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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.

Sind solcherart die neuern Versuche, den Werth der Boden-
benutzungen, beziehungsweise der Grundstücke selbst, auf Arbeits-
oder Capitalsaufwendungen zurückzuführen, lediglich als ein
Ausfluss des Bestrebens zu betrachten, die herrschende Grund-
rententheorie, also einen Theil unserer Wissenschaft, welcher
verhältnissmässig noch am wenigsten im Widerspruche mit den
Erscheinungen des wirklichen Lebens steht, den gangbaren Irr-
thümern in den höchsten Principien unserer Wissenschaft con-
form zu gestalten, so muss gegen dieselbe, zumal in jener Form,
in welcher Ricardo*) sie ausgesprochen hat, doch der Vor-
wurf erhoben werden, dass hiedurch nicht das Princip des
Werthes, welchen Bodenbenützungen für die wirthschaftenden
Menschen haben**), sondern lediglich ein vereinzelntes Moment
seiner Verschiedenheit ans Licht gebracht und dasselbe irrthüm-
licherweise zum Principe erhoben wird.

Die verschiedene Beschaffenheit und Lage der Grundstücke
ist unzweifelhaft eine der wichtigsten Ursachen der Verschieden-
heit des Werthes der Bodenbenützungen und der Grundstücke
selbst, es sind aber ausser ihr noch andere Ursachen der
Verschiedenheit des Werthes dieser Güter vorhanden. Sie
ist demnach nicht einmal das massgebende Princip dieser letztern,
noch viel weniger aber das Princip des Werthes der Boden-
benützungen und der Grundstücke überhaupt. Wären alle Grund-
stücke von gleicher Beschaffenheit und gleich günstiger Lage,
so würden sie nach Ricardo gar keine Rente abwerfen können,
während doch nichts sicherer ist, als dass in solch einem Falle

von Grundstücken verstehen, wie sie in der Wirthschaft der Menschen that-
sächlich vorkommen und nicht die Benützung "ursprünglicher Kräfte," denn
nur die erstern sind Gegenstände der menschlichen Wirthschaft, die letztern
im concreten Falle lediglich Gegenstand einer zumeist noch sehr aussichts-
losen historischen Untersuchung und für die wirthschaftenden Menschen
irrelevant. Ob der Boden, den ein Landwirth für ein Jahr, oder für eine
Reihe von Jahren pachtet, seine Fruchtbarkeit aus Capitalaufwendungen aller
Art herleitet, oder von vornherein fruchtbar war, kümmert diesen wenig und
hat keinen Einfluss auf den Preis, den er für die Bodenbenützung bezahlt
und der Käufer eines Grundstückes bringt bei seinem Calcül wohl die "Zu-
kunft," nicht aber die "Vergangnheit" des Grundstückes in Rechnung.
*) Ricardo: Principles of P. E., Chap. 2 und 33.
**) Vgl. Rodbertus: Sociale Briefe an v. Kirchmann, 3. Br., 1851, S. 9 ff.
Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.

Sind solcherart die neuern Versuche, den Werth der Boden-
benutzungen, beziehungsweise der Grundstücke selbst, auf Arbeits-
oder Capitalsaufwendungen zurückzuführen, lediglich als ein
Ausfluss des Bestrebens zu betrachten, die herrschende Grund-
rententheorie, also einen Theil unserer Wissenschaft, welcher
verhältnissmässig noch am wenigsten im Widerspruche mit den
Erscheinungen des wirklichen Lebens steht, den gangbaren Irr-
thümern in den höchsten Principien unserer Wissenschaft con-
form zu gestalten, so muss gegen dieselbe, zumal in jener Form,
in welcher Ricardo*) sie ausgesprochen hat, doch der Vor-
wurf erhoben werden, dass hiedurch nicht das Princip des
Werthes, welchen Bodenbenützungen für die wirthschaftenden
Menschen haben**), sondern lediglich ein vereinzelntes Moment
seiner Verschiedenheit ans Licht gebracht und dasselbe irrthüm-
licherweise zum Principe erhoben wird.

