Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Erstes Buch
[Spaltenumbruch] siehert euch/ behertzte Brüder/ wil heute mit
meinem Blute lieber drey Spannen Erde ge-
gen die Römer gewinnen/ als drey Schritte
zurück weichen/ wüste ich auch dadurch mein Le-
ben auf tausend Jahr zu verlängern. Werdet
ihr meinen Fußstapfen nachfolgen/ wird diesen
Tag entweder von dem Feinde oder uns kein
Gebeine entrinnen.

Hiermit ergriff er den Helm/ drückte ihn aufs
Haupt/ und sprengte mit seinem Pferde von ei-
ner äusersten Spitze der Schlacht-Ordnung biß
zur andern. Das Heer aber schlug noch mit
grösserm Ungestüm die Waffen aneinander;
welches bey den Deutschen die Kräfftigste Art et-
was zu bestätigen/ und die ehrlichste iemanden zu
loben ist. Hierauf erregten die theils hörner-
ne/ theils aus Messing gegossene krumm- Hör-
ner/ bey noch stiller Nacht/ ein solches Gethöne/
daß die Erde erbebte/ und die Lüfte mit vielfäl-
tigem Wieder-Schalle erfüllet wurden.

Hertzog Segimer nahm hiemit den ihm un-
tergebenen Vortrab/ und führte selbten gerade
dem Feinde zu/ unter welchem sein Sohn Sesi-
tach tausend junge Cheruskische und Bructeri-
sche/ Printz Catumer des Arpus Sohn fünf-
hundert junge Cattische Edelleute führte/ welche
alle/ weil sie noch keinen Feind erschlagen/ eiserne
Ringe trugen/ umb in dieser Kriegs-Schule ihr
Glück oder vielmehr ihre Tapferkeit zu versu-
chen/ und zugleich das Recht zu erwerben ge-
meynt waren: daß sie künftig goldne Ringe tra-
gen möchten.

Als diese bey dem Feld-Herrn vorbey zohen/
welcher alle und iede in genauern Augenschein
nahm/ und keinen Hauffen zur Hertzhafftigkeit
aufzufrisehen vergaß/ ritte ein gerader wol-ge-
wafneter Jüngling/ der einen mit grünem Laub-
wercke ausgeetzten Harnisch/ und im Schilde
eine Taube führte/ aus der Ordnung/ näherte sich
dem Feldherrn/ und reichte ihm mit tiefster Ehr-
erbiettung einen Zettel/ darauf diese Schrifft
zu lesen war:

[Spaltenumbruch]

Erlauchter Fürst/ großmüthiger Feld-Herr!
Die Cherusker sind gewohnt für ihren Schlach-
ten durch Zwey- Kampf eines Einheimischen
und eines gefangenen Feindes den Ausschlag
des bevorstehenden Treffens zu erkundigen.
Gönne diesemnach einem ruhmbegierigen Edel-
manne/ daß/ nach dem dir die gütigen Götter
den Sieg schon so augenscheinlich gewiesen ha-
ben; daß ich und ein gefangener Römer/ ieder
mit Waffen nach seiner Landes - Art allhier zu-
sammen schlagen/ und mir deine Augen und
Vorbild heute das Glücke des Sieges mitthei-
len/ was ich sonst meiner Stärcke und Tapfer-
keit nicht zutrauen darf.

