wissende etwas vortreffliches zu sehen vermeinen, aber wann die Sonne der Gerechtigkeit hinter dem blauen Vorhang des Himmels als ein Bräutigam aus seiner Kammer hervor bricht, der Welt und Zeit ein Ende, und der Ewigkeit aller Dingen einen Anfang zu ma- chen, da siehet und erkennet man, daß es gar armseelige Majestä- ten gewesen, die sich gern vor dem Zorn des Lamms wie arme Würm in die Erde verkriechen möchten, also wirds auch allen Schein- Frommen ergehen, alles muß sich schämen, was nicht lauter JE- SUS ist, alle Menschen würden sich an jenem Tag gern wollen verstecken, die nicht diese Perl mit Hassung und Verlassung aller ungöttlichen Schatten und Heuchel-Scheins in vielem Ringen und Anhalten gewonnen und würcklich und wesentlich besessen haben. Solche wahre Streiter allein dörffen an das Licht, sintemahl ihre Werck in GOTT gethan sind; Alles andere sind verruffte Waa- ren im ewigen Freuden-Land.
Das ein und zwantzigste Capitel. Wie die Perle zu erlangen, zu behalten und wie man damit umgehen müsse.
Zur Him- mels-Perl gelanget man für- nehmlich durch Verlaug- nung.
§. 1. Frag. Ach wie mag ich diese Perl bekommen, ich hätte sie überaus gern.
Antw. Jsts dir Ernst, so must du erstlich, wie gesagt, dein Hertz von allem abziehen und durch den Zug des himmlischen Vatters rein und frey machen lassen, daß du an nichts klebest noch hafftest; wel- che Verlaugnung und Auslärung bey einigen schnell, so bald sich die Perl ihnen gezeigt hat, geschehen, als wie bey denen Patriarchen, Propheten, Apostlen und vielen tausend der ersten Christen, da sie ohne Aufschub oder vieles Marckten beym ersten Ruff bereit waren, alles zu verlassen und um Christi willen Vatterland, Haab und Gut, Leib und Leben aufzugeben, da es mit denen meisten zum Werck ka- me, und nicht bey blosser Bereitschafft und Resolution bliebe: Aber heut zu Tag sind die Christen leyder gar zärtlich, und verzagt, daß die meisten unterwegs erligen, zu ihrem ewigen Verderben, ehe sie nur an den Ort recht kommen, da diese Perl gesunden wird, das
Schiff
Betrachtungen
wiſſende etwas vortreffliches zu ſehen vermeinen, aber wann die Sonne der Gerechtigkeit hinter dem blauen Vorhang des Himmels als ein Braͤutigam aus ſeiner Kammer hervor bricht, der Welt und Zeit ein Ende, und der Ewigkeit aller Dingen einen Anfang zu ma- chen, da ſiehet und erkennet man, daß es gar armſeelige Majeſtaͤ- ten geweſen, die ſich gern vor dem Zorn des Lamms wie arme Wuͤrm in die Erde verkriechen moͤchten, alſo wirds auch allen Schein- Frommen ergehen, alles muß ſich ſchaͤmen, was nicht lauter JE- SUS iſt, alle Menſchen wuͤrden ſich an jenem Tag gern wollen verſtecken, die nicht dieſe Perl mit Haſſung und Verlaſſung aller ungoͤttlichen Schatten und Heuchel-Scheins in vielem Ringen und Anhalten gewonnen und wuͤrcklich und weſentlich beſeſſen haben. Solche wahre Streiter allein doͤrffen an das Licht, ſintemahl ihre Werck in GOTT gethan ſind; Alles andere ſind verruffte Waa- ren im ewigen Freuden-Land.
Das ein und zwantzigſte Capitel. Wie die Perle zu erlangen, zu behalten und wie man damit umgehen muͤſſe.
Zur Him- mels-Perl gelanget man fuͤr- nehmlich durch Verlaug- nung.
