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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Anschwellungen und wo sie stark genug war, auch eine Erup-
tion, wodurch dann die Krater und Wallgebirge entstanden. Es
scheint, daß zur Zeit jener Katastrophe der ganze Körper des
Mondes nicht mehr eine weiche, sondern mehr schon eine feste
Masse gewesen, und daß wenigstens ein Theil dieser aufgeworfenen
Masse in eine Art von Schmelzung übergegangen sey. Was der-
gleichen Schmelzungen oder Verglasungen, wenn man so sagen
darf, noch wahrscheinlicher macht, ist die gänzliche Unmöglichkeit,
allen den seltsamen Farbenwechsel, der auf dem Monde statt hat,
zu erklären, ohne wenigstens hie und da spiegelähnliche Flächen
anzunehmen. Immer scheint das ganze mehr vulkanischen, als
neptunischen Ursprungs zu seyn, wofür der ganze Anblick des
Mondes und selbst die oben erwähnten Kegel in der Mitte
der Ringgebirge sprechen, da sie wohl nichts anders sind,
als neue Versuche jener innern elastischen Kraft, noch mehr
Masse auszuwerfen, wie man denn diese Kegel selbst in den gro-
ßen Kratern, ganz so wie bei unseren Vulkanen, findet. Es ist
möglich, es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß dieser Himmelskör-
per, dem es jetzt an Luft und Wasser fehlt, seit jener großen Re-
volution nur mehr ein trockenes, nacktes Felsengerippe ist, auf
welchem vielleicht weder Vegetation, noch Leben, noch irgend eine
Bewegung, sondern nur ewige Ruhe und Grabesstille herrscht,
und daß daher der Mond entweder sich selbst überlebt hat und
nun als unbrauchbarer Schlacken aus der Reihe bewohnbarer
Welten herausgetreten ist, oder daß er in einer Art von Verpup-
pung seinem neuen, bessern Leben, seiner Auferstehung entgegen
schlummert.

§. 142. (Bewohner des Mondes.) Demungeachtet hat es,
nicht bloß unsern Dichtern, sondern auch mehreren Astronomen
gefallen, diese Wüste mit Bewohnern, ja sogar mit menschenähn-
lichen Bewohnern zu bevölkern. Jenen wird man diese poetische
Licenz nicht verargen dürfen, da dieser Himmelskörper der Ver-
traute, um nicht zu sagen, der Freund von uns allen in jener,
wohl den meisten meiner Leser schon entschwundenen Rosenzeit der
Jugend gewesen ist, in welcher die lebhaftere Einbildungskraft sich
so leicht und gern in die höheren Regionen schwingt, und da er

Der Mond.
Anſchwellungen und wo ſie ſtark genug war, auch eine Erup-
tion, wodurch dann die Krater und Wallgebirge entſtanden. Es
ſcheint, daß zur Zeit jener Kataſtrophe der ganze Körper des
Mondes nicht mehr eine weiche, ſondern mehr ſchon eine feſte
Maſſe geweſen, und daß wenigſtens ein Theil dieſer aufgeworfenen
Maſſe in eine Art von Schmelzung übergegangen ſey. Was der-
gleichen Schmelzungen oder Verglaſungen, wenn man ſo ſagen
darf, noch wahrſcheinlicher macht, iſt die gänzliche Unmöglichkeit,
allen den ſeltſamen Farbenwechſel, der auf dem Monde ſtatt hat,
zu erklären, ohne wenigſtens hie und da ſpiegelähnliche Flächen
anzunehmen. Immer ſcheint das ganze mehr vulkaniſchen, als
neptuniſchen Urſprungs zu ſeyn, wofür der ganze Anblick des
Mondes und ſelbſt die oben erwähnten Kegel in der Mitte
der Ringgebirge ſprechen, da ſie wohl nichts anders ſind,
als neue Verſuche jener innern elaſtiſchen Kraft, noch mehr
Maſſe auszuwerfen, wie man denn dieſe Kegel ſelbſt in den gro-
ßen Kratern, ganz ſo wie bei unſeren Vulkanen, findet. Es iſt
möglich, es iſt ſogar ſehr wahrſcheinlich, daß dieſer Himmelskör-
per, dem es jetzt an Luft und Waſſer fehlt, ſeit jener großen Re-
volution nur mehr ein trockenes, nacktes Felſengerippe iſt, auf
welchem vielleicht weder Vegetation, noch Leben, noch irgend eine
Bewegung, ſondern nur ewige Ruhe und Grabesſtille herrſcht,
und daß daher der Mond entweder ſich ſelbſt überlebt hat und
nun als unbrauchbarer Schlacken aus der Reihe bewohnbarer
Welten herausgetreten iſt, oder daß er in einer Art von Verpup-
pung ſeinem neuen, beſſern Leben, ſeiner Auferſtehung entgegen
ſchlummert.