Dem Feld-Herrn kam dieser Anspruch gantz
unvermuthet/ iedoch nahm er diese kecke Ent-
schlüssung für ein sehr gutes Zeichen an/ und sein
Hertze empfand gegen diesem Edelmanne eine
ungemeine Beweg- und Zuneigung. Er
würde auch nicht die Befchaffenheit seiner Per-
son und den Anlaß zu diesem Ebentheuer genau
zu erforschen vergessen haben/ wenn er nicht als-
bald in die Gedancken gefallen wäre: daß selb-
ter/ umb alleine unbekant und mit dem Helme
verdeckt zu bleiben/ sein Verlangen schrifftlich
entworffen hätte. Dahero lobte er/ ohne eini-
ges vorwitziges Ausfragen/ sein Begehren/ und
befahl: daß/ da irgend einige gefangene Römer
alldar befindlich wären/ sie augenblicklich zur
Stelle gebracht werden solten. Fürst Arpus/
welcher unferne davon hielt/ vernahm diesen Be-
fehl des Feld - Herrn/ näherte sich zu ihm/ und
ließ alsbald zwey wolgewachsene schöne Jüng-
linge zur Stelle bringen/ welche er für kurtzer
Zeit gefangen bekommen/ als die Römer aus der
vom Drusus am Berge Taunus aufgerichteten
Festung Tranburg auf die Catten gestreifft.
Diese fragte der Feld-Herr: Ob einer unter
ihnen das Hertze hätte mit anwesendem Edel-
manne zu fechten? Der Preiß des Sieges sey
des gefangenen Freyheit. Hertzog Herrmann
hatte diß letzte Wort noch halb im Munde/ als

der

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] ſiehert euch/ behertzte Bruͤder/ wil heute mit
meinem Blute lieber drey Spannen Erde ge-
gen die Roͤmer gewinnen/ als drey Schritte
zuruͤck weichen/ wuͤſte ich auch dadurch mein Le-
ben auf tauſend Jahr zu verlaͤngern. Werdet
ihr meinen Fußſtapfen nachfolgen/ wird dieſen
Tag entweder von dem Feinde oder uns kein
Gebeine entrinnen.

Hiermit ergriff er den Helm/ druͤckte ihn aufs
Haupt/ und ſprengte mit ſeinem Pferde von ei-
ner aͤuſerſten Spitze der Schlacht-Ordnung biß
zur andern. Das Heer aber ſchlug noch mit
groͤſſerm Ungeſtuͤm die Waffen aneinander;
welches bey den Deutſchen die Kraͤfftigſte Art et-
was zu beſtaͤtigen/ und die ehrlichſte iemanden zu
loben iſt. Hierauf erregten die theils hoͤrner-
ne/ theils aus Meſſing gegoſſene krum̃- Hoͤr-
ner/ bey noch ſtiller Nacht/ ein ſolches Gethoͤne/
daß die Erde erbebte/ und die Luͤfte mit vielfaͤl-
tigem Wieder-Schalle erfuͤllet wurden.

Hertzog Segimer nahm hiemit den ihm un-
tergebenen Vortrab/ und fuͤhrte ſelbten gerade
dem Feinde zu/ unter welchem ſein Sohn Seſi-
tach tauſend junge Cheruskiſche und Bructeri-
ſche/ Printz Catumer des Arpus Sohn fuͤnf-
hundert junge Cattiſche Edelleute fuͤhrte/ welche
alle/ weil ſie noch keinen Feind erſchlagen/ eiſerne
Ringe trugen/ umb in dieſer Kriegs-Schule ihr
Gluͤck oder vielmehr ihre Tapferkeit zu verſu-
chen/ und zugleich das Recht zu erwerben ge-
meynt waren: daß ſie kuͤnftig goldne Ringe tra-
gen moͤchten.

Als dieſe bey dem Feld-Herrn vorbey zohen/
welcher alle und iede in genauern Augenſchein
nahm/ und keinen Hauffen zur Hertzhafftigkeit
aufzufriſehen vergaß/ ritte ein gerader wol-ge-
wafneter Juͤngling/ der einen mit gruͤnem Laub-
wercke ausgeetzten Harniſch/ und im Schilde
eine Taube fuͤhrte/ aus der Ordnung/ naͤherte ſich
dem Feldherrn/ und reichte ihm mit tiefſter Ehr-
erbiettung einen Zettel/ darauf dieſe Schrifft
zu leſen war:

[Spaltenumbruch]

