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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Unverletzlichkeit u. Unabhängigkeit des Gesandten.
d) Ob sie dem strengen äußeren Völkerrecht entgegen sey mag be-
zweifelt werden s. Bynkershofk l. c. cap. 2. §. 6. Daß dieß ge-
schehe um den Gesandten vor der Wuth des Pöbels zu schützen,
insonderheit aber weil sie die Gesandten als Geißel für ihre Ver-
träge betrachten zeigt Le Bret Magazin Th. II. S. 205 u. f.
Laugier hist. de la paix de Belgrade T. I. p. 23. 84. u. f. Zuwei-
len bewegt ihre Politik sie Ausnahmen zu machen. So ließen sie
1736 den russischen Gesandten ziehn, setzten aber den österreichi-
schen gefangen. Umgekehrt 1787.
§. 212.
Exterritoriglität der Gesandten.

Daß der Gesandte in dem was die Führung des ihm
anvertraueten Geschäfts angeht dem Staat an welchen er
geschickt wird auf keine Weise unterworfen seyn könne, fließt
wesentlich aus dem ganzen Zweck der Gesandschaft; sofern
erkennt daher das strenge äußere Völkerrecht die Exterrito-
rialität des Gesandten. Aber das positive Völkerrecht fast
aller, insonderheit aber der Europäischen Nationen erstreckt
diese Exterritorialität viel weiter und dahin, daß im allge-
meinen der Gesandte, für sich, für sein Gefolge sein Haus
seine Wägen so beurtheilet wird, als ob er den Staat der
ihn sendet nicht verlassen habe, und daher außerhalb des Ge-
biets lebe, in welchem er residirt. Da indeß diese weite
Ausdehnung des Vorrechts der Exterritorialität nicht in dem
allgemeinen Völkerrecht, sendern allein in dem Vertrags-
oder herkömmlichen Recht ihren Grund hat, so ist sie Ein-
schränkungen fähig und leidet sie wirklich a).

a) Offenbar kann der Gesandte auch mit Einstimmung seines Hofes,
in und außerhalb seines Hotels weit nicht alles wozu das Recht
aus diesem ausgedehnten, viel umfassenden Begriff der Exterri-
torialität hergeleitet werden könnte, wie aus dem folgenden deut-
lich erhellen wird. So theuer daher auch den Gesandten dieses
Kleinod ist, so reicht die bloße Beziehung auf dasselbe nicht hin,
um den Beweiß eines jeden von ihnen begehrten Rechts zu vertreten.

§. 213.
Unverletzlichkeit u. Unabhaͤngigkeit des Geſandten.
d) Ob ſie dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht entgegen ſey mag be-
zweifelt werden ſ. Bynkershofk l. c. cap. 2. §. 6. Daß dieß ge-
ſchehe um den Geſandten vor der Wuth des Poͤbels zu ſchuͤtzen,
inſonderheit aber weil ſie die Geſandten als Geißel fuͤr ihre Ver-
traͤge betrachten zeigt Le Bret Magazin Th. II. S. 205 u. f.
Laugier hiſt. de la paix de Belgrade T. I. p. 23. 84. u. f. Zuwei-
len bewegt ihre Politik ſie Ausnahmen zu machen. So ließen ſie
1736 den ruſſiſchen Geſandten ziehn, ſetzten aber den oͤſterreichi-
ſchen gefangen. Umgekehrt 1787.
§. 212.
Exterritoriglitaͤt der Geſandten.

Daß der Geſandte in dem was die Fuͤhrung des ihm
anvertraueten Geſchaͤfts angeht dem Staat an welchen er
geſchickt wird auf keine Weiſe unterworfen ſeyn koͤnne, fließt
weſentlich aus dem ganzen Zweck der Geſandſchaft; ſofern
erkennt daher das ſtrenge aͤußere Voͤlkerrecht die Exterrito-
rialitaͤt des Geſandten. Aber das poſitive Voͤlkerrecht faſt
aller, inſonderheit aber der Europaͤiſchen Nationen erſtreckt
dieſe Exterritorialitaͤt viel weiter und dahin, daß im allge-
meinen der Geſandte, fuͤr ſich, fuͤr ſein Gefolge ſein Haus
ſeine Waͤgen ſo beurtheilet wird, als ob er den Staat der
ihn ſendet nicht verlaſſen habe, und daher außerhalb des Ge-
biets lebe, in welchem er reſidirt. Da indeß dieſe weite
Ausdehnung des Vorrechts der Exterritorialitaͤt nicht in dem
allgemeinen Voͤlkerrecht, ſendern allein in dem Vertrags-
oder herkoͤmmlichen Recht ihren Grund hat, ſo iſt ſie Ein-
ſchraͤnkungen faͤhig und leidet ſie wirklich a).

