Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedanken über den westphäl. Leibeigenthum.
desversammlung. Der Lito oder zweydrittel Knecht war
ebenfalls genug gedeckt, da er sein bewilligtes Hofrecht, und
seine Hofversammlung hatte, und in derselben von seinem
Drittelfreyheit eine Person vorstellete. Er war so weit von
jenem nicht unterschieden; nur daß er wie unser heutiger Sol-
dat für seinen Leib gebunden war. Beyde waren also nach
damaliger Art ihres Eigenthums halber gesichert, und bey
den damaligen gemeinen Anstalten genugsam repräsentirt.
Allein dies würde der Leibeigne, mit dem der Gutsherr sich
gleichsam völlig abfindet, nicht seyn. Dieser würde das Sei-
nige von ihm fordern und nehmen, und ihn für das übrige
ohne alle Repräsentation lassen.

Noch eine Hauptsache ist der Luxus, welchem sich der Leib-
eigne aus politischen Ursachen nicht überläßt, aus Beysorge,
die Weinkaufs und andre Gelder mögten ihm nach der schein-
baren Größe, die er sich in Kleidungen und sonst geben würde,
zugemessen werden. Er ist also wider die stärkste von allen
Versuchungen, nemlich den Ehrgeiz einigermaßen gedeckt;
und auch diesen würde er ausgesetzt werden, wenn der Guts-
herr nur ein gewisses erhielte.

Mehrere Gründe können wir hier nicht anführen. Viel-
leicht ließen sich auch noch sehr starke Gründe für die gegen-
seitige Meinung entdecken, wenn man von einer Materie
alles sagen wollte, was davon gesagt werden könnte.



XIX.
H 2

Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum.
desverſammlung. Der Lito oder zweydrittel Knecht war
ebenfalls genug gedeckt, da er ſein bewilligtes Hofrecht, und
ſeine Hofverſammlung hatte, und in derſelben von ſeinem
Drittelfreyheit eine Perſon vorſtellete. Er war ſo weit von
jenem nicht unterſchieden; nur daß er wie unſer heutiger Sol-
dat fuͤr ſeinen Leib gebunden war. Beyde waren alſo nach
damaliger Art ihres Eigenthums halber geſichert, und bey
den damaligen gemeinen Anſtalten genugſam repraͤſentirt.
Allein dies wuͤrde der Leibeigne, mit dem der Gutsherr ſich
gleichſam voͤllig abfindet, nicht ſeyn. Dieſer wuͤrde das Sei-
nige von ihm fordern und nehmen, und ihn fuͤr das uͤbrige
ohne alle Repraͤſentation laſſen.

Noch eine Hauptſache iſt der Luxus, welchem ſich der Leib-
eigne aus politiſchen Urſachen nicht uͤberlaͤßt, aus Beyſorge,
die Weinkaufs und andre Gelder moͤgten ihm nach der ſchein-
baren Groͤße, die er ſich in Kleidungen und ſonſt geben wuͤrde,
zugemeſſen werden. Er iſt alſo wider die ſtaͤrkſte von allen
Verſuchungen, nemlich den Ehrgeiz einigermaßen gedeckt;
und auch dieſen wuͤrde er ausgeſetzt werden, wenn der Guts-
herr nur ein gewiſſes erhielte.

Mehrere Gruͤnde koͤnnen wir hier nicht anfuͤhren. Viel-
leicht ließen ſich auch noch ſehr ſtarke Gruͤnde fuͤr die gegen-
ſeitige Meinung entdecken, wenn man von einer Materie
alles ſagen wollte, was davon geſagt werden koͤnnte.