Erlauchter Fuͤrſt/ großmuͤthiger Feld-Herr!
Die Cherusker ſind gewohnt fuͤr ihren Schlach-
ten durch Zwey- Kampf eines Einheimiſchen
und eines gefangenen Feindes den Ausſchlag
des bevorſtehenden Treffens zu erkundigen.
Goͤñe dieſemnach einem ruhmbegierigen Edel-
manne/ daß/ nach dem dir die guͤtigen Goͤtter
den Sieg ſchon ſo augenſcheinlich gewieſen ha-
ben; daß ich und ein gefangener Roͤmer/ ieder
mit Waffen nach ſeiner Landes - Art allhier zu-
ſammen ſchlagen/ und mir deine Augen und
Vorbild heute das Gluͤcke des Sieges mitthei-
len/ was ich ſonſt meiner Staͤrcke und Tapfer-
keit nicht zutrauen darf.

Dem Feld-Herrn kam dieſer Anſpruch gantz
unvermuthet/ iedoch nahm er dieſe kecke Ent-
ſchluͤſſung fuͤr ein ſehr gutes Zeichen an/ und ſein
Hertze empfand gegen dieſem Edelmanne eine
ungemeine Beweg- und Zuneigung. Er
wuͤrde auch nicht die Befchaffenheit ſeiner Per-
ſon und den Anlaß zu dieſem Ebentheuer genau
zu erforſchen vergeſſen haben/ wenn er nicht als-
bald in die Gedancken gefallen waͤre: daß ſelb-
ter/ umb alleine unbekant und mit dem Helme
verdeckt zu bleiben/ ſein Verlangen ſchrifftlich
entworffen haͤtte. Dahero lobte er/ ohne eini-
ges vorwitziges Ausfragen/ ſein Begehren/ und
befahl: daß/ da irgend einige gefangene Roͤmer
alldar befindlich waͤren/ ſie augenblicklich zur
Stelle gebracht werden ſolten. Fuͤrſt Arpus/
welcher unferne davon hielt/ vernahm dieſen Be-
fehl des Feld - Herrn/ naͤherte ſich zu ihm/ und
ließ alsbald zwey wolgewachſene ſchoͤne Juͤng-
linge zur Stelle bringen/ welche er fuͤr kurtzer
Zeit gefangen bekommen/ als die Roͤmer aus der
vom Druſus am Berge Taunus aufgerichteten
Feſtung Tranburg auf die Catten geſtreifft.
Dieſe fragte der Feld-Herr: Ob einer unter
ihnen das Hertze haͤtte mit anweſendem Edel-
manne zu fechten? Der Preiß des Sieges ſey
des gefangenen Freyheit. Hertzog Herrmann
hatte diß letzte Wort noch halb im Munde/ als

