Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

und dieser Begebenheit einen tragischen Aus-
gang
gab.

Meleager tödtete im Gefecht seiner Mutter
Brüder. Als diese nun die Leichname der Er-
schlagenen erblickte, schwur sie, den Tod der Brü-
der an ihrem eigenen Sohne zu rächen. Die
Parzen hatten nehmlich bei der Geburt des Melea-
ger ein Scheit Holz nah an die Flamme auf den
Heerd gelegt, mit dem Bedeuten, daß der Al-
thäa Sohn so lange leben würde, als die Flamme
nicht dies Holz verzehrte.

Althäa hatte, wie ein köstliches Kleinod, bis
jetzt dies Scheit Holz aufbewahrt; nun warf sie
es in die lichte Flamme, mit lauten Verwünschun-
gen gegen ihren Sohn, der plötzlich von verzeh-
render Gluth sein Inneres ausgetrocknet, seine
Gebeine zermalmet fühlte, und unter zuckender
Qual verschied. -- Kaum aber vernahm Althäa
die schreckliche Wirkung, von dem, was sie ge-
than, so gab sie aus Reue und Verzweiflung sich
selbst den Tod.

Atalante.

Auch Atalante freute sich ihres Sieges nicht
lange; sie vermied so lange sie konnte, sich zu ver-
mählen, weil unvermeidliches Unglück in der Ehe,
nach einer Weißagung, ihr bevorstand. Um nun
die Freier abzuschrecken, trug sie jedem, der um

und dieſer Begebenheit einen tragiſchen Aus-
gang
gab.

Meleager toͤdtete im Gefecht ſeiner Mutter
Bruͤder. Als dieſe nun die Leichname der Er-
ſchlagenen erblickte, ſchwur ſie, den Tod der Bruͤ-
der an ihrem eigenen Sohne zu raͤchen. Die
Parzen hatten nehmlich bei der Geburt des Melea-
ger ein Scheit Holz nah an die Flamme auf den
Heerd gelegt, mit dem Bedeuten, daß der Al-
thaͤa Sohn ſo lange leben wuͤrde, als die Flamme
nicht dies Holz verzehrte.

Althaͤa hatte, wie ein koͤſtliches Kleinod, bis
jetzt dies Scheit Holz aufbewahrt; nun warf ſie
es in die lichte Flamme, mit lauten Verwuͤnſchun-
gen gegen ihren Sohn, der ploͤtzlich von verzeh-
render Gluth ſein Inneres ausgetrocknet, ſeine
Gebeine zermalmet fuͤhlte, und unter zuckender
Qual verſchied. — Kaum aber vernahm Althaͤa
die ſchreckliche Wirkung, von dem, was ſie ge-
than, ſo gab ſie aus Reue und Verzweiflung ſich
ſelbſt den Tod.

Atalante.

Auch Atalante freute ſich ihres Sieges nicht
lange; ſie vermied ſo lange ſie konnte, ſich zu ver-
maͤhlen, weil unvermeidliches Ungluͤck in der Ehe,
nach einer Weißagung, ihr bevorſtand. Um nun
die Freier abzuſchrecken, trug ſie jedem, der um

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0334" n="278"/>
und die&#x017F;er Begebenheit <hi rendition="#fr">einen tragi&#x017F;chen Aus-<lb/>
gang</hi> gab.</p><lb/>
          <p>Meleager to&#x0364;dtete im Gefecht &#x017F;einer Mutter<lb/>
Bru&#x0364;der. Als die&#x017F;e nun die Leichname der Er-<lb/>
&#x017F;chlagenen erblickte, &#x017F;chwur &#x017F;ie, den Tod der Bru&#x0364;-<lb/>
der an ihrem eigenen Sohne zu ra&#x0364;chen. Die<lb/>
Parzen hatten nehmlich bei der Geburt des Melea-<lb/>
ger ein Scheit Holz nah an die Flamme auf den<lb/>
Heerd gelegt, mit dem Bedeuten, daß der Al-<lb/>
tha&#x0364;a Sohn &#x017F;o lange leben wu&#x0364;rde, als die Flamme<lb/>
nicht dies Holz verzehrte.</p><lb/>
          <p>Altha&#x0364;a hatte, wie ein ko&#x0364;&#x017F;tliches Kleinod, bis<lb/>
jetzt dies Scheit Holz aufbewahrt; nun warf &#x017F;ie<lb/>
es in die lichte Flamme, mit lauten Verwu&#x0364;n&#x017F;chun-<lb/>
gen gegen ihren Sohn, der plo&#x0364;tzlich von verzeh-<lb/>
render Gluth &#x017F;ein Inneres ausgetrocknet, &#x017F;eine<lb/>
Gebeine zermalmet fu&#x0364;hlte, und unter zuckender<lb/>
Qual ver&#x017F;chied. &#x2014; Kaum aber vernahm Altha&#x0364;a<lb/>
die &#x017F;chreckliche Wirkung, von dem, was &#x017F;ie ge-<lb/>
than, &#x017F;o gab &#x017F;ie aus Reue und Verzweiflung &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t den Tod.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Atalante</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Auch Atalante freute &#x017F;ich ihres Sieges nicht<lb/>
lange; &#x017F;ie vermied &#x017F;o lange &#x017F;ie konnte, &#x017F;ich zu ver-<lb/>
ma&#x0364;hlen, weil unvermeidliches Unglu&#x0364;ck in der Ehe,<lb/>
nach einer Weißagung, ihr bevor&#x017F;tand. Um nun<lb/>
die Freier abzu&#x017F;chrecken, trug &#x017F;ie jedem, der um<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0334] und dieſer Begebenheit einen tragiſchen Aus- gang gab. Meleager toͤdtete im Gefecht ſeiner Mutter Bruͤder. Als dieſe nun die Leichname der Er- ſchlagenen erblickte, ſchwur ſie, den Tod der Bruͤ- der an ihrem eigenen Sohne zu raͤchen. Die Parzen hatten nehmlich bei der Geburt des Melea- ger ein Scheit Holz nah an die Flamme auf den Heerd gelegt, mit dem Bedeuten, daß der Al- thaͤa Sohn ſo lange leben wuͤrde, als die Flamme nicht dies Holz verzehrte. Althaͤa hatte, wie ein koͤſtliches Kleinod, bis jetzt dies Scheit Holz aufbewahrt; nun warf ſie es in die lichte Flamme, mit lauten Verwuͤnſchun- gen gegen ihren Sohn, der ploͤtzlich von verzeh- render Gluth ſein Inneres ausgetrocknet, ſeine Gebeine zermalmet fuͤhlte, und unter zuckender Qual verſchied. — Kaum aber vernahm Althaͤa die ſchreckliche Wirkung, von dem, was ſie ge- than, ſo gab ſie aus Reue und Verzweiflung ſich ſelbſt den Tod. Atalante. Auch Atalante freute ſich ihres Sieges nicht lange; ſie vermied ſo lange ſie konnte, ſich zu ver- maͤhlen, weil unvermeidliches Ungluͤck in der Ehe, nach einer Weißagung, ihr bevorſtand. Um nun die Freier abzuſchrecken, trug ſie jedem, der um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/334
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/334>, abgerufen am 20.11.2024.