den Epigonen nach der Eroberung Thebens dem Delphiſchen Gotte ge- weiht 1, und von dieſem als Colonie ausgeſandt wird ſie in der Gegend, wo hernach die Jonier Kolophon bauten, Frau des Kreter Rhakios, der, als Gegenſtuͤck des Heiſern, der Zerlumpte heißt 2: uralte und ſeltſame Prophetennamen. Das Grab ihres Vaters Teireſias, welches man ſonſt auch in Boͤotien zeigte, erwaͤhnt der Kykliſche Dichter Augias zu Kolophon 3. Der Sohn jener Ehe iſt Mopſos, von dem ſich wahr- ſcheinlich die Familie ableitete, aus welcher noch in Roͤmiſcher Zeit die Prieſter des Orakels genommen wurden 4. Die Formen der Weiſſagung ſind auch hier den Delphiſchen analog. 1 Kykliſche Thebais bei Schol. Apoll. 1, 308. Apollod. 3, 7, 4. Diod. 4, 66. Pauſ. 7, 3. 9, 33. 2 Denn er heißt ſowohl Ῥάκιος als Αάκιος, weil im Kretiſchen die ῥάκη λάκη. Schneider zu Nik. Alexiph. V. 11. S. 83. 3 Chrestomathia Procli. 4 Strabo 14, 675. Konon 6. — Tacit. Ann. 2, 54.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/256>, abgerufen am 21.11.2024.