Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Gestalt und Atmosphären der Planeten.
gleich 1,06, so daß also hier der Mittelpunkt der freien Rotation
sehr nahe an der Oberfläche des Planeten liegt. Bei dem Monde
endlich ist sie gleich 200 Mondhalbmessern, oder nahe 60 Erdhalb-
messern, d. h. sehr nahe gleich der mittleren Entfernung des Mon-
des von der Erde. Für den Mond fällt also jener Punkt sehr
nahe in den Mittelpunkt der Erde, ein merkwürdiges Zusammen-
treffen, das vielleicht noch einmal nähere Aufschlüsse über das
geheimnißvolle Band geben wird, welches den Mond mit der
Erde verbindet.

§. 103. (Alter der Erde.) Da der ursprüngliche Stoß, von
welchem wir oben gesprochen haben, die Bewegung der Erde um
die Sonne in der Ebene der Ecliptik erzeugt hat, so muß die
Richtung dieses Stoßes mit der Ecliptik selbst parallel, und zu-
gleich nahe senkrecht auf die ursprüngliche Entfernung der Erde
von der Sonne gewesen seyn, weil die elliptische Bahn derselben
eine so geringe Excentricität hat, oder einer kreisförmigen Bahn
so ähnlich ist, in welcher bekanntlich der Halbmesser auf der Tan-
gente des Kreises immer senkrecht steht. Da aber auch derselbe
anfängliche Stoß die Ursache der täglichen Rotation der Erde
um ihre Axe seyn soll, und da diese Rotation in der Ebene des
Aequators vor sich geht, so muß die Richtung desselben aus der-
selben Ursache auch mit der Ebene des Aequators parallel gewesen
seyn. Daraus kann man den Schluß ableiten, daß die Erde zur
Zeit ihrer Entstehung in einer ihrer zwei Solstitien gewesen seyn
muß, weil nur dort die Ecliptik dem Aequator parallel liegt, und
daß sie zugleich in einem ihrer beiden Absiden gewesen seyn muß,
weil nur in diesen beiden Punkten die Bahn der Erde auf ihrer
Entfernung von der Sonne senkrecht steht. Die Erde scheint daher
in der Nähe einer der beiden Sonnenwenden, und zwar zu einer
Zeit entstanden zu seyn, wo die Absiden der Erdbahn mit diesen
Sonnenwenden zusammenfielen. Nimmt man an, daß die Länge
des Periheliums der Erde im Jahre 1800 unserer Zeitrechnung
99° 30', und daß die tropische Bewegung desselben in 100 Jahren
1,722° beträgt, so fiel die große Axe der Erdbahn oder die Absi-
denlinie derselben mit einer der beiden Sonnenwenden zusammen
in den Jahren 9204 oder 19656 oder 30108 u. s. w. vor dem
Anfang unserer Zeitrechnung. Ueberhaupt aber hat man folgende

Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.
gleich 1,06, ſo daß alſo hier der Mittelpunkt der freien Rotation
ſehr nahe an der Oberfläche des Planeten liegt. Bei dem Monde
endlich iſt ſie gleich 200 Mondhalbmeſſern, oder nahe 60 Erdhalb-
meſſern, d. h. ſehr nahe gleich der mittleren Entfernung des Mon-
des von der Erde. Für den Mond fällt alſo jener Punkt ſehr
nahe in den Mittelpunkt der Erde, ein merkwürdiges Zuſammen-
treffen, das vielleicht noch einmal nähere Aufſchlüſſe über das
geheimnißvolle Band geben wird, welches den Mond mit der
Erde verbindet.