§. 1. Frag. Ach wie mag ich dieſe Perl bekommen, ich haͤtte ſie uͤberaus gern.
Antw. Jſts dir Ernſt, ſo muſt du erſtlich, wie geſagt, dein Hertz von allem abziehen und durch den Zug des himmliſchen Vatters rein und frey machen laſſen, daß du an nichts klebeſt noch haffteſt; wel- che Verlaugnung und Auslaͤrung bey einigen ſchnell, ſo bald ſich die Perl ihnen gezeigt hat, geſchehen, als wie bey denen Patriarchen, Propheten, Apoſtlen und vielen tauſend der erſten Chriſten, da ſie ohne Aufſchub oder vieles Marckten beym erſten Ruff bereit waren, alles zu verlaſſen und um Chriſti willen Vatterland, Haab und Gut, Leib und Leben aufzugeben, da es mit denen meiſten zum Werck ka- me, und nicht bey bloſſer Bereitſchafft und Reſolution bliebe: Aber heut zu Tag ſind die Chriſten leyder gar zaͤrtlich, und verzagt, daß die meiſten unterwegs erligen, zu ihrem ewigen Verderben, ehe ſie nur an den Ort recht kommen, da dieſe Perl geſunden wird, das
Schiff
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[872/0968]
Betrachtungen
wiſſende etwas vortreffliches zu ſehen vermeinen, aber wann die
Sonne der Gerechtigkeit hinter dem blauen Vorhang des Himmels
als ein Braͤutigam aus ſeiner Kammer hervor bricht, der Welt und
Zeit ein Ende, und der Ewigkeit aller Dingen einen Anfang zu ma-
chen, da ſiehet und erkennet man, daß es gar armſeelige Majeſtaͤ-
ten geweſen, die ſich gern vor dem Zorn des Lamms wie arme Wuͤrm
in die Erde verkriechen moͤchten, alſo wirds auch allen Schein-
Frommen ergehen, alles muß ſich ſchaͤmen, was nicht lauter JE-
SUS iſt, alle Menſchen wuͤrden ſich an jenem Tag gern wollen
verſtecken, die nicht dieſe Perl mit Haſſung und Verlaſſung aller
ungoͤttlichen Schatten und Heuchel-Scheins in vielem Ringen und
Anhalten gewonnen und wuͤrcklich und weſentlich beſeſſen haben.
Solche wahre Streiter allein doͤrffen an das Licht, ſintemahl ihre
Werck in GOTT gethan ſind; Alles andere ſind verruffte Waa-
ren im ewigen Freuden-Land.
Das ein und zwantzigſte Capitel.
Wie die Perle zu erlangen, zu behalten und wie man damit umgehen
muͤſſe.
§. 1. Frag. Ach wie mag ich dieſe Perl bekommen, ich haͤtte ſie
uͤberaus gern.
Antw. Jſts dir Ernſt, ſo muſt du erſtlich, wie geſagt, dein Hertz
von allem abziehen und durch den Zug des himmliſchen Vatters rein
und frey machen laſſen, daß du an nichts klebeſt noch haffteſt; wel-
che Verlaugnung und Auslaͤrung bey einigen ſchnell, ſo bald ſich die
Perl ihnen gezeigt hat, geſchehen, als wie bey denen Patriarchen,
Propheten, Apoſtlen und vielen tauſend der erſten Chriſten, da ſie
ohne Aufſchub oder vieles Marckten beym erſten Ruff bereit waren,
alles zu verlaſſen und um Chriſti willen Vatterland, Haab und Gut,
Leib und Leben aufzugeben, da es mit denen meiſten zum Werck ka-
me, und nicht bey bloſſer Bereitſchafft und Reſolution bliebe: Aber
heut zu Tag ſind die Chriſten leyder gar zaͤrtlich, und verzagt, daß
die meiſten unterwegs erligen, zu ihrem ewigen Verderben, ehe ſie
nur an den Ort recht kommen, da dieſe Perl geſunden wird, das
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/968>, abgerufen am 21.11.2024.
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