XIX. Nichts ist schädlicher als die überhand- nehmende Ausheurung der Bauerhöfe.
Ich habe mich in meinen Gedanken mehrmalen ins künftige Jahrhundert versetzt, und mich in die Versammlungen unser Urenkel begeben, um zu hören, worüber sie sich am mehrsten beschwerten, und was manche Sache nach ihrem jetzigen Laufe für ein Ziel erreichet hätte. Das erste was ich hörete, war dieses:
Es ist unbegreiflich, warum unsre Vorfahren die Hofesbe- satzung so sehr vernachläßiget, und den Grund zu dem ver- wünschten Heuerwesen gelegt haben. Anstatt unsre Pächte zu bekommen, werden wir durch Rechnungen geplündert. Da hat die Kriegerfuhr so vieles gekostet; hier hat der Reu- ter so viel verfressen; das haben die Lieferungen weggenom- men; jenes die feindlichen Erpressungen oder die Gerichtskosten. Nun sind die Häuser eingefallen; die Heuerleute haben zum Theil das Holz gestohlen, zum Theil aber nicht wieder nach- gepflanzt; wo soll man die Kosten hernehmen? Eine zehn- jährige Aufopserung unser Pächte verschlägt nichts; und wenn man einen Hof zur Erbpacht austhun will, so ist niemand, der ihn annehmen mag. Den mehrsten fehlt es an Mitteln, einen Hof, worauf die Gebäude den Einsturz drohen, und dessen Aecker mit starker Hand angegriffen werden müssen, anzufassen; und diejenigen, so es wohl thun könnten, wollen sich theils unserer Willkühr nicht unterwerfen; theils aber fin- den sie sich besser dabey, wenn sie die Ländereyen zur Heuer
nutzen
Nichts iſt ſchaͤdlicher
XIX. Nichts iſt ſchaͤdlicher als die uͤberhand- nehmende Ausheurung der Bauerhoͤfe.
Ich habe mich in meinen Gedanken mehrmalen ins kuͤnftige Jahrhundert verſetzt, und mich in die Verſammlungen unſer Urenkel begeben, um zu hoͤren, woruͤber ſie ſich am mehrſten beſchwerten, und was manche Sache nach ihrem jetzigen Laufe fuͤr ein Ziel erreichet haͤtte. Das erſte was ich hoͤrete, war dieſes:
Es iſt unbegreiflich, warum unſre Vorfahren die Hofesbe- ſatzung ſo ſehr vernachlaͤßiget, und den Grund zu dem ver- wuͤnſchten Heuerweſen gelegt haben. Anſtatt unſre Paͤchte zu bekommen, werden wir durch Rechnungen gepluͤndert. Da hat die Kriegerfuhr ſo vieles gekoſtet; hier hat der Reu- ter ſo viel verfreſſen; das haben die Lieferungen weggenom- men; jenes die feindlichen Erpreſſungen oder die Gerichtskoſten. Nun ſind die Haͤuſer eingefallen; die Heuerleute haben zum Theil das Holz geſtohlen, zum Theil aber nicht wieder nach- gepflanzt; wo ſoll man die Koſten hernehmen? Eine zehn- jaͤhrige Aufopſerung unſer Paͤchte verſchlaͤgt nichts; und wenn man einen Hof zur Erbpacht austhun will, ſo iſt niemand, der ihn annehmen mag. Den mehrſten fehlt es an Mitteln, einen Hof, worauf die Gebaͤude den Einſturz drohen, und deſſen Aecker mit ſtarker Hand angegriffen werden muͤſſen, anzufaſſen; und diejenigen, ſo es wohl thun koͤnnten, wollen ſich theils unſerer Willkuͤhr nicht unterwerfen; theils aber fin- den ſie ſich beſſer dabey, wenn ſie die Laͤndereyen zur Heuer
nutzen
<TEI><text><body><pbfacs="#f0134"n="116"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Nichts iſt ſchaͤdlicher</hi></fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XIX.</hi><lb/>
Nichts iſt ſchaͤdlicher als die uͤberhand-<lb/>
nehmende Ausheurung der<lb/>
