lebt, anderst redt, als die Kinder der Menschen, der wird in Ewig- keit nicht auf den Thron der Herrlichkeit gesetzt werden, und sollte ihn gleich der Pabst und seine Clerisey selig preisen.
Das zehende Capitel.
Die Gott- lose finden keine Ent- schuldi- gung.
§. 1. Der Mensch kan sich nicht entschuldigen, er ist gantz freund- lich und lang genug gewarnet worden, will er nichts darum geben, so kan GOtt nichts darfür. Dann wie mancher sitzet hier, von wel- chem GOttes Stimm 20, 30, 40, 50, biß 60. Jahr lang Busse ge- forderet, der sich aber in so langer Zeit nicht eine Stund lang, ja was sag ich, ein Stund, nicht ein halb viertel Stund von Hertzen, über sein sündig Leben betrübet, und darüber bekümmert, daß Chri- sti Leiden und Sterben so wenig Frucht in ihme gewürcket; Wie viel schöne Evangelische Verheissungen hat mancher sein Lebtag gehöret, und ist nie mit Göttlicher Freude erfüllet worden.
Dann GOtt hat alle Mit- tel zu ih- rer Besse- rung an- gewendet.
§. 2. O liebe Leut, wie offt hat euch JEsus seine flammende Lie- be lassen vormahlen a, aber es hat kein Funcken niemahls davon kön- nen anglimmen in eueren Welt-feuchten Hertzen; GOTT hat euch seinen eingebohrnen Sohn, gegen welchem alle Kleinodien Himmels und der Erden, als nichts zu rechnen sind, so lange, lange Zeit an- getragen, aber ihr habt niemahlen euere Hertzen von der Schlangen- Brut wollen ausleeren und befreyen lassen, ihne aufzunehmen, den Sünden-Koth nie aus den Händen werffen wollen JEsum zu em- pfangen; GOTT hat euch vom künfftigen Zorn, ewigem Gericht und höllischer Pein, aus der Heil. Schrifft weissagen lassen, aber ihr seyd nie darob erschrocken, daß es euch recht angst gemacht, und zur Buß getrieben hätte.
Aber um- sonst, dann
§. 3. Ach der gröste Hauffen hat es immer im Alten gehen lassen, und ist nicht mehr bewegt worden als Stühl und Bänck darauf sie gesessen; wie könnt ihr dann noch also unsinnig seyn, und ein gut Zeugnuß hoffen von dem, der niemand im geringsten geheuchlet und geschmeichelt, alldieweil er noch in erbärmlicher Knechts-Gestalt, als der Sünden-Träger der Welt, unter uns wandlete; Meynst du
dann
aGal. III. 1.
Geiſtliche Sonnen-Wende
lebt, anderſt redt, als die Kinder der Menſchen, der wird in Ewig- keit nicht auf den Thron der Herrlichkeit geſetzt werden, und ſollte ihn gleich der Pabſt und ſeine Cleriſey ſelig preiſen.
Das zehende Capitel.
Die Gott- loſe finden keine Ent- ſchuldi- gung.
§. 1. Der Menſch kan ſich nicht entſchuldigen, er iſt gantz freund- lich und lang genug gewarnet worden, will er nichts darum geben, ſo kan GOtt nichts darfuͤr. Dann wie mancher ſitzet hier, von wel- chem GOttes Stimm 20, 30, 40, 50, biß 60. Jahr lang Buſſe ge- forderet, der ſich aber in ſo langer Zeit nicht eine Stund lang, ja was ſag ich, ein Stund, nicht ein halb viertel Stund von Hertzen, uͤber ſein ſuͤndig Leben betruͤbet, und daruͤber bekuͤmmert, daß Chri- ſti Leiden und Sterben ſo wenig Frucht in ihme gewuͤrcket; Wie viel ſchoͤne Evangeliſche Verheiſſungen hat mancher ſein Lebtag gehoͤret, und iſt nie mit Goͤttlicher Freude erfuͤllet worden.
Dann GOtt hat alle Mit- tel zu ih- rer Beſſe- rung an- gewendet.
