Mein Freund antwortet, und spricht zu mir: Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her! Denn siehe, der Winter ist ver- gangen, der Regen ist weg und dahin, die Blu- men sind herfür gekommen im Lande, der Lentz ist herfür gekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserem Lande; Der Feigenbaum hat Knotten gewonnen, die Weinstöcke haben Augen gewonnen, und geben ihren Geruch. Stehe auf, meine Freundin, und komm! meine Schöne, komm her!
Das erste Capitel. Die liebreiche Nöthigung der Braut JEsu daß sie aufstehen und zu Jhme kommen solle.
§. 1.
Warum der Prediger die im Frühling sich er- neuerende Natur zur Betrach- tung er- wehlet.
JCh stehe hier vor euch, wider all mein Vorhaben und Wil- len, indem ich dißmahl nicht gesinnet ware in die Stadt zu kommen, nun werde ich gedrungen und gleichsam ein- geführt zu predigen; Warum aber dieses also habe müssen gehen, weiß ich nicht, der HErr weißt es: Letzthin füh- lete ich in meinem Geist reichen Einfluß des himmlischen Gnaden- Lichts und starcken Trieb an diesem Ort das Evangelium zu verkün- digen, als mir aber der Eingang zu euch versperret ward, da ge- wannen meine Gedancken einen gar anderen Runtz oder Lauff die vielfältig Lehrreiche, moment- und augenblicklich aufsteigende Ge- dancken verlohren sich, es kame mir vor, ich habe nichts mehr mit Bern zu reden; Die Seelen-Kräfften zogen sich einwerts zu GOtt
und
Text. Cant. II. Cap. verſ. 10–13.
Mein Freund antwortet, und ſpricht zu mir: Stehe auf, meine Freundin, meine Schoͤne, und komm her! Denn ſiehe, der Winter iſt ver- gangen, der Regen iſt weg und dahin, die Blu- men ſind herfuͤr gekommen im Lande, der Lentz iſt herfuͤr gekommen, und die Turteltaube laͤßt ſich hoͤren in unſerem Lande; Der Feigenbaum hat Knotten gewonnen, die Weinſtoͤcke haben Augen gewonnen, und geben ihren Geruch. Stehe auf, meine Freundin, und komm! meine Schoͤne, komm her!
Das erſte Capitel. Die liebreiche Noͤthigung der Braut JEſu daß ſie aufſtehen und zu Jhme kommen ſolle.
§. 1.
Warum der Prediger die im Fruͤhling ſich er- neuerende Natur zur Betrach- tung er- wehlet.
JCh ſtehe hier vor euch, wider all mein Vorhaben und Wil- len, indem ich dißmahl nicht geſinnet ware in die Stadt zu kommen, nun werde ich gedrungen und gleichſam ein- gefuͤhrt zu predigen; Warum aber dieſes alſo habe muͤſſen gehen, weiß ich nicht, der HErr weißt es: Letzthin fuͤh- lete ich in meinem Geiſt reichen Einfluß des himmliſchen Gnaden- Lichts und ſtarcken Trieb an dieſem Ort das Evangelium zu verkuͤn- digen, als mir aber der Eingang zu euch verſperret ward, da ge- wannen meine Gedancken einen gar anderen Runtz oder Lauff die vielfaͤltig Lehrreiche, moment- und augenblicklich aufſteigende Ge- dancken verlohren ſich, es kame mir vor, ich habe nichts mehr mit Bern zu reden; Die Seelen-Kraͤfften zogen ſich einwerts zu GOtt
und
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Text.
Cant. II. Cap. verſ. 10–13.
Mein Freund antwortet, und ſpricht zu mir:
Stehe auf, meine Freundin, meine Schoͤne,
und komm her! Denn ſiehe, der Winter iſt ver-
gangen, der Regen iſt weg und dahin, die Blu-
men ſind herfuͤr gekommen im Lande, der Lentz
iſt herfuͤr gekommen, und die Turteltaube laͤßt
ſich hoͤren in unſerem Lande; Der Feigenbaum
hat Knotten gewonnen, die Weinſtoͤcke haben
Augen gewonnen, und geben ihren Geruch.
Stehe auf, meine Freundin, und komm! meine
Schoͤne, komm her!
Das erſte Capitel.
Die liebreiche Noͤthigung der Braut JEſu daß ſie aufſtehen und zu
Jhme kommen ſolle.
§. 1.
JCh ſtehe hier vor euch, wider all mein Vorhaben und Wil-
len, indem ich dißmahl nicht geſinnet ware in die Stadt
zu kommen, nun werde ich gedrungen und gleichſam ein-
gefuͤhrt zu predigen; Warum aber dieſes alſo habe muͤſſen
gehen, weiß ich nicht, der HErr weißt es: Letzthin fuͤh-
lete ich in meinem Geiſt reichen Einfluß des himmliſchen Gnaden-
Lichts und ſtarcken Trieb an dieſem Ort das Evangelium zu verkuͤn-
digen, als mir aber der Eingang zu euch verſperret ward, da ge-
wannen meine Gedancken einen gar anderen Runtz oder Lauff die
vielfaͤltig Lehrreiche, moment- und augenblicklich aufſteigende Ge-
dancken verlohren ſich, es kame mir vor, ich habe nichts mehr mit
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/372>, abgerufen am 21.11.2024.
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