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0080" n="32"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;iehert euch/ behertzte Bru&#x0364;der/ wil heute mit<lb/>
meinem Blute lieber drey Spannen Erde ge-<lb/>
gen die Ro&#x0364;mer gewinnen/ als drey Schritte<lb/>
zuru&#x0364;ck weichen/ wu&#x0364;&#x017F;te ich auch dadurch mein Le-<lb/>
ben auf tau&#x017F;end Jahr zu verla&#x0364;ngern. Werdet<lb/>
ihr meinen Fuß&#x017F;tapfen nachfolgen/ wird die&#x017F;en<lb/>
Tag entweder von dem Feinde oder uns kein<lb/>
Gebeine entrinnen.</p><lb/>
          <p>Hiermit ergriff er den Helm/ dru&#x0364;ckte ihn aufs<lb/>
Haupt/ und &#x017F;prengte mit &#x017F;einem Pferde von ei-<lb/>
ner a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;ten Spitze der Schlacht-Ordnung biß<lb/>
zur andern. Das Heer aber &#x017F;chlug noch mit<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erm Unge&#x017F;tu&#x0364;m die Waffen aneinander;<lb/>
welches bey den Deut&#x017F;chen die Kra&#x0364;fftig&#x017F;te Art et-<lb/>
was zu be&#x017F;ta&#x0364;tigen/ und die ehrlich&#x017F;te iemanden zu<lb/>
loben i&#x017F;t. Hierauf erregten die theils ho&#x0364;rner-<lb/>
ne/ theils aus Me&#x017F;&#x017F;ing gego&#x017F;&#x017F;ene krum&#x0303;- Ho&#x0364;r-<lb/>
ner/ bey noch &#x017F;tiller Nacht/ ein &#x017F;olches Getho&#x0364;ne/<lb/>
daß die Erde erbebte/ und die Lu&#x0364;fte mit vielfa&#x0364;l-<lb/>
tigem Wieder-Schalle erfu&#x0364;llet wurden.</p><lb/>
          <p>Hertzog Segimer nahm hiemit den ihm un-<lb/>
tergebenen Vortrab/ und fu&#x0364;hrte &#x017F;elbten gerade<lb/>
dem Feinde zu/ unter welchem &#x017F;ein Sohn Se&#x017F;i-<lb/>
tach tau&#x017F;end junge Cheruski&#x017F;che und Bructeri-<lb/>
&#x017F;che/ Printz Catumer des Arpus Sohn fu&#x0364;nf-<lb/>
hundert junge Catti&#x017F;che Edelleute fu&#x0364;hrte/ welche<lb/>
alle/ weil &#x017F;ie noch keinen Feind er&#x017F;chlagen/ ei&#x017F;erne<lb/>
Ringe trugen/ umb in die&#x017F;er Kriegs-Schule ihr<lb/>
Glu&#x0364;ck oder vielmehr ihre Tapferkeit zu ver&#x017F;u-<lb/>
chen/ und zugleich das Recht zu erwerben ge-<lb/>
meynt waren: daß &#x017F;ie ku&#x0364;nftig goldne Ringe tra-<lb/>
gen mo&#x0364;chten.</p><lb/>
          <p>Als die&#x017F;e bey dem Feld-Herrn vorbey zohen/<lb/>
welcher alle und iede in genauern Augen&#x017F;chein<lb/>
nahm/ und keinen Hauffen zur Hertzhafftigkeit<lb/>
aufzufri&#x017F;ehen vergaß/ ritte ein gerader wol-ge-<lb/>
wafneter Ju&#x0364;ngling/ der einen mit gru&#x0364;nem Laub-<lb/>
wercke ausgeetzten Harni&#x017F;ch/ und im Schilde<lb/>
eine Taube fu&#x0364;hrte/ aus der Ordnung/ na&#x0364;herte &#x017F;ich<lb/>
dem Feldherrn/ und reichte ihm mit tief&#x017F;ter Ehr-<lb/>
erbiettung einen Zettel/ darauf die&#x017F;e Schrifft<lb/>
zu le&#x017F;en war:</p><lb/>
          <cb/>
          <p>Erlauchter Fu&#x0364;r&#x017F;t/ großmu&#x0364;thiger Feld-Herr!<lb/>
Die Cherusker &#x017F;ind gewohnt fu&#x0364;r ihren Schlach-<lb/>
ten durch Zwey- Kampf eines Einheimi&#x017F;chen<lb/>
und eines gefangenen Feindes den Aus&#x017F;chlag<lb/>
des bevor&#x017F;tehenden Treffens zu erkundigen.<lb/>
