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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] haben solte. Wenige Zeit hernach starb Dece-
bal. Als nun König Jngram/ vermöge ihres
Bundes/ das Pannonische Dacien wieder for-
derte/ schützte die Königin Lasabile für: Decebals
abgeredter Rückfall hätte den Verstand in
sich gehabt/ da einer unter ihnen ohne Kinder
stürbe/ und Salomin/ dem Jngrams mehrere
Vergrösserung Kummer machte/ schickte des
Decebals zweyjährichtem Sohne Festan eine
Königliche Krone und andere kostbare Geschen-
cke/ versicherte die Königin seines Beystandes/
brachte auch die Stände des Reichs theils durch
Bedräuung/ theils durch Verheissungen/ darzu/
daß sie diesem Kinde die väterliche Krone aufsetz-
ten/ sich auch überdis noch ein Theil Pannoniens/
das die Jatzyger bewohnen/ zu ihm schlug. Als
nun König Jngram mit sieghaften Waffen
die Abtrünnigen wieder eroberte/ drang Salo-
min mit einer neuen Heeres-Macht wieder her-
für/ lägerte sich bey Bregetio/ worinnen sich die
Königin Lasabile und ihr Sohn aufhielt. Da-
selbst bekleidete er seine Arglist mit betrüglichen
Liebkosungen gegen der Königin und die Lan-
des-Herren/ als dem schädlichsten Gifte recht-
schaffener Freundschafft. Endlich ersuchte er
die Königin ihm den König ins Läger zu schicken/
wormit er ihm selbst die mitgebrachten Geschen-
cke einliefern/ und seiner Person Beschaffenheit
in Augenschein nehmen könte. Lasabile erschrack
über diesem Anmuthen überaus heftig/ und
ward nunmehr allzu langsam ihres Jrrthums
gewahr/ und daß nichts gefährlichers sey/ als ei-
nen mächtigern Nachbar zu Hülffe ruffen/ derer
Schutz-Flügelmeistentheils von Adlers-Federn
sind/ welche dieselben/ so sie für Gewalt beschir-
men sollen/ selbst zerreiben; wie die benachbarten
Griechen am Könige Philip empfunden/ der
den schwächsten halff/ wormit er anfangs die
Besiegten/ hernach die Sieger ihm unterthänig
machte. Gleichwohl dorfte sie ihr Mißtrauen
gegen dem Salomin/ als welcher mit seinem
mächtigern Heere/ als dem ihre äuserste Kräfften
[Spaltenumbruch] nicht gewachsen waren/ im Hertzen ihres Reiches
stund/ nicht mercken lassen/ sondern muste ihren
Sohn mit lachendem Munde in den Rachen
eines Wüterichs liefern/ dessen Herrschsucht be-
reits hundertmal die Ketten der Bindnüsse/ ja
die Gesetze der Natur durch Hinrichtung seiner
eigenen Söhne zerrissen hatte. So bald diß
Kind in seiner Gewalt war/ ließ er die Stadt
Bregentio bespringen/ zwang durch angedräue-
te Abschlachtung ihres Sohnes/ und mit dem
Vorwand/ daß ihr Land für Zeiten zu dem von
ihm durchs Recht oder Waffen eroberten Geti-
schen Reiche gehöret hätte/ die Königin/ daß sie
ihm das Schloß und andere Pannonische und
Dacische Festungen einräumen/ und für eine
Gnade erkennen muste/ daß sie mit ihrem Kinde
in Sarmatien ziehen dorfte. Also erfuhr diese
einfältige Königin allzu geschwinde/ daß/ da sie
meynte unter dem Schatten mächtiger Schirm-
Flügel zu stehen/ und mit Lilien bedeckt zu seyn/
sie in den Klauen eines Raub- Vogels war/ und
auf den biß ins Hertz stechenden Dornen lag;
lernete aber allzu langsam/ daß auch bey fast ver-
zweifeltem Zustande man frembder Hülffe sich
nicht bedienen solle von einem ungewissenhaff-
ten oder im Gottes-Dienste unterschiedenen
Fürsten/ oder der auf das Schutzdürftige Land
einen Anspruch hat/ oder es ihm vortheilhafftig
gelegen ist; sonderlich da die Hülffe die eigene
Macht überwieget/ und die Hülffs-Völcker
unter ihren eigenen Heer-Führern bleiben/ in
Festungen verlegt/ und nicht bald wider den
Feind geführet werden. Ob nun wol dieser
Salomin viermal in Person mit dem unzehlba-
ren Schwarme der Scythen/ Geten und Ba-
starnen Pannonien überschwemmete/ Deutsch-
land auch wegen eigener Trennung der Druy-
den/ Barden und Eubagen dem Könige und
endlich obersten Feldherrn Jngram wenige
Hülffe leistete/ so thät er doch diesem grausamen
Feinde mit seinen Qvaden/ insonderheit der
Gothinischen/ Ostschen und Burischen Ritter-