§. 103. (Alter der Erde.) Da der urſprüngliche Stoß, von
welchem wir oben geſprochen haben, die Bewegung der Erde um
die Sonne in der Ebene der Ecliptik erzeugt hat, ſo muß die
Richtung dieſes Stoßes mit der Ecliptik ſelbſt parallel, und zu-
gleich nahe ſenkrecht auf die urſprüngliche Entfernung der Erde
von der Sonne geweſen ſeyn, weil die elliptiſche Bahn derſelben
eine ſo geringe Excentricität hat, oder einer kreisförmigen Bahn
ſo ähnlich iſt, in welcher bekanntlich der Halbmeſſer auf der Tan-
gente des Kreiſes immer ſenkrecht ſteht. Da aber auch derſelbe
anfängliche Stoß die Urſache der täglichen Rotation der Erde
um ihre Axe ſeyn ſoll, und da dieſe Rotation in der Ebene des
Aequators vor ſich geht, ſo muß die Richtung deſſelben aus der-
ſelben Urſache auch mit der Ebene des Aequators parallel geweſen
ſeyn. Daraus kann man den Schluß ableiten, daß die Erde zur
Zeit ihrer Entſtehung in einer ihrer zwei Solſtitien geweſen ſeyn
muß, weil nur dort die Ecliptik dem Aequator parallel liegt, und
daß ſie zugleich in einem ihrer beiden Abſiden geweſen ſeyn muß,
weil nur in dieſen beiden Punkten die Bahn der Erde auf ihrer
Entfernung von der Sonne ſenkrecht ſteht. Die Erde ſcheint daher
in der Nähe einer der beiden Sonnenwenden, und zwar zu einer
Zeit entſtanden zu ſeyn, wo die Abſiden der Erdbahn mit dieſen
Sonnenwenden zuſammenfielen. Nimmt man an, daß die Länge
des Periheliums der Erde im Jahre 1800 unſerer Zeitrechnung
99° 30′, und daß die tropiſche Bewegung deſſelben in 100 Jahren
1,722° beträgt, ſo fiel die große Axe der Erdbahn oder die Abſi-
denlinie derſelben mit einer der beiden Sonnenwenden zuſammen
in den Jahren 9204 oder 19656 oder 30108 u. ſ. w. vor dem
Anfang unſerer Zeitrechnung. Ueberhaupt aber hat man folgende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0162" n="150"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;talt und Atmo&#x017F;phären der Planeten.</fw><lb/>
gleich 1,<hi rendition="#sub">06</hi>, &#x017F;o daß al&#x017F;o hier der Mittelpunkt der freien Rotation<lb/>
&#x017F;ehr nahe an der Oberfläche des Planeten liegt. Bei dem Monde<lb/>
endlich i&#x017F;t &#x017F;ie gleich 200 Mondhalbme&#x017F;&#x017F;ern, oder nahe 60 Erdhalb-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ern, d. h. &#x017F;ehr nahe gleich der mittleren Entfernung des Mon-<lb/>
des von der Erde. Für den Mond fällt al&#x017F;o jener Punkt &#x017F;ehr<lb/>
nahe in den Mittelpunkt der Erde, ein merkwürdiges Zu&#x017F;ammen-<lb/>
treffen, das vielleicht noch einmal nähere Auf&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e über das<lb/>
geheimnißvolle Band geben wird, welches den Mond mit der<lb/>
Erde verbindet.</p><lb/>
              <p>§. 103. (Alter der Erde.) Da der ur&#x017F;prüngliche Stoß, von<lb/>
welchem wir oben ge&#x017F;prochen haben, die Bewegung der Erde um<lb/>
die Sonne in der Ebene der Ecliptik erzeugt hat, &#x017F;o muß die<lb/>
Richtung die&#x017F;es Stoßes mit der Ecliptik &#x017F;elb&#x017F;t parallel, und zu-<lb/>
gleich nahe &#x017F;enkrecht auf die ur&#x017F;prüngliche Entfernung der Erde<lb/>
von der Sonne gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, weil die ellipti&#x017F;che Bahn der&#x017F;elben<lb/>
eine &#x017F;o geringe Excentricität hat, oder einer kreisförmigen Bahn<lb/>
&#x017F;o ähnlich i&#x017F;t, in welcher bekanntlich der Halbme&#x017F;&#x017F;er auf der Tan-<lb/>
gente des Krei&#x017F;es immer &#x017F;enkrecht &#x017F;teht. Da aber auch der&#x017F;elbe<lb/>
anfängliche Stoß die Ur&#x017F;ache der <hi rendition="#g">täglichen</hi> Rotation der Erde<lb/>
um ihre Axe &#x017F;eyn &#x017F;oll, und da die&#x017F;e Rotation in der Ebene des<lb/>
Aequators vor &#x017F;ich geht, &#x017F;o muß die Richtung de&#x017F;&#x017F;elben aus der-<lb/>
