Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Knochen.
den Markarten scheinen also Gemenge derselben Stoffe in verschiedenen
Verhältnissen zu sein. -- Das Periost enthält die Bestandtheile des Binde-
gewebes und der elastischen Faser. Die Flüssigkeit, welche neben den
Gefässen die Gefässröhren und die Zellenräume füllt, ist unbekannt.
Einige Angaben, die über den Gehalt des Gesammtknochens an Wasser
vorliegen, sind ohne Bedeutung, da dieser mit zahlreichen, zufälligen Um-
ständen, z. B. dem Markgehalt, der Menge der Zellen und Gefässröhren
u. s. w., wechseln muss.

3. Das Wenige, was von den physikalischen Eigenschaften des Kno-
chens bekannt ist, wurde schon Bd. I. p. 363 mitgetheilt.

4. Ernährung. Der ersten Entstehung des Knochengewebes *) im
Foetus, dem Primordialknochen, geht jedesmal die Bildung einer weichen,
knorpeligen Grundlage von der Form des spätern Knochens voraus. Be-
vor diese der Verkalkung anheimfällt, mehrt sich mit der gleichzeitigen Ver-
grösserung der Knorpelhöhlen die Grundsubstanz beträchtlich, und zwar
in der Art, dass die Höhlen in Reihen angeordnet werden, welche senk-
recht stehen gegen die Fläche, auf welcher die Verkalkung ihren Anfang
nimmt; anders ausgedrückt bedeutet dieses, dass zwischen den einzel-
nen Knorpelhöhlen ein und derselben Reihe weniger Grundgewebe gele-
gen ist, als in dem Zwischenraum, der je zwei Reihen trennt. Die Ver-
kalkung selbst beginnt nun jedesmal von einer beschränkten Stelle
(Knochenpunkt) aus, in welche gewöhnlich ein Blutgefäss aus der Um-
gebung hineinwächst. In der Umgebung verdunkelt sich nun das Kno-
chengewebe durch eine krümelige Einlagerung, die sich zuerst auf das
Grundgewebe, dann auf die Wand der einschliessenden Zellen, darauf auf
den Zwischenraum zwischen dem umschliessenden und eingeschachtelten
und endlich auf die Wand und zum Theil auch auf die Höhle der ein-
geschachtelten Zellen erstreckt. Die zurückbleibende Höhle kann auf den
Querschnitt eine stern- oder auch eine eiförmige Gestalt annehmen, wie
aber auch ihre Grenzen beschaffen sind, in jedem Fall ist sie mit einem
Kern und einer klaren Flüssigkeit erfüllt. Wenn die Kalkerde bis zu
den bezeichneten Punkt gedrungen, so ist damit zugleich bis auf die
Höhle Alles in eine homogene und nun auch wegen der gleichmässigen
Kalkeinlagerung wieder hellere Masse umgeformt, indem die sichtbaren
Unterschiede zwischen Grundgewebe und den beiden Zellenwänden ver-
wischt ist. Kaum aber ist der primordiale Knorpel in Knochen umge-
wandelt, so beginnt auch sogleich wieder eine Auflösung desselben, durch
welche in den Knochen unregelmässige Lücken, die spätern Markhöhlen,
eingefressen werden, welche sich dann auch alsbald mit Mark anfüllen. --
Daraus folgt nun, dass der Theil des Primordialskeletts, welcher im

*) H. Meyer, Müller's Archiv. 1849. -- Kölliker, Mikroskopische Anatomie. II. Bd. 1. Abth.
351. -- Bruch, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Denkschriften der
schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. II. Bd.
13*

Knochen.
den Markarten scheinen also Gemenge derselben Stoffe in verschiedenen
Verhältnissen zu sein. — Das Periost enthält die Bestandtheile des Binde-
gewebes und der elastischen Faser. Die Flüssigkeit, welche neben den
Gefässen die Gefässröhren und die Zellenräume füllt, ist unbekannt.
Einige Angaben, die über den Gehalt des Gesammtknochens an Wasser
vorliegen, sind ohne Bedeutung, da dieser mit zahlreichen, zufälligen Um-
ständen, z. B. dem Markgehalt, der Menge der Zellen und Gefässröhren
u. s. w., wechseln muss.

3. Das Wenige, was von den physikalischen Eigenschaften des Kno-
chens bekannt ist, wurde schon Bd. I. p. 363 mitgetheilt.