§. 2. O liebe Leut, wie offt hat euch JEſus ſeine flammende Lie- be laſſen vormahlen a, aber es hat kein Funcken niemahls davon koͤn- nen anglimmen in eueren Welt-feuchten Hertzen; GOTT hat euch ſeinen eingebohrnen Sohn, gegen welchem alle Kleinodien Himmels und der Erden, als nichts zu rechnen ſind, ſo lange, lange Zeit an- getragen, aber ihr habt niemahlen euere Hertzen von der Schlangen- Brut wollen ausleeren und befreyen laſſen, ihne aufzunehmen, den Suͤnden-Koth nie aus den Haͤnden werffen wollen JEſum zu em- pfangen; GOTT hat euch vom kuͤnfftigen Zorn, ewigem Gericht und hoͤlliſcher Pein, aus der Heil. Schrifft weiſſagen laſſen, aber ihr ſeyd nie darob erſchrocken, daß es euch recht angſt gemacht, und zur Buß getrieben haͤtte.
Aber um- ſonſt, dann
§. 3. Ach der groͤſte Hauffen hat es immer im Alten gehen laſſen, und iſt nicht mehr bewegt worden als Stuͤhl und Baͤnck darauf ſie geſeſſen; wie koͤnnt ihr dann noch alſo unſinnig ſeyn, und ein gut Zeugnuß hoffen von dem, der niemand im geringſten geheuchlet und geſchmeichelt, alldieweil er noch in erbaͤrmlicher Knechts-Geſtalt, als der Suͤnden-Traͤger der Welt, unter uns wandlete; Meynſt du
dann
aGal. III. 1.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0264"n="168"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Geiſtliche Sonnen-Wende</hi></fw><lb/>
lebt, anderſt redt, als die Kinder der Menſchen, der wird in Ewig-<lb/>
keit nicht auf den Thron der Herrlichkeit geſetzt werden, und ſollte<lb/>
ihn gleich der Pabſt und ſeine Cleriſey ſelig preiſen.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das zehende Capitel.</hi></head><lb/><noteplace="left">Die Gott-<lb/>
loſe finden<lb/>
keine Ent-<lb/>ſchuldi-<lb/>
gung.</note><p>§. 1. Der Menſch kan ſich nicht entſchuldigen, er iſt gantz freund-<lb/>
lich und lang genug gewarnet worden, will er nichts darum geben,<lb/>ſo kan GOtt nichts darfuͤr. Dann wie mancher ſitzet hier, von wel-<lb/>
chem GOttes Stimm 20, 30, 40, 50, biß 60. Jahr lang Buſſe ge-<lb/>
forderet, der ſich aber in ſo langer Zeit nicht eine Stund lang, ja<lb/>
was ſag ich, ein Stund, nicht ein halb viertel Stund von Hertzen,<lb/>
uͤber ſein ſuͤndig Leben betruͤbet, und daruͤber bekuͤmmert, daß Chri-<lb/>ſti Leiden und Sterben ſo wenig Frucht in ihme gewuͤrcket; Wie viel<lb/>ſchoͤne Evangeliſche Verheiſſungen hat mancher ſein Lebtag gehoͤret,<lb/>
und iſt nie mit Goͤttlicher Freude erfuͤllet worden.</p><lb/><noteplace="left">Dann<lb/>
GOtt hat<lb/>
alle Mit-<lb/>
tel zu ih-<lb/>
rer Beſſe-<lb/>
rung an-<lb/>
gewendet.</note><p><hirendition="#i">§.</hi> 2. O liebe Leut, wie offt hat euch JEſus ſeine flammende Lie-<lb/>
be laſſen vormahlen <noteplace="foot"n="a"><hirendition="#aq">Gal. III.</hi> 1.</note>, aber es hat kein Funcken niemahls davon koͤn-<lb/>
nen anglimmen in eueren Welt-feuchten Hertzen; GOTT hat euch<lb/>ſeinen eingebohrnen Sohn, gegen welchem alle Kleinodien Himmels<lb/>
und der Erden, als nichts zu rechnen ſind, ſo lange, lange Zeit an-<lb/>
getragen, aber ihr habt niemahlen euere Hertzen von der Schlangen-<lb/>
Brut wollen ausleeren und befreyen laſſen, ihne aufzunehmen, den<lb/>