&#x017F;elben Ur&#x017F;ache auch mit der Ebene des Aequators parallel gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn. Daraus kann man den Schluß ableiten, daß die Erde zur<lb/>
Zeit ihrer Ent&#x017F;tehung in einer ihrer zwei Sol&#x017F;titien gewe&#x017F;en &#x017F;eyn<lb/>
muß, weil nur dort die Ecliptik dem Aequator parallel liegt, und<lb/>
daß &#x017F;ie zugleich in einem ihrer beiden Ab&#x017F;iden gewe&#x017F;en &#x017F;eyn muß,<lb/>
weil nur in die&#x017F;en beiden Punkten die Bahn der Erde auf ihrer<lb/>
Entfernung von der Sonne &#x017F;enkrecht &#x017F;teht. Die Erde &#x017F;cheint daher<lb/>
in der Nähe einer der beiden Sonnenwenden, und zwar zu einer<lb/>
Zeit ent&#x017F;tanden zu &#x017F;eyn, wo die Ab&#x017F;iden der Erdbahn mit die&#x017F;en<lb/>
Sonnenwenden zu&#x017F;ammenfielen. Nimmt man an, daß die Länge<lb/>
des Periheliums der Erde im Jahre 1800 un&#x017F;erer Zeitrechnung<lb/>
99° 30&#x2032;, und daß die tropi&#x017F;che Bewegung de&#x017F;&#x017F;elben in 100 Jahren<lb/>
1,<hi rendition="#sub">722</hi>° beträgt, &#x017F;o fiel die große Axe der Erdbahn oder die Ab&#x017F;i-<lb/>
denlinie der&#x017F;elben mit einer der beiden Sonnenwenden zu&#x017F;ammen<lb/>
in den Jahren 9204 oder 19656 oder 30108 u. &#x017F;. w. vor dem<lb/>
Anfang un&#x017F;erer Zeitrechnung. Ueberhaupt aber hat man folgende<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0162] Geſtalt und Atmoſphären der Planeten. gleich 1,06, ſo daß alſo hier der Mittelpunkt der freien Rotation ſehr nahe an der Oberfläche des Planeten liegt. Bei dem Monde endlich iſt ſie gleich 200 Mondhalbmeſſern, oder nahe 60 Erdhalb- meſſern, d. h. ſehr nahe gleich der mittleren Entfernung des Mon- des von der Erde. Für den Mond fällt alſo jener Punkt ſehr nahe in den Mittelpunkt der Erde, ein merkwürdiges Zuſammen- treffen, das vielleicht noch einmal nähere Aufſchlüſſe über das geheimnißvolle Band geben wird, welches den Mond mit der Erde verbindet. §. 103. (Alter der Erde.) Da der urſprüngliche Stoß, von welchem wir oben geſprochen haben, die Bewegung der Erde um die Sonne in der Ebene der Ecliptik erzeugt hat, ſo muß die Richtung dieſes Stoßes mit der Ecliptik ſelbſt parallel, und zu- gleich nahe ſenkrecht auf die urſprüngliche Entfernung der Erde von der Sonne geweſen ſeyn, weil die elliptiſche Bahn derſelben eine ſo geringe Excentricität hat, oder einer kreisförmigen Bahn ſo ähnlich iſt, in welcher bekanntlich der Halbmeſſer auf der Tan- gente des Kreiſes immer ſenkrecht ſteht. Da aber auch derſelbe anfängliche Stoß die Urſache der täglichen Rotation der Erde um ihre Axe ſeyn ſoll, und da dieſe Rotation in der Ebene des Aequators vor ſich geht, ſo muß die Richtung deſſelben aus der- ſelben Urſache auch mit der Ebene des Aequators parallel geweſen ſeyn. Daraus kann man den Schluß ableiten, daß die Erde zur Zeit ihrer Entſtehung in einer ihrer zwei Solſtitien geweſen ſeyn muß, weil nur dort die Ecliptik dem Aequator parallel liegt, und daß ſie zugleich in einem ihrer beiden Abſiden geweſen ſeyn muß, weil nur in dieſen beiden Punkten die Bahn der Erde auf ihrer Entfernung von der Sonne ſenkrecht ſteht. Die Erde ſcheint daher in der Nähe einer der beiden Sonnenwenden, und zwar zu einer Zeit entſtanden zu ſeyn, wo die Abſiden der Erdbahn mit dieſen Sonnenwenden zuſammenfielen. Nimmt man an, daß die Länge des Periheliums der Erde im Jahre 1800 unſerer Zeitrechnung 99° 30′, und daß die tropiſche Bewegung deſſelben in 100 Jahren 1,722° beträgt, ſo fiel die große Axe der Erdbahn oder die Abſi- denlinie derſelben mit einer der beiden Sonnenwenden zuſammen in den Jahren 9204 oder 19656 oder 30108 u. ſ. w. vor dem Anfang unſerer Zeitrechnung. Ueberhaupt aber hat man folgende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/162
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/162>, abgerufen am 26.04.2024.