Go&#x0364;n&#x0303;e die&#x017F;emnach einem ruhmbegierigen Edel-<lb/>
manne/ daß/ nach dem dir die gu&#x0364;tigen Go&#x0364;tter<lb/>
den Sieg &#x017F;chon &#x017F;o augen&#x017F;cheinlich gewie&#x017F;en ha-<lb/>
ben; daß ich und ein gefangener Ro&#x0364;mer/ ieder<lb/>
mit Waffen nach &#x017F;einer Landes - Art allhier zu-<lb/>
&#x017F;ammen &#x017F;chlagen/ und mir deine Augen und<lb/>
Vorbild heute das Glu&#x0364;cke des Sieges mitthei-<lb/>
len/ was ich &#x017F;on&#x017F;t meiner Sta&#x0364;rcke und Tapfer-<lb/>
keit nicht zutrauen darf.</p><lb/>
          <p>Dem Feld-Herrn kam die&#x017F;er An&#x017F;pruch gantz<lb/>
unvermuthet/ iedoch nahm er die&#x017F;e kecke Ent-<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung fu&#x0364;r ein &#x017F;ehr gutes Zeichen an/ und &#x017F;ein<lb/>
Hertze empfand gegen die&#x017F;em Edelmanne eine<lb/>
ungemeine Beweg- und Zuneigung. Er<lb/>
wu&#x0364;rde auch nicht die Befchaffenheit &#x017F;einer Per-<lb/>
&#x017F;on und den Anlaß zu die&#x017F;em Ebentheuer genau<lb/>
zu erfor&#x017F;chen verge&#x017F;&#x017F;en haben/ wenn er nicht als-<lb/>
bald in die Gedancken gefallen wa&#x0364;re: daß &#x017F;elb-<lb/>
ter/ umb alleine unbekant und mit dem Helme<lb/>
verdeckt zu bleiben/ &#x017F;ein Verlangen &#x017F;chrifftlich<lb/>
entworffen ha&#x0364;tte. Dahero lobte er/ ohne eini-<lb/>
ges vorwitziges Ausfragen/ &#x017F;ein Begehren/ und<lb/>
befahl: daß/ da irgend einige gefangene Ro&#x0364;mer<lb/>
alldar befindlich wa&#x0364;ren/ &#x017F;ie augenblicklich zur<lb/>
Stelle gebracht werden &#x017F;olten. Fu&#x0364;r&#x017F;t Arpus/<lb/>
welcher unferne davon hielt/ vernahm die&#x017F;en Be-<lb/>
fehl des Feld - Herrn/ na&#x0364;herte &#x017F;ich zu ihm/ und<lb/>
ließ alsbald zwey wolgewach&#x017F;ene &#x017F;cho&#x0364;ne Ju&#x0364;ng-<lb/>
linge zur Stelle bringen/ welche er fu&#x0364;r kurtzer<lb/>
Zeit gefangen bekommen/ als die Ro&#x0364;mer aus der<lb/>
vom Dru&#x017F;us am Berge Taunus aufgerichteten<lb/>
Fe&#x017F;tung Tranburg auf die Catten ge&#x017F;treifft.<lb/>
Die&#x017F;e fragte der Feld-Herr: Ob einer unter<lb/>
ihnen das Hertze ha&#x0364;tte mit anwe&#x017F;endem Edel-<lb/>
manne zu fechten? Der Preiß des Sieges &#x017F;ey<lb/>
des gefangenen Freyheit. Hertzog Herrmann<lb/>
hatte diß letzte Wort noch halb im Munde/ als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0080] Erſtes Buch ſiehert euch/ behertzte Bruͤder/ wil heute mit meinem Blute lieber drey Spannen Erde ge- gen die Roͤmer gewinnen/ als drey Schritte zuruͤck weichen/ wuͤſte ich auch dadurch mein Le- ben auf tauſend Jahr zu verlaͤngern. Werdet ihr meinen Fußſtapfen nachfolgen/ wird dieſen Tag entweder von dem Feinde oder uns kein Gebeine entrinnen. Hiermit ergriff er den Helm/ druͤckte ihn aufs Haupt/ und ſprengte mit ſeinem Pferde von ei- ner aͤuſerſten Spitze der Schlacht-Ordnung biß zur andern. Das Heer aber ſchlug noch mit groͤſſerm Ungeſtuͤm die Waffen aneinander; welches bey den Deutſchen die Kraͤfftigſte Art et- was zu beſtaͤtigen/ und die ehrlichſte iemanden zu loben iſt. Hierauf erregten die theils hoͤrner- ne/ theils aus Meſſing gegoſſene krum̃- Hoͤr- ner/ bey noch ſtiller Nacht/ ein ſolches Gethoͤne/ daß die Erde erbebte/ und die Luͤfte mit vielfaͤl- tigem Wieder-Schalle erfuͤllet wurden. Hertzog Segimer nahm hiemit den ihm un- tergebenen Vortrab/ und fuͤhrte ſelbten gerade dem Feinde zu/ unter welchem ſein Sohn Seſi- tach tauſend junge Cheruskiſche und Bructeri- ſche/ Printz Catumer des Arpus Sohn fuͤnf- hundert junge Cattiſche Edelleute fuͤhrte/ welche alle/ weil ſie noch keinen Feind erſchlagen/ eiſerne Ringe trugen/ umb in dieſer Kriegs-Schule ihr Gluͤck oder vielmehr ihre Tapferkeit zu verſu- chen/ und zugleich das Recht zu erwerben ge- meynt waren: daß ſie kuͤnftig goldne Ringe tra- gen moͤchten. Als dieſe bey dem Feld-Herrn vorbey zohen/ welcher alle und iede in genauern Augenſchein nahm/ und keinen Hauffen zur Hertzhafftigkeit aufzufriſehen vergaß/ ritte ein gerader wol-ge- wafneter Juͤngling/ der einen mit gruͤnem Laub- wercke ausgeetzten Harniſch/ und im Schilde eine Taube fuͤhrte/ aus der Ordnung/ naͤherte ſich dem Feldherrn/ und reichte ihm mit tiefſter Ehr- erbiettung einen Zettel/ darauf dieſe Schrifft zu leſen war: Erlauchter Fuͤrſt/ großmuͤthiger Feld-Herr! Die Cherusker ſind gewohnt fuͤr ihren Schlach- ten durch Zwey- Kampf eines Einheimiſchen und eines gefangenen Feindes den Ausſchlag des bevorſtehenden Treffens zu erkundigen. Goͤñe dieſemnach einem ruhmbegierigen Edel- manne/ daß/ nach dem dir die guͤtigen Goͤtter den Sieg ſchon ſo augenſcheinlich gewieſen ha- ben; daß ich und ein gefangener Roͤmer/ ieder mit Waffen nach ſeiner Landes - Art allhier zu- ſammen ſchlagen/ und mir deine Augen und Vorbild heute das Gluͤcke des Sieges mitthei- len/ was ich ſonſt meiner Staͤrcke und Tapfer- keit nicht zutrauen darf. Dem Feld-Herrn kam dieſer Anſpruch gantz unvermuthet/ iedoch nahm er dieſe kecke Ent- ſchluͤſſung fuͤr ein ſehr gutes Zeichen an/ und ſein Hertze empfand gegen dieſem Edelmanne eine ungemeine Beweg- und Zuneigung. Er wuͤrde auch nicht die Befchaffenheit ſeiner Per- ſon und den Anlaß zu dieſem Ebentheuer genau zu erforſchen vergeſſen haben/ wenn er nicht als- bald in die Gedancken gefallen waͤre: daß ſelb- ter/ umb alleine unbekant und mit dem Helme verdeckt zu bleiben/ ſein Verlangen ſchrifftlich entworffen haͤtte. Dahero lobte er/ ohne eini- ges vorwitziges Ausfragen/ ſein Begehren/ und befahl: daß/ da irgend einige gefangene Roͤmer alldar befindlich waͤren/ ſie augenblicklich zur Stelle gebracht werden ſolten. Fuͤrſt Arpus/ welcher unferne davon hielt/ vernahm dieſen Be- fehl des Feld - Herrn/ naͤherte ſich zu ihm/ und ließ alsbald zwey wolgewachſene ſchoͤne Juͤng- linge zur Stelle bringen/ welche er fuͤr kurtzer Zeit gefangen bekommen/ als die Roͤmer aus der vom Druſus am Berge Taunus aufgerichteten Feſtung Tranburg auf die Catten geſtreifft. Dieſe fragte der Feld-Herr: Ob einer unter ihnen das Hertze haͤtte mit anweſendem Edel- manne zu fechten? Der Preiß des Sieges ſey des gefangenen Freyheit. Hertzog Herrmann hatte diß letzte Wort noch halb im Munde/ als der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/80
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/80>, abgerufen am 26.04.2024.