§. 142. (Bewohner des Mondes.) Demungeachtet hat es,
nicht bloß unſern Dichtern, ſondern auch mehreren Aſtronomen
gefallen, dieſe Wüſte mit Bewohnern, ja ſogar mit menſchenähn-
lichen Bewohnern zu bevölkern. Jenen wird man dieſe poetiſche
Licenz nicht verargen dürfen, da dieſer Himmelskörper der Ver-
traute, um nicht zu ſagen, der Freund von uns allen in jener,
wohl den meiſten meiner Leſer ſchon entſchwundenen Roſenzeit der
Jugend geweſen iſt, in welcher die lebhaftere Einbildungskraft ſich
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[197/0207] Der Mond. Anſchwellungen und wo ſie ſtark genug war, auch eine Erup- tion, wodurch dann die Krater und Wallgebirge entſtanden. Es ſcheint, daß zur Zeit jener Kataſtrophe der ganze Körper des Mondes nicht mehr eine weiche, ſondern mehr ſchon eine feſte Maſſe geweſen, und daß wenigſtens ein Theil dieſer aufgeworfenen Maſſe in eine Art von Schmelzung übergegangen ſey. Was der- gleichen Schmelzungen oder Verglaſungen, wenn man ſo ſagen darf, noch wahrſcheinlicher macht, iſt die gänzliche Unmöglichkeit, allen den ſeltſamen Farbenwechſel, der auf dem Monde ſtatt hat, zu erklären, ohne wenigſtens hie und da ſpiegelähnliche Flächen anzunehmen. Immer ſcheint das ganze mehr vulkaniſchen, als neptuniſchen Urſprungs zu ſeyn, wofür der ganze Anblick des Mondes und ſelbſt die oben erwähnten Kegel in der Mitte der Ringgebirge ſprechen, da ſie wohl nichts anders ſind, als neue Verſuche jener innern elaſtiſchen Kraft, noch mehr Maſſe auszuwerfen, wie man denn dieſe Kegel ſelbſt in den gro- ßen Kratern, ganz ſo wie bei unſeren Vulkanen, findet. Es iſt möglich, es iſt ſogar ſehr wahrſcheinlich, daß dieſer Himmelskör- per, dem es jetzt an Luft und Waſſer fehlt, ſeit jener großen Re- volution nur mehr ein trockenes, nacktes Felſengerippe iſt, auf welchem vielleicht weder Vegetation, noch Leben, noch irgend eine Bewegung, ſondern nur ewige Ruhe und Grabesſtille herrſcht, und daß daher der Mond entweder ſich ſelbſt überlebt hat und nun als unbrauchbarer Schlacken aus der Reihe bewohnbarer Welten herausgetreten iſt, oder daß er in einer Art von Verpup- pung ſeinem neuen, beſſern Leben, ſeiner Auferſtehung entgegen ſchlummert. §. 142. (Bewohner des Mondes.) Demungeachtet hat es, nicht bloß unſern Dichtern, ſondern auch mehreren Aſtronomen gefallen, dieſe Wüſte mit Bewohnern, ja ſogar mit menſchenähn- lichen Bewohnern zu bevölkern. Jenen wird man dieſe poetiſche Licenz nicht verargen dürfen, da dieſer Himmelskörper der Ver- traute, um nicht zu ſagen, der Freund von uns allen in jener, wohl den meiſten meiner Leſer ſchon entſchwundenen Roſenzeit der Jugend geweſen iſt, in welcher die lebhaftere Einbildungskraft ſich ſo leicht und gern in die höheren Regionen ſchwingt, und da er

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/207>, abgerufen am 26.04.2024.