§. 16. O theurster JESU! ists doch möglich, daß der armekräfftigst überzeu- get. Sünder dieses alles höre, und dabey eine Stund, will geschweigen sein Lebenlang ruhig seyn könne!
Bernhardus sagte: putabam me bonum, donec ivi in hortum; Jch meynte, ich wäre sicher, wußte nichts von dem ewigen Urtheil, das im Himmel über mich ergangen war, biß ich sahe, daß der ei- nige GOttes Sohn sich mein erbarmet, herfür trittet, und sich in dasselbe für mich hergibt; o wehe, es ist mir nicht mehr erlaubt zu spielen, wann ein solcher Ernst darhinter ist! meine Seele hat Ursach zu weinen, nicht über JESUM, sonderen über mich selbst; dann so man diß thut am grünen Holtz, was wird am dürren wer- den! sollte mir nicht ein Stich ins Hertz gehen, der ich mit meiner Trägheit, Unachtsamkeit und eitelen Gedancken diesem JESU so viel Thränen und Angst gemacht.
Das achte Capitel. Nutzanwendung, zum Trost und Ermunterung, der wegen ihren Sünden bekümmerten Seelen.
§. 1. Einwurff. Ja sagt etwan eine, durch dieses alles bißher ge-Der über ihre dörre und kaltes Gebett be- trübten Seelen gibt dieses Seelen- Leyden kräfftigen Trost, troffene Seel; welche Sinnes wäre, anderst zu werden, und JE- SU anzuhangen, und ihre Sünden zu lassen: ja; ich wolte wohl gern mich änderen, aber ich weiß nicht, ich kan nicht recht über mei- ne Sünden betrübt seyn, dann ich bin so hart und dürr, ich lese, und höre Christi grosses Leyden an mit trockenen Augen, mein Gebett ist auch gantz lau und kalt?
Antwort. Höre was Lutherus hierüber sagt: "Dem Bilde Chri- "sti must du gleichförmig werden, es geschehe im Leben oder in der "Höll; zum wenigsten must du im Sterben ins Erschrecken fallen, "zitteren und beben, und alles fühlen was JEsus hier im Garten ge- "fühlet hat. Obwohl in unenlich niederem Grad, und auch nicht aus der Ursach und Zweck; dann JEsus tilgete mit seiner Angst deine Schuld vor GOtt, eröffnete dir die tieff verriglete Porten des Him- mels, und brachte dir eben damit den H. Geist zuwegen, der dich durch sein sanfft und gelind Liebe-Feur bey Leibes Leben reinige, und zum An- schauen GOttes bereite; allweilen nur die GOtt schauen werden, welche reines Hertzens seynda; darum dancke GOtt in allen inner-
lichen
aMatth. V. 8.
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liegende Wein-Trauben.
§. 16. O theurſter JESU! iſts doch moͤglich, daß der armekraͤfftigſt uͤberzeu- get. Suͤnder dieſes alles hoͤre, und dabey eine Stund, will geſchweigen ſein Lebenlang ruhig ſeyn koͤnne!
Bernhardus ſagte: putabam me bonum, donec ivi in hortum; Jch meynte, ich waͤre ſicher, wußte nichts von dem ewigen Urtheil, das im Himmel uͤber mich ergangen war, biß ich ſahe, daß der ei- nige GOttes Sohn ſich mein erbarmet, herfuͤr trittet, und ſich in daſſelbe fuͤr mich hergibt; o wehe, es iſt mir nicht mehr erlaubt zu ſpielen, wann ein ſolcher Ernſt darhinter iſt! meine Seele hat Urſach zu weinen, nicht uͤber JESUM, ſonderen uͤber mich ſelbſt; dann ſo man diß thut am gruͤnen Holtz, was wird am duͤrren wer- den! ſollte mir nicht ein Stich ins Hertz gehen, der ich mit meiner Traͤgheit, Unachtſamkeit und eitelen Gedancken dieſem JESU ſo viel Thraͤnen und Angſt gemacht.
Das achte Capitel. Nutzanwendung, zum Troſt und Ermunterung, der wegen ihren Suͤnden bekuͤmmerten Seelen.
§. 1. Einwurff. Ja ſagt etwan eine, durch dieſes alles bißher ge-Der uͤber ihre doͤrre und kaltes Gebett be- truͤbten Seelen gibt dieſes Seelen- Leyden kraͤfftigen Troſt, troffene Seel; welche Sinnes waͤre, anderſt zu werden, und JE- SU anzuhangen, und ihre Suͤnden zu laſſen: ja; ich wolte wohl gern mich aͤnderen, aber ich weiß nicht, ich kan nicht recht uͤber mei- ne Suͤnden betruͤbt ſeyn, dann ich bin ſo hart und duͤrr, ich leſe, und hoͤre Chriſti groſſes Leyden an mit trockenen Augen, mein Gebett iſt auch gantz lau und kalt?