4. Ernährung. Der ersten Entstehung des Knochengewebes *) im
Foetus, dem Primordialknochen, geht jedesmal die Bildung einer weichen,
knorpeligen Grundlage von der Form des spätern Knochens voraus. Be-
vor diese der Verkalkung anheimfällt, mehrt sich mit der gleichzeitigen Ver-
grösserung der Knorpelhöhlen die Grundsubstanz beträchtlich, und zwar
in der Art, dass die Höhlen in Reihen angeordnet werden, welche senk-
recht stehen gegen die Fläche, auf welcher die Verkalkung ihren Anfang
nimmt; anders ausgedrückt bedeutet dieses, dass zwischen den einzel-
nen Knorpelhöhlen ein und derselben Reihe weniger Grundgewebe gele-
gen ist, als in dem Zwischenraum, der je zwei Reihen trennt. Die Ver-
kalkung selbst beginnt nun jedesmal von einer beschränkten Stelle
(Knochenpunkt) aus, in welche gewöhnlich ein Blutgefäss aus der Um-
gebung hineinwächst. In der Umgebung verdunkelt sich nun das Kno-
chengewebe durch eine krümelige Einlagerung, die sich zuerst auf das
Grundgewebe, dann auf die Wand der einschliessenden Zellen, darauf auf
den Zwischenraum zwischen dem umschliessenden und eingeschachtelten
und endlich auf die Wand und zum Theil auch auf die Höhle der ein-
geschachtelten Zellen erstreckt. Die zurückbleibende Höhle kann auf den
Querschnitt eine stern- oder auch eine eiförmige Gestalt annehmen, wie
aber auch ihre Grenzen beschaffen sind, in jedem Fall ist sie mit einem
Kern und einer klaren Flüssigkeit erfüllt. Wenn die Kalkerde bis zu
den bezeichneten Punkt gedrungen, so ist damit zugleich bis auf die
Höhle Alles in eine homogene und nun auch wegen der gleichmässigen
Kalkeinlagerung wieder hellere Masse umgeformt, indem die sichtbaren
Unterschiede zwischen Grundgewebe und den beiden Zellenwänden ver-
wischt ist. Kaum aber ist der primordiale Knorpel in Knochen umge-
wandelt, so beginnt auch sogleich wieder eine Auflösung desselben, durch
welche in den Knochen unregelmässige Lücken, die spätern Markhöhlen,
eingefressen werden, welche sich dann auch alsbald mit Mark anfüllen. —
Daraus folgt nun, dass der Theil des Primordialskeletts, welcher im