a) Offenbar kann der Geſandte auch mit Einſtimmung ſeines Hofes,
in und außerhalb ſeines Hotels weit nicht alles wozu das Recht
aus dieſem ausgedehnten, viel umfaſſenden Begriff der Exterri-
torialitaͤt hergeleitet werden koͤnnte, wie aus dem folgenden deut-
lich erhellen wird. So theuer daher auch den Geſandten dieſes
Kleinod iſt, ſo reicht die bloße Beziehung auf daſſelbe nicht hin,
um den Beweiß eines jeden von ihnen begehrten Rechts zu vertreten.

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[251/0279] Unverletzlichkeit u. Unabhaͤngigkeit des Geſandten. d⁾ Ob ſie dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht entgegen ſey mag be- zweifelt werden ſ. Bynkershofk l. c. cap. 2. §. 6. Daß dieß ge- ſchehe um den Geſandten vor der Wuth des Poͤbels zu ſchuͤtzen, inſonderheit aber weil ſie die Geſandten als Geißel fuͤr ihre Ver- traͤge betrachten zeigt Le Bret Magazin Th. II. S. 205 u. f. Laugier hiſt. de la paix de Belgrade T. I. p. 23. 84. u. f. Zuwei- len bewegt ihre Politik ſie Ausnahmen zu machen. So ließen ſie 1736 den ruſſiſchen Geſandten ziehn, ſetzten aber den oͤſterreichi- ſchen gefangen. Umgekehrt 1787. §. 212. Exterritoriglitaͤt der Geſandten. Daß der Geſandte in dem was die Fuͤhrung des ihm anvertraueten Geſchaͤfts angeht dem Staat an welchen er geſchickt wird auf keine Weiſe unterworfen ſeyn koͤnne, fließt weſentlich aus dem ganzen Zweck der Geſandſchaft; ſofern erkennt daher das ſtrenge aͤußere Voͤlkerrecht die Exterrito- rialitaͤt des Geſandten. Aber das poſitive Voͤlkerrecht faſt aller, inſonderheit aber der Europaͤiſchen Nationen erſtreckt dieſe Exterritorialitaͤt viel weiter und dahin, daß im allge- meinen der Geſandte, fuͤr ſich, fuͤr ſein Gefolge ſein Haus ſeine Waͤgen ſo beurtheilet wird, als ob er den Staat der ihn ſendet nicht verlaſſen habe, und daher außerhalb des Ge- biets lebe, in welchem er reſidirt. Da indeß dieſe weite Ausdehnung des Vorrechts der Exterritorialitaͤt nicht in dem allgemeinen Voͤlkerrecht, ſendern allein in dem Vertrags- oder herkoͤmmlichen Recht ihren Grund hat, ſo iſt ſie Ein- ſchraͤnkungen faͤhig und leidet ſie wirklich a). a⁾ Offenbar kann der Geſandte auch mit Einſtimmung ſeines Hofes, in und außerhalb ſeines Hotels weit nicht alles wozu das Recht aus dieſem ausgedehnten, viel umfaſſenden Begriff der Exterri- torialitaͤt hergeleitet werden koͤnnte, wie aus dem folgenden deut- lich erhellen wird. So theuer daher auch den Geſandten dieſes Kleinod iſt, ſo reicht die bloße Beziehung auf daſſelbe nicht hin, um den Beweiß eines jeden von ihnen begehrten Rechts zu vertreten. §. 213.

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/279>, abgerufen am 21.11.2024.