Der bedeutendste Punkt der britischen Colonien in West-Afrika, gewissermassen die Capitale dieser zerstreuten Colonien und Facto- reien ist Lagos. Die Küste ist daselbst flach und einförmig. Man erblickt auf viele Meilen lang immer nur denselben weisslich-grauen Streifen, hinter welchem sich in paralleler Richtung ein zweiter grüner Streifen hinzieht. Der eine bezeichnet die Düne, der andere den Wald. Und so erblickt man auch die am Westende der flachen Insel Kuramo gelegene Stadt Lagos erst, wenn man die Barre (über welche grössere Schiffe gar nicht gelangen können) passirt hat und dadurch in den eigentlichen Hafen eintritt. Da geniesst man einen recht freund- lichen Anblick, wenn auch nur im relativen Sinne des Wortes, denn in jenen Theilen Afrikas wird das Auge nicht verwöhnt. Längs des Ufers zieht sich die äusserst rein gehaltene und mit schattigen Bäumen bepflanzte "Marina" hin, an welcher das Gouvernementsgebäude, alle europäischen Factoreien, die Post und eine schöne Kirche gelegen sind. Jede Factorei besitzt einen eigenen Molo, welcher nur aus Holz hergestellt ist, sich aber weit hinaus in den Hafen erstreckt. An demselben legen die Schiffe an, welche mit der betreffenden Factorei zu thun haben. Diese vielen Molen tragen zur Belebung des Hafens bei. An denselben verkehren auch die Lastboote und Dampfbarcassen, welche theils die Verbindung mit den Schiffen her- stellen, welche vor Anker bleiben, theils aber landeinwärts den Fluss hinauf gehen, um Waaren zu bringen. Auch hier sind die Factoreien, ähnlich wie in Banana, als vertheidigungsfähige Punkte eingerichtet. Jede einzelne ist von starken steinernen Mauern umgeben, welche gut drei Meter hoch sind und innerhalb deren dann die Wohnhäuser, Lagerräume und verschiedene Werkstätten sich befinden. Die geringe europäische Bevölkerung, welche eigentlich nur mit dem Geschäfte der Factoreien zu thun hat, lebt ausschliesslich in diesen. Ihre Zahl beträgt nicht viel über 100 Köpfe, worunter etwa ein Drittel Deutsche
Lagos.
Der bedeutendste Punkt der britischen Colonien in West-Afrika, gewissermassen die Capitale dieser zerstreuten Colonien und Facto- reien ist Lagos. Die Küste ist daselbst flach und einförmig. Man erblickt auf viele Meilen lang immer nur denselben weisslich-grauen Streifen, hinter welchem sich in paralleler Richtung ein zweiter grüner Streifen hinzieht. Der eine bezeichnet die Düne, der andere den Wald. Und so erblickt man auch die am Westende der flachen Insel Kuramo gelegene Stadt Lagos erst, wenn man die Barre (über welche grössere Schiffe gar nicht gelangen können) passirt hat und dadurch in den eigentlichen Hafen eintritt. Da geniesst man einen recht freund- lichen Anblick, wenn auch nur im relativen Sinne des Wortes, denn in jenen Theilen Afrikas wird das Auge nicht verwöhnt. Längs des Ufers zieht sich die äusserst rein gehaltene und mit schattigen Bäumen bepflanzte „Marina“ hin, an welcher das Gouvernementsgebäude, alle europäischen Factoreien, die Post und eine schöne Kirche gelegen sind. Jede Factorei besitzt einen eigenen Molo, welcher nur aus Holz hergestellt ist, sich aber weit hinaus in den Hafen erstreckt. An demselben legen die Schiffe an, welche mit der betreffenden Factorei zu thun haben. Diese vielen Molen tragen zur Belebung des Hafens bei. An denselben verkehren auch die Lastboote und Dampfbarcassen, welche theils die Verbindung mit den Schiffen her- stellen, welche vor Anker bleiben, theils aber landeinwärts den Fluss hinauf gehen, um Waaren zu bringen. Auch hier sind die Factoreien, ähnlich wie in Banana, als vertheidigungsfähige Punkte eingerichtet. Jede einzelne ist von starken steinernen Mauern umgeben, welche gut drei Meter hoch sind und innerhalb deren dann die Wohnhäuser, Lagerräume und verschiedene Werkstätten sich befinden. Die geringe europäische Bevölkerung, welche eigentlich nur mit dem Geschäfte der Factoreien zu thun hat, lebt ausschliesslich in diesen. Ihre Zahl beträgt nicht viel über 100 Köpfe, worunter etwa ein Drittel Deutsche
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Lagos.
Der bedeutendste Punkt der britischen Colonien in West-Afrika,
gewissermassen die Capitale dieser zerstreuten Colonien und Facto-
reien ist Lagos. Die Küste ist daselbst flach und einförmig. Man
erblickt auf viele Meilen lang immer nur denselben weisslich-grauen
Streifen, hinter welchem sich in paralleler Richtung ein zweiter grüner
Streifen hinzieht. Der eine bezeichnet die Düne, der andere den Wald.
Und so erblickt man auch die am Westende der flachen Insel Kuramo
gelegene Stadt Lagos erst, wenn man die Barre (über welche grössere
Schiffe gar nicht gelangen können) passirt hat und dadurch in den
eigentlichen Hafen eintritt. Da geniesst man einen recht freund-
lichen Anblick, wenn auch nur im relativen Sinne des Wortes, denn in
jenen Theilen Afrikas wird das Auge nicht verwöhnt. Längs des Ufers
zieht sich die äusserst rein gehaltene und mit schattigen Bäumen
bepflanzte „Marina“ hin, an welcher das Gouvernementsgebäude, alle
europäischen Factoreien, die Post und eine schöne Kirche gelegen
sind. Jede Factorei besitzt einen eigenen Molo, welcher nur aus
Holz hergestellt ist, sich aber weit hinaus in den Hafen erstreckt.
An demselben legen die Schiffe an, welche mit der betreffenden
Factorei zu thun haben. Diese vielen Molen tragen zur Belebung
des Hafens bei. An denselben verkehren auch die Lastboote und
Dampfbarcassen, welche theils die Verbindung mit den Schiffen her-
stellen, welche vor Anker bleiben, theils aber landeinwärts den Fluss
hinauf gehen, um Waaren zu bringen. Auch hier sind die Factoreien,
ähnlich wie in Banana, als vertheidigungsfähige Punkte eingerichtet.
Jede einzelne ist von starken steinernen Mauern umgeben, welche gut
drei Meter hoch sind und innerhalb deren dann die Wohnhäuser,
Lagerräume und verschiedene Werkstätten sich befinden. Die geringe
europäische Bevölkerung, welche eigentlich nur mit dem Geschäfte
der Factoreien zu thun hat, lebt ausschliesslich in diesen. Ihre Zahl
beträgt nicht viel über 100 Köpfe, worunter etwa ein Drittel Deutsche
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [711]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/727>, abgerufen am 23.11.2024.
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