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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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als sie aber hörte, daß er gar keinen erhalten habe,
und nur deswegen so unruhig sey, stellte sie ihm
vor, wie unnöthiger Weise er sich selber quäle, da
es ja eben soviel gute oder gleichgültige Ursachen
geben könne, warum der Brief einen Posttag län-
ger ausbleibe, als böse, und unangenehme. Jhre
Gründe, und noch mehr ihr freundliches Gesicht
hellten seine Seele wieder auf, und bannten alle
Zweifel und Grübeleyen draus weg; und dieser
Abend war ihm einer der fröhlichsten, zumal da
ihm auch Mariane noch sagte, es sey ihr erst bey-
gefallen, daß der Hofrath Schrager schon vor ei-
nem Jahr gesagt habe, er wolle diesen Sommer
ins Abacherbad reifen. Er blieb bis nach zehn
Uhr bey Frau Held, und traf seinen Bauren
schon im Bette an. Es that ihm leid, daß er
ihn wecken mußte, aber Thomas that ganz freund-
lich.

Den andern Morgen fand er auch Thomas
und sein Weib recht aufgeräumt. Sie erzählten
ihm mit grossen Freuden, was er schon wußte,
daß Frau Held ihnen in ihrer Noth ausgeholfen,
und ihnen mehr vorgeschossen habe, als sie nöthig
gehabt hätten. Sie brachen in Lobeserhebungen
der gutthätigen Frau Held aus, und Siegwart



als ſie aber hoͤrte, daß er gar keinen erhalten habe,
und nur deswegen ſo unruhig ſey, ſtellte ſie ihm
vor, wie unnoͤthiger Weiſe er ſich ſelber quaͤle, da
es ja eben ſoviel gute oder gleichguͤltige Urſachen
geben koͤnne, warum der Brief einen Poſttag laͤn-
ger ausbleibe, als boͤſe, und unangenehme. Jhre
Gruͤnde, und noch mehr ihr freundliches Geſicht
hellten ſeine Seele wieder auf, und bannten alle
Zweifel und Gruͤbeleyen draus weg; und dieſer
Abend war ihm einer der froͤhlichſten, zumal da
ihm auch Mariane noch ſagte, es ſey ihr erſt bey-
gefallen, daß der Hofrath Schrager ſchon vor ei-
nem Jahr geſagt habe, er wolle dieſen Sommer
ins Abacherbad reifen. Er blieb bis nach zehn
Uhr bey Frau Held, und traf ſeinen Bauren
ſchon im Bette an. Es that ihm leid, daß er
ihn wecken mußte, aber Thomas that ganz freund-
lich.

Den andern Morgen fand er auch Thomas
und ſein Weib recht aufgeraͤumt. Sie erzaͤhlten
ihm mit groſſen Freuden, was er ſchon wußte,
daß Frau Held ihnen in ihrer Noth ausgeholfen,
und ihnen mehr vorgeſchoſſen habe, als ſie noͤthig
gehabt haͤtten. Sie brachen in Lobeserhebungen
der gutthaͤtigen Frau Held aus, und Siegwart

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[867/0447] als ſie aber hoͤrte, daß er gar keinen erhalten habe, und nur deswegen ſo unruhig ſey, ſtellte ſie ihm vor, wie unnoͤthiger Weiſe er ſich ſelber quaͤle, da es ja eben ſoviel gute oder gleichguͤltige Urſachen geben koͤnne, warum der Brief einen Poſttag laͤn- ger ausbleibe, als boͤſe, und unangenehme. Jhre Gruͤnde, und noch mehr ihr freundliches Geſicht hellten ſeine Seele wieder auf, und bannten alle Zweifel und Gruͤbeleyen draus weg; und dieſer Abend war ihm einer der froͤhlichſten, zumal da ihm auch Mariane noch ſagte, es ſey ihr erſt bey- gefallen, daß der Hofrath Schrager ſchon vor ei- nem Jahr geſagt habe, er wolle dieſen Sommer ins Abacherbad reifen. Er blieb bis nach zehn Uhr bey Frau Held, und traf ſeinen Bauren ſchon im Bette an. Es that ihm leid, daß er ihn wecken mußte, aber Thomas that ganz freund- lich. Den andern Morgen fand er auch Thomas und ſein Weib recht aufgeraͤumt. Sie erzaͤhlten ihm mit groſſen Freuden, was er ſchon wußte, daß Frau Held ihnen in ihrer Noth ausgeholfen, und ihnen mehr vorgeſchoſſen habe, als ſie noͤthig gehabt haͤtten. Sie brachen in Lobeserhebungen der gutthaͤtigen Frau Held aus, und Siegwart

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 867. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/447>, abgerufen am 27.04.2024.