Die verschiedene Beschaffenheit und Lage der Grundstücke
ist unzweifelhaft eine der wichtigsten Ursachen der Verschieden-
heit des Werthes der Bodenbenützungen und der Grundstücke
selbst, es sind aber ausser ihr noch andere Ursachen der
Verschiedenheit des Werthes dieser Güter vorhanden. Sie
ist demnach nicht einmal das massgebende Princip dieser letztern,
noch viel weniger aber das Princip des Werthes der Boden-
benützungen und der Grundstücke überhaupt. Wären alle Grund-
stücke von gleicher Beschaffenheit und gleich günstiger Lage,
so würden sie nach Ricardo gar keine Rente abwerfen können,
während doch nichts sicherer ist, als dass in solch einem Falle

von Grundstücken verstehen, wie sie in der Wirthschaft der Menschen that-
sächlich vorkommen und nicht die Benützung „ursprünglicher Kräfte,“ denn
nur die erstern sind Gegenstände der menschlichen Wirthschaft, die letztern
im concreten Falle lediglich Gegenstand einer zumeist noch sehr aussichts-
losen historischen Untersuchung und für die wirthschaftenden Menschen
irrelevant. Ob der Boden, den ein Landwirth für ein Jahr, oder für eine
Reihe von Jahren pachtet, seine Fruchtbarkeit aus Capitalaufwendungen aller
Art herleitet, oder von vornherein fruchtbar war, kümmert diesen wenig und
hat keinen Einfluss auf den Preis, den er für die Bodenbenützung bezahlt
und der Käufer eines Grundstückes bringt bei seinem Calcül wohl die „Zu-
kunft,“ nicht aber die „Vergangnheit“ des Grundstückes in Rechnung.
*) Ricardo: Principles of P. E., Chap. 2 und 33.
**) Vgl. Rodbertus: Sociale Briefe an v. Kirchmann, 3. Br., 1851, S. 9 ff.
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[146/0164] Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt. Sind solcherart die neuern Versuche, den Werth der Boden- benutzungen, beziehungsweise der Grundstücke selbst, auf Arbeits- oder Capitalsaufwendungen zurückzuführen, lediglich als ein Ausfluss des Bestrebens zu betrachten, die herrschende Grund- rententheorie, also einen Theil unserer Wissenschaft, welcher verhältnissmässig noch am wenigsten im Widerspruche mit den Erscheinungen des wirklichen Lebens steht, den gangbaren Irr- thümern in den höchsten Principien unserer Wissenschaft con- form zu gestalten, so muss gegen dieselbe, zumal in jener Form, in welcher Ricardo *) sie ausgesprochen hat, doch der Vor- wurf erhoben werden, dass hiedurch nicht das Princip des Werthes, welchen Bodenbenützungen für die wirthschaftenden Menschen haben **), sondern lediglich ein vereinzelntes Moment seiner Verschiedenheit ans Licht gebracht und dasselbe irrthüm- licherweise zum Principe erhoben wird. Die verschiedene Beschaffenheit und Lage der Grundstücke ist unzweifelhaft eine der wichtigsten Ursachen der Verschieden- heit des Werthes der Bodenbenützungen und der Grundstücke selbst, es sind aber ausser ihr noch andere Ursachen der Verschiedenheit des Werthes dieser Güter vorhanden. Sie ist demnach nicht einmal das massgebende Princip dieser letztern, noch viel weniger aber das Princip des Werthes der Boden- benützungen und der Grundstücke überhaupt. Wären alle Grund- stücke von gleicher Beschaffenheit und gleich günstiger Lage, so würden sie nach Ricardo gar keine Rente abwerfen können, während doch nichts sicherer ist, als dass in solch einem Falle **) *) Ricardo: Principles of P. E., Chap. 2 und 33. **) Vgl. Rodbertus: Sociale Briefe an v. Kirchmann, 3. Br., 1851, S. 9 ff. **) von Grundstücken verstehen, wie sie in der Wirthschaft der Menschen that- sächlich vorkommen und nicht die Benützung „ursprünglicher Kräfte,“ denn nur die erstern sind Gegenstände der menschlichen Wirthschaft, die letztern im concreten Falle lediglich Gegenstand einer zumeist noch sehr aussichts- losen historischen Untersuchung und für die wirthschaftenden Menschen irrelevant. Ob der Boden, den ein Landwirth für ein Jahr, oder für eine Reihe von Jahren pachtet, seine Fruchtbarkeit aus Capitalaufwendungen aller Art herleitet, oder von vornherein fruchtbar war, kümmert diesen wenig und hat keinen Einfluss auf den Preis, den er für die Bodenbenützung bezahlt und der Käufer eines Grundstückes bringt bei seinem Calcül wohl die „Zu- kunft,“ nicht aber die „Vergangnheit“ des Grundstückes in Rechnung.

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/164>, abgerufen am 26.04.2024.