*) H. Meyer, Müller’s Archiv. 1849. — Kölliker, Mikroskopische Anatomie. II. Bd. 1. Abth.
351. — Bruch, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Denkschriften der
schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. II. Bd.
13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0211" n="195"/><fw place="top" type="header">Knochen.</fw><lb/>
den Markarten scheinen also Gemenge derselben Stoffe in verschiedenen<lb/>
Verhältnissen zu sein. &#x2014; Das Periost enthält die Bestandtheile des Binde-<lb/>
gewebes und der elastischen Faser. Die Flüssigkeit, welche neben den<lb/>
Gefässen die Gefässröhren und die Zellenräume füllt, ist unbekannt.<lb/>
Einige Angaben, die über den Gehalt des Gesammtknochens an Wasser<lb/>
vorliegen, sind ohne Bedeutung, da dieser mit zahlreichen, zufälligen Um-<lb/>
ständen, z. B. dem Markgehalt, der Menge der Zellen und Gefässröhren<lb/>
u. s. w., wechseln muss.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#b">3.</hi> Das Wenige, was von den physikalischen Eigenschaften des Kno-<lb/>
chens bekannt ist, wurde schon Bd. I. p. <hi rendition="#b">363</hi> mitgetheilt.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#b">4.</hi> Ernährung. Der ersten Entstehung des Knochengewebes <note place="foot" n="*)">H. <hi rendition="#g">Meyer, Müller&#x2019;s</hi> Archiv. 1849. &#x2014; <hi rendition="#g">Kölliker</hi>, Mikroskopische Anatomie. II. Bd. 1. Abth.<lb/>
351. &#x2014; <hi rendition="#g">Bruch</hi>, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Denkschriften der<lb/>
schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. II. Bd.</note> im<lb/>
Foetus, dem Primordialknochen, geht jedesmal die Bildung einer weichen,<lb/>
knorpeligen Grundlage von der Form des spätern Knochens voraus. Be-<lb/>
vor diese der Verkalkung anheimfällt, mehrt sich mit der gleichzeitigen Ver-<lb/>
grösserung der Knorpelhöhlen die Grundsubstanz beträchtlich, und zwar<lb/>
in der Art, dass die Höhlen in Reihen angeordnet werden, welche senk-<lb/>
recht stehen gegen die Fläche, auf welcher die Verkalkung ihren Anfang<lb/>
nimmt; anders ausgedrückt bedeutet dieses, dass zwischen den einzel-<lb/>
nen Knorpelhöhlen ein und derselben Reihe weniger Grundgewebe gele-<lb/>
gen ist, als in dem Zwischenraum, der je zwei Reihen trennt. Die Ver-<lb/>
kalkung selbst beginnt nun jedesmal von einer beschränkten Stelle<lb/>
(Knochenpunkt) aus, in welche gewöhnlich ein Blutgefäss aus der Um-<lb/>
gebung hineinwächst. In der Umgebung verdunkelt sich nun das Kno-<lb/>
chengewebe durch eine krümelige Einlagerung, die sich zuerst auf das<lb/>
Grundgewebe, dann auf die Wand der einschliessenden Zellen, darauf auf<lb/>
den Zwischenraum zwischen dem umschliessenden und eingeschachtelten<lb/>
und endlich auf die Wand und zum Theil auch auf die Höhle der ein-<lb/>
geschachtelten Zellen erstreckt. Die zurückbleibende Höhle kann auf den<lb/>
Querschnitt eine stern- oder auch eine eiförmige Gestalt annehmen, wie<lb/>
aber auch ihre Grenzen beschaffen sind, in jedem Fall ist sie mit einem<lb/>
Kern und einer klaren Flüssigkeit erfüllt. Wenn die Kalkerde bis zu<lb/>
den bezeichneten Punkt gedrungen, so ist damit zugleich bis auf die<lb/>
Höhle Alles in eine homogene und nun auch wegen der gleichmässigen<lb/>
Kalkeinlagerung wieder hellere Masse umgeformt, indem die sichtbaren<lb/>
Unterschiede zwischen Grundgewebe und den beiden Zellenwänden ver-<lb/>
wischt ist. Kaum aber ist der primordiale Knorpel in Knochen umge-<lb/>
wandelt, so beginnt auch sogleich wieder eine Auflösung desselben, durch<lb/>
welche in den Knochen unregelmässige Lücken, die spätern Markhöhlen,<lb/>
eingefressen werden, welche sich dann auch alsbald mit Mark anfüllen. &#x2014;<lb/>
Daraus folgt nun, dass der Theil des Primordialskeletts, welcher im<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#b">13*</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0211] Knochen. den Markarten scheinen also Gemenge derselben Stoffe in verschiedenen Verhältnissen zu sein. — Das Periost enthält die Bestandtheile des Binde- gewebes und der elastischen Faser. Die Flüssigkeit, welche neben den Gefässen die Gefässröhren und die Zellenräume füllt, ist unbekannt. Einige Angaben, die über den Gehalt des Gesammtknochens an Wasser vorliegen, sind ohne Bedeutung, da dieser mit zahlreichen, zufälligen Um- ständen, z. B. dem Markgehalt, der Menge der Zellen und Gefässröhren u. s. w., wechseln muss. 3. Das Wenige, was von den physikalischen Eigenschaften des Kno- chens bekannt ist, wurde schon Bd. I. p. 363 mitgetheilt. 4. Ernährung. Der ersten Entstehung des Knochengewebes *) im Foetus, dem Primordialknochen, geht jedesmal die Bildung einer weichen, knorpeligen Grundlage von der Form des spätern Knochens voraus. Be- vor diese der Verkalkung anheimfällt, mehrt sich mit der gleichzeitigen Ver- grösserung der Knorpelhöhlen die Grundsubstanz beträchtlich, und zwar in der Art, dass die Höhlen in Reihen angeordnet werden, welche senk- recht stehen gegen die Fläche, auf welcher die Verkalkung ihren Anfang nimmt; anders ausgedrückt bedeutet dieses, dass zwischen den einzel- nen Knorpelhöhlen ein und derselben Reihe weniger Grundgewebe gele- gen ist, als in dem Zwischenraum, der je zwei Reihen trennt. Die Ver- kalkung selbst beginnt nun jedesmal von einer beschränkten Stelle (Knochenpunkt) aus, in welche gewöhnlich ein Blutgefäss aus der Um- gebung hineinwächst. In der Umgebung verdunkelt sich nun das Kno- chengewebe durch eine krümelige Einlagerung, die sich zuerst auf das Grundgewebe, dann auf die Wand der einschliessenden Zellen, darauf auf den Zwischenraum zwischen dem umschliessenden und eingeschachtelten und endlich auf die Wand und zum Theil auch auf die Höhle der ein- geschachtelten Zellen erstreckt. Die zurückbleibende Höhle kann auf den Querschnitt eine stern- oder auch eine eiförmige Gestalt annehmen, wie aber auch ihre Grenzen beschaffen sind, in jedem Fall ist sie mit einem Kern und einer klaren Flüssigkeit erfüllt. Wenn die Kalkerde bis zu den bezeichneten Punkt gedrungen, so ist damit zugleich bis auf die Höhle Alles in eine homogene und nun auch wegen der gleichmässigen Kalkeinlagerung wieder hellere Masse umgeformt, indem die sichtbaren Unterschiede zwischen Grundgewebe und den beiden Zellenwänden ver- wischt ist. Kaum aber ist der primordiale Knorpel in Knochen umge- wandelt, so beginnt auch sogleich wieder eine Auflösung desselben, durch welche in den Knochen unregelmässige Lücken, die spätern Markhöhlen, eingefressen werden, welche sich dann auch alsbald mit Mark anfüllen. — Daraus folgt nun, dass der Theil des Primordialskeletts, welcher im *) H. Meyer, Müller’s Archiv. 1849. — Kölliker, Mikroskopische Anatomie. II. Bd. 1. Abth. 351. — Bruch, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Denkschriften der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. II. Bd. 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/211
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/211>, abgerufen am 26.04.2024.