schafft

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] haben ſolte. Wenige Zeit hernach ſtarb Dece-
bal. Als nun Koͤnig Jngram/ vermoͤge ihres
Bundes/ das Pannoniſche Dacien wieder for-
derte/ ſchuͤtzte die Koͤnigin Laſabile fuͤr: Decebals
abgeredter Ruͤckfall haͤtte den Verſtand in
ſich gehabt/ da einer unter ihnen ohne Kinder
ſtuͤrbe/ und Salomin/ dem Jngrams mehrere
Vergroͤſſerung Kummer machte/ ſchickte des
Decebals zweyjaͤhrichtem Sohne Feſtan eine
Koͤnigliche Krone und andere koſtbare Geſchen-
cke/ verſicherte die Koͤnigin ſeines Beyſtandes/
brachte auch die Staͤnde des Reichs theils durch
Bedraͤuung/ theils durch Verheiſſungen/ darzu/
daß ſie dieſem Kinde die vaͤterliche Krone aufſetz-
ten/ ſich auch uͤberdis noch ein Theil Pañoniens/
das die Jatzyger bewohnen/ zu ihm ſchlug. Als
nun Koͤnig Jngram mit ſieghaften Waffen
die Abtruͤnnigen wieder eroberte/ drang Salo-
min mit einer neuen Heeres-Macht wieder her-
fuͤr/ laͤgerte ſich bey Bregetio/ worinnen ſich die
Koͤnigin Laſabile und ihr Sohn aufhielt. Da-
ſelbſt bekleidete er ſeine Argliſt mit betruͤglichen
Liebkoſungen gegen der Koͤnigin und die Lan-
des-Herren/ als dem ſchaͤdlichſten Gifte recht-
ſchaffener Freundſchafft. Endlich erſuchte er
die Koͤnigin ihm den Koͤnig ins Laͤger zu ſchicken/
wormit er ihm ſelbſt die mitgebrachten Geſchen-
cke einliefern/ und ſeiner Perſon Beſchaffenheit
in Augenſchein nehmen koͤnte. Laſabile erſchrack
uͤber dieſem Anmuthen uͤberaus heftig/ und
ward nunmehr allzu langſam ihres Jrrthums
gewahr/ und daß nichts gefaͤhrlichers ſey/ als ei-
nen maͤchtigern Nachbar zu Huͤlffe ruffen/ derer
Schutz-Fluͤgelmeiſtentheils von Adlers-Federn
ſind/ welche dieſelben/ ſo ſie fuͤr Gewalt beſchir-
men ſollen/ ſelbſt zerreiben; wie die benachbarten
Griechen am Koͤnige Philip empfunden/ der
den ſchwaͤchſten halff/ wormit er anfangs die
Beſiegten/ hernach die Sieger ihm unterthaͤnig
machte. Gleichwohl dorfte ſie ihr Mißtrauen
gegen dem Salomin/ als welcher mit ſeinem
maͤchtigern Heere/ als dem ihre aͤuſerſte Kraͤfften
[Spaltenumbruch] nicht gewachſen waren/ im Hertzen ihres Reiches
ſtund/ nicht mercken laſſen/ ſondern muſte ihren
Sohn mit lachendem Munde in den Rachen
eines Wuͤterichs liefern/ deſſen Herrſchſucht be-
reits hundertmal die Ketten der Bindnuͤſſe/ ja
die Geſetze der Natur durch Hinrichtung ſeiner
eigenen Soͤhne zerriſſen hatte. So bald diß
Kind in ſeiner Gewalt war/ ließ er die Stadt
Bregentio beſpringen/ zwang durch angedraͤue-
te Abſchlachtung ihres Sohnes/ und mit dem
Vorwand/ daß ihr Land fuͤr Zeiten zu dem von
ihm durchs Recht oder Waffen eroberten Geti-
ſchen Reiche gehoͤret haͤtte/ die Koͤnigin/ daß ſie
ihm das Schloß und andere Pannoniſche und
Daciſche Feſtungen einraͤumen/ und fuͤr eine
Gnade erkennen muſte/ daß ſie mit ihrem Kinde
in Sarmatien ziehen dorfte. Alſo erfuhr dieſe
einfaͤltige Koͤnigin allzu geſchwinde/ daß/ da ſie
meynte unter dem Schatten maͤchtiger Schirm-
Fluͤgel zu ſtehen/ und mit Lilien bedeckt zu ſeyn/
ſie in den Klauen eines Raub- Vogels war/ und
auf den biß ins Hertz ſtechenden Dornen lag;
lernete aber allzu langſam/ daß auch bey faſt ver-
zweifeltem Zuſtande man frembder Huͤlffe ſich
nicht bedienen ſolle von einem ungewiſſenhaff-
ten oder im Gottes-Dienſte unterſchiedenen
Fuͤrſten/ oder der auf das Schutzduͤrftige Land
einen Anſpruch hat/ oder es ihm vortheilhafftig
gelegen iſt; ſonderlich da die Huͤlffe die eigene
Macht uͤberwieget/ und die Huͤlffs-Voͤlcker
unter ihren eigenen Heer-Fuͤhrern bleiben/ in
Feſtungen verlegt/ und nicht bald wider den
Feind gefuͤhret werden. Ob nun wol dieſer
Salomin viermal in Perſon mit dem unzehlba-
ren Schwarme der Scythen/ Geten und Ba-
ſtarnen Pannonien uͤberſchwemmete/ Deutſch-
land auch wegen eigener Trennung der Druy-
den/ Barden und Eubagen dem Koͤnige und
endlich oberſten Feldherrn Jngram wenige
Huͤlffe leiſtete/ ſo thaͤt er doch dieſem grauſamen
Feinde mit ſeinen Qvaden/ inſonderheit der
Gothiniſchen/ Oſtſchen und Buriſchen Ritter-

ſchafft
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/202>, abgerufen am 26.04.2024.