Suͤnden-Koth nie aus den Haͤnden werffen wollen JEſum zu em-<lb/>
pfangen; GOTT hat euch vom kuͤnfftigen Zorn, ewigem Gericht<lb/>
und hoͤlliſcher Pein, aus der Heil. Schrifft weiſſagen laſſen, aber<lb/>
ihr ſeyd nie darob erſchrocken, daß es euch recht angſt gemacht, und<lb/>
zur Buß getrieben haͤtte.</p><lb/><noteplace="left">Aber um-<lb/>ſonſt, dann</note><p>§. 3. Ach der groͤſte Hauffen hat es immer im Alten gehen laſſen,<lb/>
und iſt nicht mehr bewegt worden als Stuͤhl und Baͤnck darauf ſie<lb/>
geſeſſen; wie koͤnnt ihr dann noch alſo unſinnig ſeyn, und ein gut<lb/>
Zeugnuß hoffen von dem, der niemand im geringſten geheuchlet und<lb/>
geſchmeichelt, alldieweil er noch in erbaͤrmlicher Knechts-Geſtalt, als<lb/>
der Suͤnden-Traͤger der Welt, unter uns wandlete; Meynſt du<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dann</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[168/0264]
Geiſtliche Sonnen-Wende
lebt, anderſt redt, als die Kinder der Menſchen, der wird in Ewig-
keit nicht auf den Thron der Herrlichkeit geſetzt werden, und ſollte
ihn gleich der Pabſt und ſeine Cleriſey ſelig preiſen.
Das zehende Capitel.
§. 1. Der Menſch kan ſich nicht entſchuldigen, er iſt gantz freund-
lich und lang genug gewarnet worden, will er nichts darum geben,
ſo kan GOtt nichts darfuͤr. Dann wie mancher ſitzet hier, von wel-
chem GOttes Stimm 20, 30, 40, 50, biß 60. Jahr lang Buſſe ge-
forderet, der ſich aber in ſo langer Zeit nicht eine Stund lang, ja
was ſag ich, ein Stund, nicht ein halb viertel Stund von Hertzen,
uͤber ſein ſuͤndig Leben betruͤbet, und daruͤber bekuͤmmert, daß Chri-
ſti Leiden und Sterben ſo wenig Frucht in ihme gewuͤrcket; Wie viel
ſchoͤne Evangeliſche Verheiſſungen hat mancher ſein Lebtag gehoͤret,
und iſt nie mit Goͤttlicher Freude erfuͤllet worden.
§. 2. O liebe Leut, wie offt hat euch JEſus ſeine flammende Lie-
be laſſen vormahlen a, aber es hat kein Funcken niemahls davon koͤn-
nen anglimmen in eueren Welt-feuchten Hertzen; GOTT hat euch
ſeinen eingebohrnen Sohn, gegen welchem alle Kleinodien Himmels
und der Erden, als nichts zu rechnen ſind, ſo lange, lange Zeit an-
getragen, aber ihr habt niemahlen euere Hertzen von der Schlangen-
Brut wollen ausleeren und befreyen laſſen, ihne aufzunehmen, den
Suͤnden-Koth nie aus den Haͤnden werffen wollen JEſum zu em-
pfangen; GOTT hat euch vom kuͤnfftigen Zorn, ewigem Gericht
und hoͤlliſcher Pein, aus der Heil. Schrifft weiſſagen laſſen, aber
ihr ſeyd nie darob erſchrocken, daß es euch recht angſt gemacht, und
zur Buß getrieben haͤtte.
§. 3. Ach der groͤſte Hauffen hat es immer im Alten gehen laſſen,
und iſt nicht mehr bewegt worden als Stuͤhl und Baͤnck darauf ſie
geſeſſen; wie koͤnnt ihr dann noch alſo unſinnig ſeyn, und ein gut
Zeugnuß hoffen von dem, der niemand im geringſten geheuchlet und
geſchmeichelt, alldieweil er noch in erbaͤrmlicher Knechts-Geſtalt, als
der Suͤnden-Traͤger der Welt, unter uns wandlete; Meynſt du
dann
a Gal. III. 1.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/264>, abgerufen am 13.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.