XIX.
H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="115"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gedanken u&#x0364;ber den we&#x017F;tpha&#x0364;l. Leibeigenthum.</hi></fw><lb/>
desver&#x017F;ammlung. Der <hi rendition="#aq">Lito</hi> oder zweydrittel Knecht war<lb/>
ebenfalls genug gedeckt, da er &#x017F;ein bewilligtes Hofrecht, und<lb/>
&#x017F;eine Hofver&#x017F;ammlung hatte, und in der&#x017F;elben von &#x017F;einem<lb/>
Drittelfreyheit eine Per&#x017F;on vor&#x017F;tellete. Er war &#x017F;o weit von<lb/>
jenem nicht unter&#x017F;chieden; nur daß er wie un&#x017F;er heutiger Sol-<lb/>
dat fu&#x0364;r &#x017F;einen Leib gebunden war. Beyde waren al&#x017F;o nach<lb/>
damaliger Art ihres Eigenthums halber ge&#x017F;ichert, und bey<lb/>
den damaligen gemeinen An&#x017F;talten genug&#x017F;am repra&#x0364;&#x017F;entirt.<lb/>
Allein dies wu&#x0364;rde der Leibeigne, mit dem der Gutsherr &#x017F;ich<lb/>
gleich&#x017F;am vo&#x0364;llig abfindet, nicht &#x017F;eyn. Die&#x017F;er wu&#x0364;rde das Sei-<lb/>
nige von ihm fordern und nehmen, und ihn fu&#x0364;r das u&#x0364;brige<lb/>
ohne alle Repra&#x0364;&#x017F;entation la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Noch eine Haupt&#x017F;ache i&#x017F;t der Luxus, welchem &#x017F;ich der Leib-<lb/>
eigne aus politi&#x017F;chen Ur&#x017F;achen nicht u&#x0364;berla&#x0364;ßt, aus Bey&#x017F;orge,<lb/>
die Weinkaufs und andre Gelder mo&#x0364;gten ihm nach der &#x017F;chein-<lb/>
baren Gro&#x0364;ße, die er &#x017F;ich in Kleidungen und &#x017F;on&#x017F;t geben wu&#x0364;rde,<lb/>
zugeme&#x017F;&#x017F;en werden. Er i&#x017F;t al&#x017F;o wider die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te von allen<lb/>
Ver&#x017F;uchungen, nemlich den Ehrgeiz einigermaßen gedeckt;<lb/>
und auch die&#x017F;en wu&#x0364;rde er ausge&#x017F;etzt werden, wenn der Guts-<lb/>
herr nur ein gewi&#x017F;&#x017F;es erhielte.</p><lb/>
        <p>Mehrere Gru&#x0364;nde ko&#x0364;nnen wir hier nicht anfu&#x0364;hren. Viel-<lb/>
leicht ließen &#x017F;ich auch noch &#x017F;ehr &#x017F;tarke Gru&#x0364;nde fu&#x0364;r die gegen-<lb/>
&#x017F;eitige Meinung entdecken, wenn man von einer Materie<lb/>
alles &#x017F;agen wollte, was davon ge&#x017F;agt werden ko&#x0364;nnte.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">H 2</fw>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">XIX.</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0133] Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum. desverſammlung. Der Lito oder zweydrittel Knecht war ebenfalls genug gedeckt, da er ſein bewilligtes Hofrecht, und ſeine Hofverſammlung hatte, und in derſelben von ſeinem Drittelfreyheit eine Perſon vorſtellete. Er war ſo weit von jenem nicht unterſchieden; nur daß er wie unſer heutiger Sol- dat fuͤr ſeinen Leib gebunden war. Beyde waren alſo nach damaliger Art ihres Eigenthums halber geſichert, und bey den damaligen gemeinen Anſtalten genugſam repraͤſentirt. Allein dies wuͤrde der Leibeigne, mit dem der Gutsherr ſich gleichſam voͤllig abfindet, nicht ſeyn. Dieſer wuͤrde das Sei- nige von ihm fordern und nehmen, und ihn fuͤr das uͤbrige ohne alle Repraͤſentation laſſen. Noch eine Hauptſache iſt der Luxus, welchem ſich der Leib- eigne aus politiſchen Urſachen nicht uͤberlaͤßt, aus Beyſorge, die Weinkaufs und andre Gelder moͤgten ihm nach der ſchein- baren Groͤße, die er ſich in Kleidungen und ſonſt geben wuͤrde, zugemeſſen werden. Er iſt alſo wider die ſtaͤrkſte von allen Verſuchungen, nemlich den Ehrgeiz einigermaßen gedeckt; und auch dieſen wuͤrde er ausgeſetzt werden, wenn der Guts- herr nur ein gewiſſes erhielte. Mehrere Gruͤnde koͤnnen wir hier nicht anfuͤhren. Viel- leicht ließen ſich auch noch ſehr ſtarke Gruͤnde fuͤr die gegen- ſeitige Meinung entdecken, wenn man von einer Materie alles ſagen wollte, was davon geſagt werden koͤnnte. XIX. H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/133
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/133>, abgerufen am 24.11.2024.