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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.

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Wenn nun dieser Thätigkeitstrieb eine unrechte Richtung genommen hat, so entstehet dadurch eine Unordnung, oder Disharmonie in den von Kindheit auf gesammleten Vorstellungen; ein mißbilligendes Gefühl; wovon etwas ähnliches bei dem Körper statt findet, sobald der Nahrungstrieb sich gleichsam vergangen hat.

Von einer Krisis bei der Heilung der Seelenkrankheiten, wo die beßre Natur wieder die Oberhand gewinnt, hat man bisher noch wenig oder nichts bemerkt. -- Aber daß bei den Seelenkrankheiten eben eine solche Krisis statt findet, ist gewiß, und der eigentliche Seelenarzt wird sie sicher bemerken.

Die frömmelnde Phantasie ist auf etwas von der Art gefallen, das im philosophischen Sinn genommen, gewiß eben nicht so unvernünftig ist. -- Es muß nehmlich bei den Bekehrungen der so genannten Frommen immer ein gewisser Durchbruch statt finden, welcher mit der Krisis, die nothwendig bei den Seelenkrankheiten statt finden muß, viel Aehnliches hat.

Ueberhaupt hat sich jene frömmelnde Phantasie, ohngeachtet der unrechten Richtung, die sie genommen, doch noch weit mehr mit dem innern Seelenzustande beschäftiget, als die gewöhnliche Moral und Pädagogik.



Wenn nun dieser Thaͤtigkeitstrieb eine unrechte Richtung genommen hat, so entstehet dadurch eine Unordnung, oder Disharmonie in den von Kindheit auf gesammleten Vorstellungen; ein mißbilligendes Gefuͤhl; wovon etwas aͤhnliches bei dem Koͤrper statt findet, sobald der Nahrungstrieb sich gleichsam vergangen hat.

Von einer Krisis bei der Heilung der Seelenkrankheiten, wo die beßre Natur wieder die Oberhand gewinnt, hat man bisher noch wenig oder nichts bemerkt. — Aber daß bei den Seelenkrankheiten eben eine solche Krisis statt findet, ist gewiß, und der eigentliche Seelenarzt wird sie sicher bemerken.

Die froͤmmelnde Phantasie ist auf etwas von der Art gefallen, das im philosophischen Sinn genommen, gewiß eben nicht so unvernuͤnftig ist. — Es muß nehmlich bei den Bekehrungen der so genannten Frommen immer ein gewisser Durchbruch statt finden, welcher mit der Krisis, die nothwendig bei den Seelenkrankheiten statt finden muß, viel Aehnliches hat.

Ueberhaupt hat sich jene froͤmmelnde Phantasie, ohngeachtet der unrechten Richtung, die sie genommen, doch noch weit mehr mit dem innern Seelenzustande beschaͤftiget, als die gewoͤhnliche Moral und Paͤdagogik.


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[35/0037] Wenn nun dieser Thaͤtigkeitstrieb eine unrechte Richtung genommen hat, so entstehet dadurch eine Unordnung, oder Disharmonie in den von Kindheit auf gesammleten Vorstellungen; ein mißbilligendes Gefuͤhl; wovon etwas aͤhnliches bei dem Koͤrper statt findet, sobald der Nahrungstrieb sich gleichsam vergangen hat. Von einer Krisis bei der Heilung der Seelenkrankheiten, wo die beßre Natur wieder die Oberhand gewinnt, hat man bisher noch wenig oder nichts bemerkt. — Aber daß bei den Seelenkrankheiten eben eine solche Krisis statt findet, ist gewiß, und der eigentliche Seelenarzt wird sie sicher bemerken. Die froͤmmelnde Phantasie ist auf etwas von der Art gefallen, das im philosophischen Sinn genommen, gewiß eben nicht so unvernuͤnftig ist. — Es muß nehmlich bei den Bekehrungen der so genannten Frommen immer ein gewisser Durchbruch statt finden, welcher mit der Krisis, die nothwendig bei den Seelenkrankheiten statt finden muß, viel Aehnliches hat. Ueberhaupt hat sich jene froͤmmelnde Phantasie, ohngeachtet der unrechten Richtung, die sie genommen, doch noch weit mehr mit dem innern Seelenzustande beschaͤftiget, als die gewoͤhnliche Moral und Paͤdagogik.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/37>, abgerufen am 26.04.2024.