Antwort. Hoͤre was Lutherus hieruͤber ſagt: „Dem Bilde Chri- „ſti muſt du gleichfoͤrmig werden, es geſchehe im Leben oder in der „Hoͤll; zum wenigſten muſt du im Sterben ins Erſchrecken fallen, „zitteren und beben, und alles fuͤhlen was JEſus hier im Garten ge- „fuͤhlet hat. Obwohl in unenlich niederem Grad, und auch nicht aus der Urſach und Zweck; dann JEſus tilgete mit ſeiner Angſt deine Schuld vor GOtt, eroͤffnete dir die tieff verriglete Porten des Him- mels, und brachte dir eben damit den H. Geiſt zuwegen, der dich durch ſein ſanfft und gelind Liebe-Feur bey Leibes Leben reinige, und zum An- ſchauen GOttes bereite; allweilen nur die GOtt ſchauen werden, welche reines Hertzens ſeynda; darum dancke GOtt in allen inner-
lichen
aMatth. V. 8.
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liegende Wein-Trauben.
§. 16. O theurſter JESU! iſts doch moͤglich, daß der arme
Suͤnder dieſes alles hoͤre, und dabey eine Stund, will geſchweigen
ſein Lebenlang ruhig ſeyn koͤnne!
kraͤfftigſt
uͤberzeu-
get.
Bernhardus ſagte: putabam me bonum, donec ivi in hortum;
Jch meynte, ich waͤre ſicher, wußte nichts von dem ewigen Urtheil,
das im Himmel uͤber mich ergangen war, biß ich ſahe, daß der ei-
nige GOttes Sohn ſich mein erbarmet, herfuͤr trittet, und ſich
in daſſelbe fuͤr mich hergibt; o wehe, es iſt mir nicht mehr erlaubt
zu ſpielen, wann ein ſolcher Ernſt darhinter iſt! meine Seele hat
Urſach zu weinen, nicht uͤber JESUM, ſonderen uͤber mich ſelbſt;
dann ſo man diß thut am gruͤnen Holtz, was wird am duͤrren wer-
den! ſollte mir nicht ein Stich ins Hertz gehen, der ich mit meiner
Traͤgheit, Unachtſamkeit und eitelen Gedancken dieſem JESU ſo
viel Thraͤnen und Angſt gemacht.
Das achte Capitel.
Nutzanwendung, zum Troſt und Ermunterung, der wegen ihren
Suͤnden bekuͤmmerten Seelen.
§. 1. Einwurff. Ja ſagt etwan eine, durch dieſes alles bißher ge-
troffene Seel; welche Sinnes waͤre, anderſt zu werden, und JE-
SU anzuhangen, und ihre Suͤnden zu laſſen: ja; ich wolte wohl
gern mich aͤnderen, aber ich weiß nicht, ich kan nicht recht uͤber mei-
ne Suͤnden betruͤbt ſeyn, dann ich bin ſo hart und duͤrr, ich leſe, und
hoͤre Chriſti groſſes Leyden an mit trockenen Augen, mein Gebett iſt
auch gantz lau und kalt?
Der uͤber
ihre doͤrre
und kaltes
Gebett be-
truͤbten
Seelen
gibt dieſes
Seelen-
Leyden
kraͤfftigen
Troſt,
Antwort. Hoͤre was Lutherus hieruͤber ſagt: „Dem Bilde Chri-
„ſti muſt du gleichfoͤrmig werden, es geſchehe im Leben oder in der
„Hoͤll; zum wenigſten muſt du im Sterben ins Erſchrecken fallen,
„zitteren und beben, und alles fuͤhlen was JEſus hier im Garten ge-
„fuͤhlet hat. Obwohl in unenlich niederem Grad, und auch nicht aus
der Urſach und Zweck; dann JEſus tilgete mit ſeiner Angſt deine
Schuld vor GOtt, eroͤffnete dir die tieff verriglete Porten des Him-
mels, und brachte dir eben damit den H. Geiſt zuwegen, der dich durch
ſein ſanfft und gelind Liebe-Feur bey Leibes Leben reinige, und zum An-
ſchauen GOttes bereite; allweilen nur die GOtt ſchauen werden,
welche reines Hertzens ſeynd a; darum dancke GOtt in allen inner-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/553>, abgerufen am 22.12.2024.
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