Bauerhoͤfe.</hi></head><lb/><p>Ich habe mich in meinen Gedanken mehrmalen ins kuͤnftige<lb/>
Jahrhundert verſetzt, und mich in die Verſammlungen<lb/>
unſer Urenkel begeben, um zu hoͤren, woruͤber ſie ſich am<lb/>
mehrſten beſchwerten, und was manche Sache nach ihrem<lb/>
jetzigen Laufe fuͤr ein Ziel erreichet haͤtte. Das erſte was ich<lb/>
hoͤrete, war dieſes:</p><lb/><p>Es iſt unbegreiflich, warum unſre Vorfahren die Hofesbe-<lb/>ſatzung ſo ſehr vernachlaͤßiget, und den Grund zu dem ver-<lb/>
wuͤnſchten Heuerweſen gelegt haben. Anſtatt unſre Paͤchte<lb/>
zu bekommen, werden wir durch Rechnungen gepluͤndert.<lb/>
Da hat die Kriegerfuhr ſo vieles gekoſtet; hier hat der Reu-<lb/>
ter ſo viel verfreſſen; das haben die Lieferungen weggenom-<lb/>
men; jenes die feindlichen Erpreſſungen oder die Gerichtskoſten.<lb/>
Nun ſind die Haͤuſer eingefallen; die Heuerleute haben zum<lb/>
Theil das Holz geſtohlen, zum Theil aber nicht wieder nach-<lb/>
gepflanzt; wo ſoll man die Koſten hernehmen? Eine zehn-<lb/>
jaͤhrige Aufopſerung unſer Paͤchte verſchlaͤgt nichts; und wenn<lb/>
man einen Hof zur Erbpacht austhun will, ſo iſt niemand,<lb/>
der ihn annehmen mag. Den mehrſten fehlt es an Mitteln,<lb/>
einen Hof, worauf die Gebaͤude den Einſturz drohen, und<lb/>
deſſen Aecker mit ſtarker Hand angegriffen werden muͤſſen,<lb/>
anzufaſſen; und diejenigen, ſo es wohl thun koͤnnten, wollen<lb/>ſich theils unſerer Willkuͤhr nicht unterwerfen; theils aber fin-<lb/>
den ſie ſich beſſer dabey, wenn ſie die Laͤndereyen zur Heuer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nutzen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0134]
Nichts iſt ſchaͤdlicher
XIX.
Nichts iſt ſchaͤdlicher als die uͤberhand-
nehmende Ausheurung der
Bauerhoͤfe.
Ich habe mich in meinen Gedanken mehrmalen ins kuͤnftige
Jahrhundert verſetzt, und mich in die Verſammlungen
unſer Urenkel begeben, um zu hoͤren, woruͤber ſie ſich am
mehrſten beſchwerten, und was manche Sache nach ihrem
jetzigen Laufe fuͤr ein Ziel erreichet haͤtte. Das erſte was ich
hoͤrete, war dieſes:
Es iſt unbegreiflich, warum unſre Vorfahren die Hofesbe-
ſatzung ſo ſehr vernachlaͤßiget, und den Grund zu dem ver-
wuͤnſchten Heuerweſen gelegt haben. Anſtatt unſre Paͤchte
zu bekommen, werden wir durch Rechnungen gepluͤndert.
Da hat die Kriegerfuhr ſo vieles gekoſtet; hier hat der Reu-
ter ſo viel verfreſſen; das haben die Lieferungen weggenom-
men; jenes die feindlichen Erpreſſungen oder die Gerichtskoſten.
Nun ſind die Haͤuſer eingefallen; die Heuerleute haben zum
Theil das Holz geſtohlen, zum Theil aber nicht wieder nach-
gepflanzt; wo ſoll man die Koſten hernehmen? Eine zehn-
jaͤhrige Aufopſerung unſer Paͤchte verſchlaͤgt nichts; und wenn
man einen Hof zur Erbpacht austhun will, ſo iſt niemand,
der ihn annehmen mag. Den mehrſten fehlt es an Mitteln,
einen Hof, worauf die Gebaͤude den Einſturz drohen, und
deſſen Aecker mit ſtarker Hand angegriffen werden muͤſſen,
anzufaſſen; und diejenigen, ſo es wohl thun koͤnnten, wollen
ſich theils unſerer Willkuͤhr nicht unterwerfen; theils aber fin-
den ſie ſich beſſer dabey, wenn ſie die Laͤndereyen zur Heuer
nutzen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/134>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.