ren schon so schwere Unglücksfälle zu ertragen haben. Sie können versichert seyn, daß ich an diesem schweren Verhäng- niß den aufrichtigsten Antheil nehme und etc.
Arabelle.
IV. Amaliens Antwort.
Das hätten Sie mit ansehen sollen! So wie mein Mann eine Zeile, und wieder eine Zeile, von Ihrem freund- schaftlichen Briefe las, kurrete und murrete er immer vor sich hin -- "Ey verflucht! warum nicht gar? Nun! hat die Hexe noch mehr? keine Vernunft und keine Tugend im zwanzigsten Jahre zeigen zu dürfen, ohne den Namen zu bekommen, daß man die Vernünftige spiele oder die Tu- gendhafte mache? Hat der böse Feind jemals einen hämi- schern und giftigern Angriff auf die junge furchtsame und bescheidene Tugend unser auf blühenden Kinder gemacht? Nun -- nun -- noch weiter, das sind mir Rathschläge; welche alle darauf hinausgehen, daß man nicht allerliebst seyn kann, ohne alle Fehler seiner Jahre in ihrem besten Schmucke zu zeigen, und daß nichts abgeschmackter sey, als sich zu bessern und nach den Gesetzen der Vernunft zu handeln -- wozu denn alle heutige Erziehung, Religion, Moral? -- beym tausend" -- Hier sprang er mit bey- den Beinen auf einen Stuhl, zertrümmerte ihn aber auch in tausend Stücken, und dieser Zufall, der uns beyde in das größte Schrecken versetzte, brachte uns endlich zu einer angenehmen und vertraulichen Eröfnung unserer Herzen. Denn meine Besorgniß, daß er Schaden genommen haben mögte, und die seinige, daß er mich durch seinen Fall zu
sehr
Alſo kann man der Mode
ren ſchon ſo ſchwere Ungluͤcksfaͤlle zu ertragen haben. Sie koͤnnen verſichert ſeyn, daß ich an dieſem ſchweren Verhaͤng- niß den aufrichtigſten Antheil nehme und ꝛc.
Arabelle.
IV. Amaliens Antwort.
Das haͤtten Sie mit anſehen ſollen! So wie mein Mann eine Zeile, und wieder eine Zeile, von Ihrem freund- ſchaftlichen Briefe las, kurrete und murrete er immer vor ſich hin — „Ey verflucht! warum nicht gar? Nun! hat die Hexe noch mehr? keine Vernunft und keine Tugend im zwanzigſten Jahre zeigen zu duͤrfen, ohne den Namen zu bekommen, daß man die Vernuͤnftige ſpiele oder die Tu- gendhafte mache? Hat der boͤſe Feind jemals einen haͤmi- ſchern und giftigern Angriff auf die junge furchtſame und beſcheidene Tugend unſer auf bluͤhenden Kinder gemacht? Nun — nun — noch weiter, das ſind mir Rathſchlaͤge; welche alle darauf hinausgehen, daß man nicht allerliebſt ſeyn kann, ohne alle Fehler ſeiner Jahre in ihrem beſten Schmucke zu zeigen, und daß nichts abgeſchmackter ſey, als ſich zu beſſern und nach den Geſetzen der Vernunft zu handeln — wozu denn alle heutige Erziehung, Religion, Moral? — beym tauſend„ — Hier ſprang er mit bey- den Beinen auf einen Stuhl, zertruͤmmerte ihn aber auch in tauſend Stuͤcken, und dieſer Zufall, der uns beyde in das groͤßte Schrecken verſetzte, brachte uns endlich zu einer angenehmen und vertraulichen Eroͤfnung unſerer Herzen. Denn meine Beſorgniß, daß er Schaden genommen haben moͤgte, und die ſeinige, daß er mich durch ſeinen Fall zu
ſehr
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Alſo kann man der Mode
ren ſchon ſo ſchwere Ungluͤcksfaͤlle zu ertragen haben. Sie
koͤnnen verſichert ſeyn, daß ich an dieſem ſchweren Verhaͤng-
niß den aufrichtigſten Antheil nehme und ꝛc.
Arabelle.
IV.
Amaliens Antwort.
Das haͤtten Sie mit anſehen ſollen! So wie mein Mann
eine Zeile, und wieder eine Zeile, von Ihrem freund-
ſchaftlichen Briefe las, kurrete und murrete er immer vor
ſich hin — „Ey verflucht! warum nicht gar? Nun! hat
die Hexe noch mehr? keine Vernunft und keine Tugend im
zwanzigſten Jahre zeigen zu duͤrfen, ohne den Namen zu
bekommen, daß man die Vernuͤnftige ſpiele oder die Tu-
gendhafte mache? Hat der boͤſe Feind jemals einen haͤmi-
ſchern und giftigern Angriff auf die junge furchtſame und
beſcheidene Tugend unſer auf bluͤhenden Kinder gemacht?
Nun — nun — noch weiter, das ſind mir Rathſchlaͤge;
welche alle darauf hinausgehen, daß man nicht allerliebſt
ſeyn kann, ohne alle Fehler ſeiner Jahre in ihrem beſten
Schmucke zu zeigen, und daß nichts abgeſchmackter ſey,
als ſich zu beſſern und nach den Geſetzen der Vernunft zu
handeln — wozu denn alle heutige Erziehung, Religion,
Moral? — beym tauſend„ — Hier ſprang er mit bey-
den Beinen auf einen Stuhl, zertruͤmmerte ihn aber auch
in tauſend Stuͤcken, und dieſer Zufall, der uns beyde in
das groͤßte Schrecken verſetzte, brachte uns endlich zu einer
angenehmen und vertraulichen Eroͤfnung unſerer Herzen.
Denn meine Beſorgniß, daß er Schaden genommen haben
moͤgte, und die ſeinige, daß er mich durch ſeinen Fall zu
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/24>, abgerufen am 03.03.2025.
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